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[Archäologen der Freien Universität erhielten Preis der Europäischen Union für internationales Ausgrabungsprojekt]

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Luftaufnahme von Monkodonja. Deutlich sichtbar ist die terrassenförmige Anordnung der verschiedenen Ebenen, auf denen die Bewohner nach sozialen Schichten gestaffelt wohnten.

2000 vor Christus veränderte sich der europäische Kontinent dramatisch. Landschaftsräume verschmolzen. Aus abgeschiedenen Kulturen entwickelte sich ein Geflecht kultureller, politischer und wirtschaftlicher Kontakte über Tausende von Kilometern. Das lag an den neu gebauten Verkehrswegen sowie an der Einführung der Schrift in Europa im 15. Jahrhundert vor Christus. Im Brennpunkt der kulturellen Blüte stand Griechenland, dessen Einfluss über den Seeweg bis ins kroatische Istrien reichte.

Dort führen seit 1997 Archäologen der Freien Universität gemeinsam mit Kollegen des Archäologischen Museums Istriens in Pula/Kroatien Ausgrabungen in der bronzezeitlichen Siedlung Monkodonja durch. Das Team besteht aus Archäozoologen, Geophysikern, Architekten, Botanikern und internationalen Studierenden aus Kroatien, Slowenien, Estland, Großbritannien, Polen und Deutschland. Ziel ist es, die alten Stadtmauern mit Toren freizulegen und Bauten zu rekonstruieren. Für dieses internationale Projekt wurde den Wissenschaftlern jetzt von der Organisation „Europa nostra“ der Europäischen Union die Auszeichnung „European Cultural Heritage“ verliehen.

„Istrien ist in der Forschung stets stiefmütterlich behandelt worden“, erzählt Bernhard Hänsel, FU-Professor für prähistorische Archäologie, der das mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Ausgrabungsprojekt zusammen mit Professor Biba Terzan leitet. „Uns interessieren insbesondere die Kulturkontakte. Wie wirkte in der Bronzezeit, also zwischen 1800 und 1200 vor Christus, der Süden mit seinen Hochkulturen auf den Norden?“ Monkodonja in Istrien ist eine der ältesten stadtartigen Anlagen, deren Architektur von Griechenland beeinflusst wurde.

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Skizze der Siedlung.
A: Akropolis. B: Oberstadt. C: Unterstadt. D: Westtor. E: Nordtor.
F: Höhle/Opferschacht. G: Bronzegießareal. H: Vorstadt.

Frühe Klassenunterschiede

Schon nach den ersten Grabungen zeigt sich, dass Arbeiter die Hügelkuppe zu einem Plateau planierten und die Steine als Baumaterialien für die Stadtmauern und -tore sowie für Wohnhäuser verwendeten. Die Häuser standen dicht an dicht und gewährten bis zu tausend Personen Schutz, die einer sozial gestaffelten Gesellschaft angehörten. Große Stein- und Holzbauten bedecken die fast quadratische Akropolisfläche. Hier residierte die Oberschicht in komplex gegliederten Gebäuden, die aus weiten Räumen, schmalen Korridoren und offenen, eingefriedeten Hofflächen bestanden. „Bei den Ausgrabungen zeigte sich, dass in der rund 500-jährigen Lebenszeit der Siedlung größere Veränderungen vorgenommen worden sind“, so der Archäologe. Einfacher als in der Akropolis waren die Gebäude auf den Terrassen der Unterstadt. Von der tief liegenden Herdplatte aus konnte das ganze Haus erwärmt werden. Eine gewaltige Ingenieursleistung stellt die Errichtung einer fast ein Kilometer langen, etwa drei Meter breiten und mindestens drei Meter hohen Stadtmauer dar. Arbeiter errichteten sie ohne Mörtel- oder Klammerverbindung aus am Ort selbst gebrochenen, tonnenschweren Steinblöcken.

Parallel zu den Ausgrabungen wird die alte Siedlung wieder aufgebaut. „Wir haben eine lokale Baufirma engagiert, die die alten Mauern rekonstruiert und zwar die der Stadtmauