Hallo Hans,
wenn ihr Deutschen in Kanada alle "Du" zueinander sagt,
dann werd' ich das hier auch machen. Nett! Ich stell' mir
vor, Du sitzt irgendwo in der Wildnis an einem kleinen
See in Deinem Blockhaus, hast eine grosse Antenne (mit
Solarstrom) auf dem Dach und hast da Dein Handy und Dein
Notebook angeschlossen und surfst im Internet rum...
Aber das ist doch etwas abgedreht und hollywood-like.
Wahrscheinlich hockst Du auch in irgendeiner Großstadt...
Was Walker angeht: Ich habe sein ganzes Buch mittlerweile
abgescannt + korrekturgelesen; ich bin nur noch nicht
dazugekommen, es ins HTML-Format zu bringen. Wird aber
hoffentlich bald soweit sein.
Walker ist - glaub' ich - schon einige Jahre tot. Ich habe
sein Buch irgendwo gefunden, fand' es spannend + vergriffen,
und habe es abgescannt...
Freundlicher Gruss, Wolfgang
Hallo Herr Naegli! (Eintrag vom 3. July, 1:31 Uhr)
Ja, das mit den Internet-Suchmaschinen ist schier fantastisch!
So aehnlich muss das damals gewesen sein, als Gutenberg den
Buchdruck erfunden hat. Nicht mehr muehsam abschreiben, sondern
in grosser Auflage drucken... Die Ideen haben sich dann
viel schneller verbreitet + Bücher waren kein Privileg mehr
von einigen Wohlhabenden...
Jetzt mit dem Internet sind wir in einer aehnlichen Situation:
Jeder kann publizieren. Leider hat aber kaum jemand was
wichtiges der Welt mitzuteilen... Daher ist es m.E. wichtig,
wichtige Buecher von Leuten, die wirklich etwas mitzuteilen haben/hatten
im Volltext im Internet abzulegen. Ich habe schon mal mit
diesen erstaunlichen Zinstheorien angefangen.
Mit irgendwelchen weltweiten Verschwoerungstheorien kann ich garnichts anfangen! Das sind meines Erachtens unterhaltsame Märchen aus schlechten Büchern + Filmen.
Wegen den Brakteaten moechte ich auf das Buch von Walker hinweisen. Es wird hoffentlich naechste Woche auf diesen Seiten hier im Volltext zur Verfuegung stehen. Wenn ich mich richtig erinnere, wurden die Brakteaten abgeschafft, weil die Muenzherren zu habgierig wurden, und die Geldverrufung zu oft ausfuehrten. Die Menschen waren dann sauer + es leid und fanden einen "ewigen Pfennig" viel bequemer. Dass sie sich damit auch wieder der Zinsproblematik aussetzten, war ihnen nicht bewusst. :-(
Freundlich: W. Roehrig
Hi Hans,
naja, ich bin ja kein richtiger Berliner. Aus Westdeutschland erst 1987
hergekommen.
- Internet: Ist das üblich, dass öffentliche Bibliotheken in
Kannada kostenlosen Internet-Zugang bieten? Hier in
Deutschland sind wir davon noch weit entfernt. Ist eher
die Ausnahme. :-( Muss aber besser werden!
- Walker: Woher weisst Du, dass er hinkte? Hast Du ihn
gekannt?
- Brakteaten: Ich habe gerade das gesamte Walker-Buch ins
Netz gestellt. Ganzer Tag Arbeit... Hoffentlich hat es
sich gelohnt!!! Walker schreibt viel zu den Brakteaten!
Karl Walker: Das Geld in der Geschichte
Ausserdem sind heute noch folgende Texte dazugekommen:
Helmut Creutz: Wie stichhaltig sind die Einwände gegen eine Geldreform?
GLS Gemeinschaftsbank Eine Bank (fast) ohne Zinsen
Freundlich winkend: Wolfgang
Freundlicher Gruss, W. Roehrig
Hi Hans (Eintrag vom 8. July 1997, 1:13)
Deinen Text unter
http://ourworld.compuserve.com/homepages/ruetten/supply.htm
habe ich gelesen. Danke!
Margin kann ich nicht lassen, aber Du kannst Deinen
Browserausdruck so einstellen, dass er Rand laesst!
Geisteszustand: Bin ich eigentlich ganz zufrieden!
Hinweis: WWW-Seite des Instituts fuer Weltwirtschaft
Zum Eintrag von Otto Lautenbach vom 10. July, 8:15
Erstaunlich: Das Internet scheint ein wahrer Jungbrunnen zu sein: Erst Silvio Gesell und jetzt Otto Lautenbach. Letzteren kannte ich bisher noch nicht, aber gestern sagte man mir, dass Lautenbach ein von Gesell inspirierter Ökonom gewesen sei, der z.B. mit Erhardt zusammen an der sozialen Marktwirtschaft gewerkelt hat.
Herr Lautenbach, können Sie da noch was zu sagen? Und was treibt Sie ins Netz? Gibt es jetzt schon auf irgendwelchen Friedhöfen öffentliche Internetterminals? Oder gibt es gar direkt irgendwo eine Internet-Leitung ins "Jenseits"?
Verwundert: W. Roehrig
Zum Eintrag von Markus Diehl (11. July, 14:42 + 15:22)
Hallo Herr Diehl!
"Institut fuer Weltwirtschaft"; Ich bin beeindruckt! Sie
sind wohl "Profi"!? Vielen Dank fuer Ihre Kommentare zum
Buch von Kennedy! :-)
Nutzungsgebühr: Woher haben Sie die 6 %? Vielleicht können Sie die Stelle bei Kennedy angeben? H.Creutz meint, die Bankmarge (= Nutzungsgebühr, wenn ich das richtig verstanden habe) läge so zw. 4 - 5 %. Das deckt sich in etwa mit den Sätzen, die die GLS-Bank zur Zeit nimmt. http://userpage.fu-berlin.de/~roehrigw/gls.htm
"Inflation verringert sich durch Verzicht auf Geldzins"
Zu dieser These habe ich neulich irgendwo was gelesen. Ich
werde mich bemuehen, den Text wiederzufinden und Ihnen mitzuteilen.
Das schien mir ganz schluessig, momentan kann ich es aber
nicht herleiten.
FED: Die feine Ironie im 1966er Artikel von Greenspan ist mir in der Tat entgangen. Wie war denn das damals? Sind die Leute so einfach vom Goldstandard abgerueckt? Wenn dem so waere, dann ist das ja vielleicht ironisch. Aber ich kenne mich in Geld- und Wirtschaftsgeschichte kaum aus!
unhoeflich: Keine Sorge! So lange das hier nicht in wueste "flame-wars" ausartet, ist das ganz ertraeglich! Danke der Nachfrage! Ebenfalls freundlich + herzlich: Wolfgang Roehrig
Lieber Markus Diehl,
zu Deinen Fragen ueber das Buch von Kennedy in der e-mail vom
11.07.1997 an Wolfgang Roehrig:
1.)
>Allerdings ist die Autorin gerade da ziemlich vage, wo es darum
>geht, wie die Zentralbank oder eine andere Behoerde das machen kann
>bzw. sollte.
Die Funktionsweise ist genau beschrieben im Kapitel 12 meiner
Vortragsunterlage "Ueber die (In-)Stabilitaet unseres Geld- und
Wirtschaftssystems aus der Sicht eines Technikers".
- Einen Auszug daraus findest Du als attachment dieser e-mail.
- Die gesamte Vortragsunterlage kannst Du ueber unseren FTP-Server
(File-Server mit Word-Dokumenten zum Thema NewMoney) im
Verzeichnis /newmoney/
folgendermassen abrufen:
FTP-Server:
ftp.sbl.co.at
Login Name:
anonymous
Password:
eigene Mailadresse (zB: gloetzl@sbl.co.at)
- Darueber hinaus findest Du in unserem FTP-Server einige
interessante Briefwechsel mit Volkswirten, die helfen, moegliche
Missverstaendnisse aufzuklaeren.
- Falls Du mir Deine Postadresse bekannt gibst, kann ich Dir die
Unterlagen einschliesslich Grafiken schicken.
2.)
>Interessanterweise bleibt es trotz des eigenen Anspruchs bei einem
>Geldzins auf Kredite, die jetzt allerdings etwas verschaemt
>Nutzungsgebuehr genannt wird, aber immerhin real 6 % pro Jahr
>betragen soll.
In der klassischen Freiwirtschaftstheorie (und damit auch bei
Kennedy) ist die Nutzungsgebuehr keine Gebuehr auf Kredite, sondern
eine Besteuerung der M1-Geldmenge (Bargeld und Giralgeld) in der
Hoehe von etwa 6 %. Etwas allgemeiner betrachtet geht es um die
Besteuerung liquider Mittel.
Im Gegensatz zur klassischen Freiwirtschaftstheorie bin ich der
Meinung, dass zusaetzlich zur Nutzungsgebuehr eine Gebuehr auf
Kredite notwendig ist, um Sparzinsen und Kreditzinsen voneinander zu
entkoppeln. Ziel ist naemlich nicht "dass die Zinsen Null werden",
sondern Ziel ist "dass die SPARzinsen Null werden" und die
Kreditzinsen sich am Markt nach Angebot und Nachfrage einpendeln, um
eine effiziente Allokation knapper Ressourcen zu gewaehrleisten.
3.)
>Was nun den Aspekt der Widernatuerlichkeit exponentiellen Wachstums
>angeht, so ist mir nicht klar, was bei dieser Metapher der
>oekonomische Kern sein soll>
Natuerlich ist eine exponentielle Inflation theoretisch moeglich.
Dies ist aber nicht das Kernproblem. Das Kernproblem ist die durch
das exponentielle Wachstum der realen (nicht der nominellen!)
Geldvermoegen ausgeloeste exponentielle Wachstum der realen
Kapitaleinkommen und der wegen der ungleichen Verteilung der
Kapitalvermoegen dadurch ausgeloesten Umverteilung. Naeheres dazu
siehe Kapitel 4/5/6 von og. Vortragsunterlage.
-----
Auszug aus "Ueber die (In-)Stabilitaet unseres Geld- und
Wirtschaftssystems aus der Sicht eines Technikers"
4,5,6,10,11 und 12.1 bis 12.5
als attachment
-----
liebe Gruesse
Erhard Gloetzl
W. Roehrig
Lieber Alexander Brandt,
ich bin ja nun kein "Profi" in Sachen Freiwirtschaft,
ebensowenig in Oekonomie, ich bin irgendwann einmal
zufaellig auf das Buch von Kennedy gestossen und hatte
nach der Lektuere den Eindruck, dass ich nun in Sachen
Geld + Wirtschaft + Arbeit einiges anders sehe. Das
hat mir grossen Spass gemacht! Ich habe mich dann weiter
mit dem Thema beschaeftigt und bin dann auf weitere
Texte gestossen, die zum Teil auch jetzt hier auf
diesen WWW-Seiten vorliegen. Ich hatte nicht den Eindruck,
dass es sich hier um eine "antisemitische Oekonomie" handelt.
(Was ist das genau?)
Ich denke, dem Zins ist es egal, von wem er bezahlt wird; das trifft ALLE wirtschaftenden Menschen gleich, unabhaengig von Alter, Geschlecht, Religion, Nationalitaet, etc.
Wenn ich denke, dass JEDE/R mindestens 30 % seiner/ihrer Arbeitszeit oder seines/ihres Einkommens (vgl. die Berechnungen von H. Creutz) an diesen abstrusen Zinsmechanismus abgeben muss, dann kommt mir einfach die Galle hoch!!! Und das Uebelste dabei: In den (Hoch-) Schulen, in den Medien, in der Politik, ist dieses Thema kaum zu finden! Warum???
Verstoert: W. Roehrig
Hans Eisenkolb aus Kanada bat mich, folgenden Vorschlag zu verbreiten:
Kommentare?
Freundlich gruessend: Wolfgang Roehrig
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Auf meinen Wanderungen im Netz habe ich die verschiedensten Vorschlaege fuer alternatives Geld gefunden und kenne auch die geschichtlichen Geldexperimente der Freiwirtschaftler, wie Waera und Woergl sowie den Neutralgeldvorschlag von Suhr, habe aber noch nie einen Vorschlag gefunden, der zum Zeitpunkt einer schleichenden Inflation machbar ist, das heisst, dass niemals eine Trennung vom inflationierten Nationalbankgeld mit Umrechnungskurs stattgefunden hat oder auch nur vorgeschlagen wurde. Im Folgenden moechte ich dieses Manko ausgleichen und folgende Idee zur Debatte stellen:
Eine Bank oder Kreditunion fuehrt fuer ihre Kunden alternative Konten ein, die zum Beispiel auf eine Mark80 lauten. Das waere eine Mark mit der Kaufkraft des Jahres 1980 mit einem aus dem Lebenhaltungskostenindex errechnetem Umwechslungskurs, der laufend danach korregiert wird. Das Jahr 1980 als Beispiel oder irgend ein anderes in der Vergangenheit wurde gewaehlt, um den Eindruck zu erwecken, dass diese ganze Geschichte schon ein alter Hut ist und um die Kunden gleich von Anfang an daran zu gewoehnen, dass sein Nationalbankgeld zu seiner Mark80 einen Umrechnungskurs hat. Es wird damit auch gleich viel klarer, dass er zwar wenig oder gar keine Zinsen gutgeschrieben bekommt, dass aber dafuer seine Kaufkraft gesichert bleibt. Es ist kaum zu erwarten, dass die Bank Schwierigkeiten haette, Kunden fuer diese Konten zu finden. Ich zum Beispiel wuerde sofort einen Teil meiner Ersparnisse auf so ein Konto legen.
Die Kontenfuehrung bringt banktechnisch keine Schwierigkeiten und es werden auch heute schon Fremdwaehrungskonten in der ganzen Welt gefuehrt. Fuer die Bank bleibt eigentlich nur die Aufgabe, die zu erwartenden Kursverluste auf die Kreditnehmer abzuwaelzen. Das sollte auch keine grossen Schwierigkeiten machen. Leute, die heutzutage Jahreszinsen von bis zu 28% auf Kreditkarten in Kauf nehmen, werden liebend gern einen zinsfreien Kredit nehmen, auch wenn sie ihn spaeter mit Kursverlusten zurueckzahlen muessen.
Wenn spaeter die Bank eventuell Banknoten auf Mark80 lautend herausgibt, muesste sie natuerlich fuer eine Umlaufsicherung sorgen, damit die Banknoten nicht als Schatzmittel oder Spekulationsobjekte missbraucht werden. Falls tatsaechlich Banknoten gedruckt wuerden ( oder "Verrechnungsscheine"), muss auch fuer die rechtliche Absicherung gesorgt werden, aber Gesetze kann man bekanntlich aendern oder auch brechen.
Ein Problem ist allerdings vorauszusehen. Was wird die Nationalbank als Ausrede gebrauchen, wenn eine kleine lokale Bank oder Kreditunion praktisch eine kaufkraftgesicherte Zweitwaehrung schafft, was ihr mit allen ihr zur Verfuegung stehenden Mitteln fuer eine nicht gelungen ist?
Andere Fragen, wie zum Beispiel die Marge zwischen Einkauf und Verkauf der Mark80, sind Sache der Bank und unterliegen bald dem Gesetz von Angebot und Nachfrage, wenn erst andere Banken dem Beispiel der ersten folgen und folgen werden sie...
Weitere Gedanken zur Mark80. Man koennte sie auch V80 nennen.( Fuer Verrechnungseinheit 80). Dann kann man mit vollen Recht behaupten, dass es sich dabei nicht um Geld handelt und man somit nicht das Notenprivileg der Nationalbank beruehrt.
Da die Bank diese V80 Konten fuehrt, hat sie volle Kontrolle ueber die Zinshoehe, die sie eventuell dafuer zahlt bis zu Negativzins, den sie eventuell berechnet. Bankkredite ,die der Schuldner nicht zurueckzahlen kann, muesste die Bank, genau so wie jetzt aus ihren Einkommen abdercken. Das Einkommen der Bank besteht genau so wie heute aus dem Unterschied zwischen bezahlten und verlangten Zinsen und aus der Spanne zwischen Einkauf und Verkauf von Valuten. Zu den Valuten zaehlt in diesem Fall auch die V80. Eine Spanne von 1% waere dabei voellig ausreichend und ich bin auch sicher, dass selbst Boersenspekulanten dies Konten in Anspruch nehmen wuerden. Sie halten auch jetzt Goldwerte und zahlen mehr als das an Maklergebuehren. Je oefter jemand aus seinen V80 Konten aus und einsteigt, desto mehr Einkommen hat die Bank und wenn jemand dauernd sein Geld auf diesem Konto laesst ist es nur die Aufgabe der Bank, dafuer wertgesicherte Kredite zu vergeben. Die Bank, welche die wertgesicherten Konten einfuehrt, nimmt dafuer Nationalbankgeld in Zahlung zum jeweiligen Umrechnungskurs und hat damit zum Zeitpunkt der Transaktion vollstaendige Deckung plus der einprozentigen Spanne. Solange die Inflationsrate nicht hoeher ist als die Zinsen, die sie fuer das Nationalbankgeld bekommt, ist die Bank auch weiterhin gedeckt und wenn die Inflationsrate hoeher wird, kann sie die V80 Konten mit Negativzinsen belasten und es wird trotzdem niemand aufs inflationierte Nationalbankgeld umsteigen, wenn sie die Negativzinsen im Rahmen haelt. Die Bank ist also auf alle Faelle abgesichert.
Bleiben die anderen Partner bei dem Geschaeft. Der V80 Konteninhaber hat den Vorteil, dass sein Geld kaufkraftgesichert angelegt ist und dass er jederzeit darueber verfuegen kann. Er kann also jederzeit umdisponieren, wenn ihm die Inflationsabsicherung nicht mehr notwendig erscheint. Der Kreditnehmer hat den Vorteil eines niedrig verzinsten oder sogar zinsfreien Kredites und hat voraussichtlich das Geld in Sachwerten angelegt, die im Gleichschritt mit der Inflation an Nominalwert zunehmen. Er hat nun zwar keinen Inflationsgewinn, wei er seine Schulden nicht mit entwertetem Geld zurueckzahlen kann aber der Vorteil der niedrigen Zinsen wiegt das bei weitem auf. Warum ist noch niemand auf diese Idee gekommen?
Ein kurzes Beispiel von Umrechnungskursen fuer die geplante V80. Die Zahlen sind nur annaehernd fuer den Jahresdurchschnitt. Im Ernstfall muessten diese Zahlen mindestens monatlich erstellt werden. Uebermaessige Genauigkeit ist dabei gar nicht notwendig. Wie das Beispiel zeigt, nimmt es die Nationalbank auch nicht so genau mit der Stabilitaet.
Datum | Einkauf | Verkauf | % Ziffern in DM |
1980 | 0.99 | 1.00 | 100 |
1991 | 1.48 | 1.50 | 67 |
1992 | 1.56 | 1.58 | 64 |
1993 | 1.63 | 1.65 | 62 |
1994 | 1.64 | 1.66 | 61 |
1995 | 1.67 | 1.69 | 60 |
1996 | 1.70 | 1.72 | 58 |
Hans Eisenkolb
(eisehan@sunshinecable.com)
Folgenden Artikel habe ich aus der Newsgroup "de.soc.wirtschaft" gefischt.
Freundlicher Gruss,
Wolfgang Roehrig
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ALLE Kommentare, Anregungen und Kritik bezueglich Form und Inhalt des folgenden Artikels UND des Postings bitte AUSSCHLIESSLICH an "Manuela Goessnitzer" X423442@omv.co.at
Eine kurze Betrachtung ueber das Geld
„Es gibt keinen heimtueckischeren und sichereren Weg, das Fundament
der Gesellschaft zu zerstoeren, als ihre Waehrungen zu entwerten.
Dieser Vorgang stellte alle verborgenen Kraefte der wirtschaftlichen
Gesetze in den Dienst der Zerstoerung, und dies in einer Weise, die
nicht einer unter einer Million erkennen kann.“ -- George Orwell,
„1984“
Geld regiert die Welt. So heisst es in einem Sprichwort, und noch nie
hat das in diesem Ausmass zugetroffen wie heute. Auf der einen Seite
gibt es riesige Kapitalmengen, die mit immer groesserer
Geschwindigkeit dorthin verschoben werden, wo der groesste Ertrag
winkt, auf der anderen Seite waechst das Heer der Arbeitslosen. In
Deutschland erhebt schon das Gespenst des Nationalsozialismus sein
haessliches Haupt (siehe Heribert Prantl, „Deutschland leicht
entflammbar“), und die Politiker glauben, dieser Tendenz
entgegentreten zu koennen, indem sie sie noch unterstuetzen.
Massenarbeitslosigkeit trotz florierender Wirtschaft, Aktienkurse
steigen, wenn Mitarbeiter entlassen werden - wie ist denn das
moeglich? Ich behaupte jetzt mal ganz kuehn, das Dilemma hat eine
Ursache: den Zins.
Ein kurzer Ausflug in die Mathematik, um diese Behauptung zu
untermauern. Was bedeutet es, Zinsen zu bekommen oder zu bezahlen?
Legt man auf ein Sparbuch 100 DM mit einer Verzinsung von 5%, so hat
man nach einem Jahr 105 DM auf dem Sparkonto. Nach einem weiteren Jahr
befinden sich nicht, wie vielleicht jemand annehmen wuerde, 110 DM,
sondern bereits 110,25 DM auf dem Konto. Dies hat seinen Grund darin,
dass die Zinsen des ersten Jahres ihrerseits wieder verzinst wurden,
die fuenf Prozent nunmehr nicht vom urspruenglichen Betrag (100 DM),
sondern vom durch die Zinsen erhoehten Betrag von 105 DM berechnet
wurden. Sind diese Zinseszinseneffekte anfangs relativ klein, so
wirken sie sich bald lawinenartig aus. Es liegt ein exponentielles
Wachstum vor, das in seiner Geschwindigkeit jede andere in der Natur
bekannte Wachstumsform uebertrifft. Nach 14.2 Jahren hat sich der
Betrag verdoppelt, und nach weiteren 14.2 Jahren vervierfacht. Der
Abstand zwischen zwei Verdoppelungen ist beim exponentiellen
Wachstum konstant. Bei 10% Verzinsung verdoppelt sich das eingesetzte
Kapital in 7.2 Jahren, bei 12% in 6.1 Jahren. Selbst bei einem
geringen Wachstum von 1% verdoppelt sich die Ausgangsgroesse alle
knappen 70 Jahre. Angenommen, das Bevoelkerungswachstum betruege
weltweit 1%, so waere am Ende eines 70jaehrigen Lebens die Zahl der
auf der Erde lebenden Menschen doppelt so gross wie zum Zeitpunkt der
Geburt. Daraus ist unmittelbar einsichtig, dass es in der Natur kein
exponentielles Wachstum geben kann, zumindest nicht ueber einen
laengeren Zeitraum. Ungehemmtes exponentielles Wachstum hat stets den
Tod des „Gastorganismus“ zur Folge. Ein Beispiel dafuer sind
Krebszellen, die ihrer Vermehrungsfreudigkeit keine Schranken
auferlegen und Bakterien, die ebenfalls zum Tod des infizierten
Organismus fuehren, falls dieser keine oder nicht genuegend
Abwehrkraefte entwickeln kann. Ein weiteres beruehmtes Beispiel sind
die Reiskoerner auf dem Schachbrett. Wenn, beginnend mit einem Korn,
auf jedes weitere Feld die doppelte Anzahl der auf dem vorherigen Feld
vorhandenen Koerner gelegt wird, so koennte man mit dem auf dem
Schachbrett enthaltenen Koernern auf jeden Quadratzentimenter der
Erdoberflaeche ungefaehr acht Reiskoerner legen.
Der Josephspfennig
Haette Joseph zum Zeitpunkt der Geburt Jesu einen Pfennig mit fuenf Prozent Zinsen angelegt, so haetten seine Erben im Jahre 1990 sage und schreibe 134 Milliarden Goldkugel, jede mit dem Gewicht der Erde, ihr Eigen nennen koennen (bei einem Goldpreis von 18.500 DM/kg). Im Jahre 95 n.Chr. waere aus dem Pfennig eine DM geworden, im Jahre 142 n.Chr. 10 DM, im Jahre 189 n.Chr. 100 DM. Soweit ist der Anstieg noch nicht sonderlich aufregend, aber jetzt kommt's: 296 n.Chr. waere bereits 1 kg Gold daraus geworden, 1466 n.Chr. eine Goldkugel mit dem Gewicht der Erde, 1749 eine Million solcher Goldkugeln und 1890 eine Milliarde. Im statistischen Mittel besass jeder Haushalt in Westdeutschland 1989 100.000 DM an privatem Vermoegen. Die aermeren 50% der Haushalte verfuegen ueber 4% des Vermoegens, die reichere ueber 96%, also mehr als 20mal so viel. Im gleichen Jahr gab es in Westdeutschland 86 Milliardaere, die zusammen ein Zinseinkommen von 370.000 DM pro Tag hatten, eine 6%ige Verzinsung ihres Vermoegens angenommen. Geld arbeitet, heisst es immer. Oder in der Bankenwerbung: Lassen Sie ihr Geld fuer sich arbeiten. Hat man schon jemals Geld arbeiten gesehen? Es arbeiten immer nur Menschen, und jeden Zinsertrag, den ein Vermoegensbesitzer lukriert, muss ein Erwerbstaetiger erarbeiten. Der sogenannte „kleine Mann“ erarbeitet sich seine Zinsertraege also selbst und darueber hinaus noch die Ertraege der grossen Vermoegen. Mit dem Zins in unserem Geldsystem ist also eine Umverteilung von Geld verbunden, welche nicht auf Leistung beruht, sondern alleine auf Besitz. Zins bewirkt eine Umverteilung des Geldes von Arbeit zum Kapital. Dies kann man sich veranschaulichen, wenn man sich vor Augen haelt, dass das Wirtschaftswachstum derzeit bestenfalls 2% betraegt, das Zinsniveau aber wesentlich darueber liegt. Es muessen die Vermoegen also im Verhaeltnis zur Gesamtwirtschaft wachsen, und dies koennen sie nur auf Kosten der Arbeit.
Das Zinssystem bringt eine Dynamik der Wirtschaft mit sich, die
beinahe nicht mehr zu ueberbietenist. Wir leben in einer Zeit, in der
alles immer effektiver werden muss, Produktzyklen werden immer
kuerzer, der Konkurrenzdruck ist enorm. Die grossen kapitalkraeftigen
Konzerne kaufen die kleinen und mittelstaendischen Betriebe auf,
Gigantomanie ist angesagt, auch in der Politik (EU, Euro). Diese
Entwicklung ist kein Zufall, sondern leicht zu erklaeren. So wie
Bezieher hoher Einkommen von prozentuellen Lohnerhoehungen mehr
profitieren als Kleinverdiener, so wachsen grosse Konzerne bei
gleicher prozentueller Umsatzsteigerung in absoluten Zahlen wesentlich
staerker als kleine Unternehmen.
„Warum denn diese Aufregung wegen der Zinsen? Zinsen bezahle ich
ohnehin nur, wenn ich einen Kredit aufnehme. Da ich in der
gluecklichen Lage bin, keinen Kredit zu benoetigen, bezahle ich keine
Zinsen, sondern profitiere durch mein Sparguthaben vom Zinssystem.“ -
So oder aehnlich werden jetzt viele sagen. Irrtum, grosser Irrtum. In
jedem Preis, den wir bezahlen, stecken Zinsen, ob es sich um
Muellabfuhrgebuehren, Lebensmittel oder Wohnungen handelt. Bei den
Wohnungspreisen ist der Zinsanteil besonders gross und bewegt sich
zwischen sechzig und achtzig Prozent. Im Durchschnitt sind 30-50%
Zinsen in den Preisen fuer Gueter und Dienstleistungen, die wir zum
taeglichen Leben brauchen, enthalten. Anders gesagt: gelaenge es
irgendwie, den Zins abzuschaffen, dann waeren die Preise halb so hoch
wie heute, und das bei gleichem Einkommen. Vom gegenwaertigen
Zinssystem profitieren etwa 10% der Bevoelkerung, 10% steigen pari aus
und 80% stehen auf der Verliererseite.
„Aber das Zinssystem ist doch im Geldsystem enthalten? Geld ohne
Zinsen und Inflation gibt esnicht.“ - In der Tat, das jetzige System
ist derart fest in unseren Koepfen verankert, dass wir gar nicht auf
die Idee kommen, dass es etwas anderes auch noch geben koennte.
Kommunismus oder Kapitalismus - eine dritte Moeglichkeit gibt es
nicht. Den Niedergang des Kommunismus haben wir in den letzten Jahren
miterlebt. Daraus zu schliessen, dass der Kapitalismus auf allen
Linien gesiegt und sich als das bessere System erwiesen hat, ist
jedoch grundverkehrt. Wie am Beispiel des Josephspfennigs zu sehen
war, birgt der Kapitalismus genauso den Keim des Untergangs in sich,
und das Ende wird vermutlich wesentlich fulminanter sein als beim
Kommunismus. Der Erzeugen eines schnellen wirtschaftlichen Wachstums
kann das unvermeidliche Ende verzoegert, aber nicht verhindert werden.
In den industriellen Laendern ist die Saettigung der Maerkte bereits
erreicht, ein mengenmaessiges Wachstum kaum mehr moeglich. Daher setzt
jetzt die westliche Wirtschaft ihre ganze Hoffnung in die sogenannten
„Zukunftsmaerkte“, die Laender des ehemaligen Ostblocks,
China und Indien. Die Folgen fuer die Umwelt werden katastrophal sein,
wenn keine Gegenmassnahmen ergriffen werden (derzeit berechtigt aber
nichts zu der Annahme, dass die noch nicht entwickelten Laender die
Umweltsuenden der Industriestaaten nicht wiederholen werden).Haette
beispielsweise China den Motorisierungsgrad von Deutschland, waeren
die Erdoelvorraete der Welt innerhalb weniger Jahre verbraucht. Was
das fuer das Klima bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen.
Es gibt tatsaechlich eine Moeglichkeit, den Zins (zumindest implizit) abzuschaffen: durch Einfuehrung einer Nutzungsgebuehr fuer Geld. Mit einem einfachen, aber genialen Trick wird dadurch die Zinstreppe nach unten verschoben und in eine „Nutzungsgebuehrentreppe“ umfunktioniert.
„Zinstreppe“ +----- laengerfristige Veranlagungen 6-8% und mehr | +------+ kurzfristige Veranlagungen 3-6% | +------+ Girokonten 0.5-1% | Bargeld 0% ZINSENNULLINIE ======+---------------------------------------+======== laengerfristige Veranlagungen 0% | +------+ kurzfristige Veranlagungen -0.5-1% | +------+ Girokonten -3% | ------+ Bargeld -6% „Nutzungsgebuehrtreppe“
Durch diesen simplen, aber wirkungsvollen mathematischen Kunstgriff
wird die verheerende Wirkung des exponentiellen Wachstums von
vornherein unterbunden, es gibt hoechsten "Nullwachstum", ansonsten
"exponentielle Schrumpfung". Es wuerde sich nicht lohnen, Geld zu
horten, Geld wuerde seine Funktion als Spekulationsobjekt verlieren
und waere ein Tauschmittel wie alle anderen Waren auch. Erreichen
koennte man das dadurch, indem regelmaessig (etwa jaehrlich)
alle Geldscheine eingezogen und durch neue ersetzt wuerden. Der
Wechselkurs muesste so angesetzt werden, dass beim Umtausch von alt
auf neu ein Verlust von 6-8% entstuende. Damit koennten die
Kosten der Umtauschaktionen finanziert werden. Rechnerische Guthaben
lassen sich noch viel einfacher abwerten, die UEberschuesse koennte
der Staat abschoepfen und somit den Haushalt entlasten.
„Aber so ein System ist doch voellig unsinnig, das kann doch nie
funktionieren!“ - Dieser Gedanke wird jetzt vielen, die bis hierher
gelesen haben, spontan einfallen. Es klingt verblueffend, aber das
System funktioniert tatsaechlich. Im Mittelalter waehrend dreier
Jahrhunderte gab es das sogenannte „Brakteatengeld“ in Teilen
Deutschlands. Bis zu dreimal im Jahr wurden die geltenden Muenzen
„widerrufen“ und mussten umgetauscht werden. Die Praegesteuer oder
der „Schlagschatz“ betrug gewoehnlich zwischen zehn und
fuenfundzwanzig Prozent, d.h. fuer zwoelf alte Pfennige wurden
z.B. neun neue ausgegeben. Die Verwendung alter Muenzen war natuerlich
streng untersagt. Weitere Steuern ausser der Praegesteuer waren nicht
notwendig. Durch das damals geltende Bodenrecht waren Spekulationen
mit Grund und Boden ausgeschlossen. Die Folgen dieser Geldpolitik
waren ein Aufbluehen von Handwerk, Kultur und Kunst. Ein Handwerker,
ein saechsischer Mauerer z.B. verdiente nach heutigem Geld ca. 2.600
DM (netto, da es keine sonstigen Steuern gab), wobei noch sonstige
Verguenstigungen wie freie Kost hinzukamen. Trotz des hohen
Lohns lag die Arbeitszeit bei sensationellen acht Stunden taeglich und
einer 5½ -Tage Woche, ein Standard, der vor gar nicht so langer Zeit
wieder hart erkaempft werden musste. Kaiser Maximilian I. fuehrte 1495
das „roemische Recht“ wieder ein. Hauptsaechlich auf Betreiben der
Kirche war Privateigentum an Grund und Boden wieder erlaubt, und an
Stelle der widerrufbaren Muenzen trat der „ewige Pfennig“. Als Folge
davon konnten die Fugger und Welser ueber den Geldverleih auf
Zinsen schnell ungeheure Reichtuemer anhaeufen. Gleichzeitig verarmte
die Mehrheit der Bauern und Handwerker. 1525, also bereits dreissig
Jahre nach der Abschaffung dieses so klugen Systems, kam es zum
grossen Bauernaufstand, und hundert Jahre spaeter brach der 30jaehrige
Krieg aus.
Es gibt auch zeitgenoessische Beispiele fuer das Funktionieren dieses Systems, das beruehmteste ist das in Woergl, einer Tiroler Marktgemeinde mit damals 4200 Einwohnern. Als sich 170 weitere Gemeinden fuer das Modell zu interessieren begannen, liess die oesterreichische Nationalbank die Verwendung lokalen Geldes verbieten. Auch in Deutschland, der Schweiz und Frankreich bildeten sich solche Experimente. Interessanterweise reagierte die Politik in allen Faellen gleich: es wurdenGesetze erlassen, die diese Tauschgesellschaften unmoeglich machten.
Mir war bisher klar, dass mit dem Zinssystem etwas nicht stimmt, dass
es auf die Dauer so nicht weitergehen kann. Eine brauchbare
Alternative ist mir aber erst mit der Lektuere des Buches „Geld
ohne Zinsen und Inflation“ von Margrit Kennedy, Goldmann Taschenbuch,
vor Augen gekommen. Dort werden die hier erlaeuterten Thesen und
Fakten noch viel ausfuehrlicher dargestellt, als ich es hier kann.
Jeder kleine Anleger beteiligt sich an der Jagd nach Zinsen und traegt
damit zu einem System bei, bei dem er auf Dauer nicht gewinnen kann.
Er traegt auch mit dazu bei, dass der Zinsdruck auf die Unternehmen
steigt und hilft mit, seinen Arbeitsplatz wegzurationalisieren. Dass
aber in absehbarer Zeit das „Freigeld“, wie das zinsen- und
inflationslose Geld auch genannt wird, flaechendeckend zumindest in
Mittel- und Westeuropa eingefuehrt wird, darauf mache ich mir keine
Hoffnungen. Fatalerweise sitzen gerade jene zehn Prozent der
Bevoelkerung, die vom derzeitigen Zinssystem profitieren, an den
Schalthebeln der Macht. Es sei nochmals betont: der Zusammenbruch
des jetzigen Systems ist keine Spekulation oder Fiktion, sondern eine
mathematische Notwendigkeit.
Diejenigen, die heute das Sagen haben, koennen jedoch mit einiger
Sicherheit damit rechnen, dass sie diesen Zusammenbruch nicht
mehrerleben werden.
„Geld, o Geld! Glaubst, regierst die Welt. Doch am Ende gehen alle Zinsen - in die Binsen. -- aus dem Film „Der ganz normale Wahnsinn“
Margrit Kennedy liefert in ihrem Buch auch Strategien und praktische Vorschlaege, was der Einzelne derzeit tun kann. Dazu gehoert auch die Weiterverbreitung dieser Informationen, also: Dieser Text darf geklaut werden! Geaendert darf er jedoch nicht werden, ausser, wenn es sich um Zusatzbemerkungen handelt, die klar als solche gekennzeichnet sind.
Manuela Goessnitzer, am 22. Juni 1997
Folgende Antwort auf vorhergehenden Artikel wurde in "de.soc.wirtschaft" gepostet. Mit Erlaubnis des Autors habe ich ihn in dieses Gaestebuch uebertragen.
Freundlicher Gruss,
Wolfgang Roehrig
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Hallo,
Ein Kurzkommentar zum Buch von Dr. Margrit Kennedy.
Vorab: Ich habe es nicht komplett gelesen und werde es auch nicht. Die offensichtliche Sachfremdheit der Verfasserin laesst dies nicht lohnenswert erscheinen, der populistische Stil trifft meinen Geschmack nicht.
In der Einleitzung steht:
>Geld ist das Maß, in dem die meisten Konzepte der Wirtschaft formuliert werden.
>Wirtschaftswissenschaftler benutzen es so, wie Kaufleute das Kilogramm und
>Architekten das Meter. Doch selten stellen sie dessen Funktionsweise in Frage,
>oder untersuchen, warum es im Gegensatz zum Meter oder Kilogramm, nicht eine
>konstante Maßeinheit ist, sondern sich - mittlerweile fast täglich - im Wert ändert.
Fast alles falsche Aussagen: Der Verfasserin scheinen wesentliche Diskussionen der Oekonomie nicht bekannt zu sein (z.B. Beitraege aus Geld-/Zins-/Wechselkurstheorie).
>Geld ist das Maß, in dem die meisten Konzepte der Wirtschaft formuliert werden.
Dies ist unmittelbar einleuchtend, wenn man sich vergegenwaertigt, was wirtschaften bedeutet: Entscheiden ueber die Verwendung knapper Gueter. Diese Entscheidungen sind in entwickelten Volkswirtschaften leichter quantifizierbar, wenn eine Betrachtung auf der Basis der Rechnungseinheit des Universaltauschmittels (namens Geld) erfolgt. Knappheit vergegenstaendlicht sich so in einer Zahl!
Im uebrigen gibt es selbstverstaendlich auch realgueterbezogene Betrachtungen. Dies wird allerdings sehr unhandlich, wenn man Austauschbeziehungen beschreiben moechte, die mehr als zwei Gueter umfassen. Zur Information (Gegenstand jedes 1. Sem.): Die Moeglichkeit die Austauschverhaeltnisse zwischen Guetern durch Geld zu beschreiben reduziert die Anzahl moeglicher Preise dieser Gueter ganz drastisch, denn bei n Guetern gibt es in der Realgueterbetrachtung n * (n-1) Tauschmoeglichkeiten!
Das Geld in seiner Tauschmittelfunktion ist also zunaechst einmal einfach praktisch. (Gesteht die Verf. in Kap. 1 ja auch zu)
>Die Ökonomen, wie die meisten Menschen, betrachten den Zins als den
>Preis für Geld. So wie für alle anderen Waren ein Preis bezahlt werden
>muß, so zahlt man eben auch für die begehrteste aller Waren - das Geld
> - einen Preis.
Dies ist in der Tat die (etwas vereinfachte) Interpretation.
>Ähnlich eindrucksvoll beweist die folgende Analogie die Unmöglichkeit
>eines andauernden exponentiellen Wachstums: Hätte jemand einen Pfennig
>mit 4% Zinsen zur Geburt Christi investiert, so hätte er damit im Jahr
>1750 eine Kugel aus Gold vom Gewicht der Erde kaufen können. 1990 hätte
>er bereits den Gegenwert von 890 solcher Kugeln erreicht. Bei einem Zins
>von 5% hätte man bereits im Jahr 1403 eine dieser Kugeln kaufen können,
>und 1990 hätte die Kaufkraft 2200 Milliarden Goldkugeln vom Gewicht der
>Erde entsprochen (2).
>Das Beispiel zeigt den Unterschied, der bereits durch l% Zins über eine
>längere Zeitperiode bewirkt wird.
Ungeachtet der Korrektheit der Rechnung, beweist ein Beispiel ohnehin nichts. Als indirekter Beweis taugt die Textpassage aus diversen Gruenden nicht. Der einfachste Grund: Es gab zu Christ Geburt eben keinen Pfennig! Eben dies ist *eine* moegliche Begruendung dafuer, dass heute niemand die fingiert zusammengetragenen Zinsen in Gold zahlen koennte.
Des weiteren ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die Verfasserin eine aehnliche Trennung zwischen Geld- und Realgueterbereich insinuiert, wie ihn bereits die Klassiker nachgewiesen zu haben glaubten (in einem anderen thread wies ich auf die Quantitaetsgleichung des Geldes hin, in der sich eben auch Geldmengenveraenderungen nur in Preisvariationen erschoepften) -- ein Fehlschluss.
>Weiterhin beweist es, daß die andauernde
>und langfristige Zahlung von Zins und Zinseszins mathematisch nachweisbar
>praktisch unmöglich ist. Die bisherige ökonomische Notwendigkeit und die
>mathematische Unmöglichkeit befinden sich in einem Widerspruch, der nicht
>zu lösen ist.
Eine unzutreffende und nicht belegte Meinungsauesserung der Verfasserin. Das Gegenteil ist der Fall.
>Wie dieser Mechanismus zur Akkumulation von Kapital in den
>Händen von zunehmend weniger Menschen führt (und damit in der Vergangenheit
>zu unzähligen Fehden, Kriegen und Revolutionen geführt hat), wird unter
>"Mißverständnis 3" gezeigt.
Hier zeigt sich die wahre Intention: Eine weltverbesserische Attituede.
>Heute ist der Zinsmechanismus eine Hauptursache
>für den pathologischen Wachstumszwang der Wirtschaft mit allen bekannten Folgen
>der Umweltzerstörung.
Ein weiterer Irrtum.
Auch wenn Ursache und Wirkung schlecht, (i.e.S. gar nicht) trennbar sein duerften, so wuerde eine die Kausalbeziehung umgekehrt interpretierende Sichtweise die Realitaet sicher angemessener wuerdigen. Es sei daran erinnert, dass Geld von staatlicher Seite zur Verfuegung gestellt wird (in Dtld.: die Bundesbank). Die Menge des Geldes ist begrenzt. Die Veraenderung der Geldmenge orientiert sich aber am Umfang der Realgueteraequivalente. Das Wachstum der Wirtschaft erzeugt mithin ein Wachstum der Geldmenge und nicht vice versa!
Es ist zu vermuten, dass sich das Geschriebene der Verfasserin durchweg in aehnlicher Weise kritisieren liesse. Dies erscheint angesichts der plausiblen Vermutung, dass die Schrift von Frau Dr. Kennedy sich vornehmlich durch eine wenig stringende Argumentation bei fehlender Sachkenntnis auszeichnet, nicht lohnenswert.
Kritik will schliesslich erst einmal verdient sein!
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Daher nur abschliessend noch ein paar prinzipielle Anmerkungen zum Zins.
I Zins und Geld
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Zins, als Begriff, erzeugt wohl bei vielen Menschen die Assoziation
an Geld. (Obwohl der Zins, als Preis fuer die Ueberlassung
eines Gutes, sich auch im Realgueterbereich, z.B. in der Form des aus
Gesetzestexten wohlbekannten Mietzinses, widerspiegelt.)
Geld hat verschiedene Funktionen (z.B. Tauschmittel, Wertaufbewahrung, ...), Geld wird unter verschiedenen Motiven gehalten oder ausgegeben.
II Gegenwartspraeferenz als Ursache des Zinses
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Alle Menschen sind sterblich. Dies ist die Ursache fuer die ,,naturgegebene'' Gegenwartspraeferenz von Menschen: **Der Tendenz nach** wird jeder Mensch die Moeglichkeit zur Verwendung von Geld (aber auch aller anderen Gueter) in der Gegenwart der Moeglichkeit zu dessen Verwendung in (ferner und stets ungewisser) Zukunft vorziehen!
Dies erhellt, weshalb Menschen fuer die zeitlich begrenzte Verleihung von Geld einen Ausgleich verlangen, denn schliesslich verschieben sie die Moeglichkeit, das dem Geld (z.B. in seiner Fkt. als universellem Tauschmittel) innewohnende Potential auszunutzen und dies genau fuer den Zeitraum der Geldueberlassung.
Diese Verguetung der Gegenwartspraeferenz bei Akten der Geldueberlassung ist der Zins.
III Natuerliches Wachstum ist exponentiell
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Ich spare mir hier jede eingehendere Erlaueterung, da folgendes (ehemaligen) Besuchern einer hoeheren Schule ohnehin bekannt sein sollte: Egal ob Zerfallsprozesse oder Wachstumsprozesse, letztlich werden all diese positiven oder negativen Wachstumsprozesse durch Exponentialfunktionen beschrieben. [Eben dieser Zus.-hang war ja gerade das Problem von Malthus, der eine Bevoelkerungsexplosion vorhersah -- allerdings auf quantitativ ungleich niedrigerem Niveau; eben aus dem Blickwinkel und den Moegl. (zur Bevoelkerungernaehrung) seiner Zeit.]
Aus diesem Grund sowie dem Umstand, dass Geld nur *re*aktiv vemehrt wird (s.o.) ergibt sich (unmittelbar) der exponentielle Charakter des Zinses.
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Ich kann mir ein paar abschliessende Bemerkungen doch nicht verkneifen:
Ich gebe zu, es faellt mir schwer zu glauben, dass jemand mit einem Architekturstudium (an einer TH) + Promotion so offensichtliche (mathem.) Luecken in der Abb. natuerlicher Wachstumsprozesse erkennen laesst.
Gleichermassen finde ich es ueberraschend, dass triviale Zusammenhaenge nicht-oekonomischer Art der Verfasserin fremd zu sein scheinen. Bsp.: Seltsam die angesichts des unmittelbar staatlichen Charakters des Geldes formulierte These:
>Es vergingen vier Jahre bis ich erkannte, daß Geld, so betrachtet wie
>in diesem Buch, eher eine "öffenliche und internationale Angelegenheit"
>ist, als eine rein ökonomische.
Hier haette womoeglich schon ein Blick in ein Konversationslexikon schneller zur Erkenntnis fuehren koennen, ein Volkshochschulkurs (Wirtschaft fuer Anfaenger o. ae.) sicher auch.
Schliesslich verleihe ich meiner Befremdung darueber Ausdruck, dass eine promovierte Wissenschaftlerin tatsaechlich so anmassend ist, dass sie sich einbildet, sie koenne ohne auch nur angelesene Sachkenntnis grundlegende oekonomische Tatbestaende revolutionaer innovieren. (Rekapituliert man kurz das angegebene Literaturverzeichnis, so wird rasch deutlich, dass aktuelle Literatur zum Thema kaum beruecksichtigt wurde.)
Daher die Frage: Kennt jemand Frau Dr. Kennedy persoenlich (i. S. von leibhaftig)?
Falls nein, so gehe ich davon aus, dass es sich bei der o.g. Veroeffentlichung um das Resultat eines fachfremden Ghostwriters und bei Frau Dr. Kennedy um ein Pseudonym handelt.
Das Ganze riecht doch stark nach den sensationsluesternen Veroeffentlichungen populaerwissenschaftlicher Art, in denen der Zweck (Geld machen!) die Mittel heiligt.
So weit meine Meinung zu diesem Buch
Alexander Delnef
delnef@pop.uni-mainz.de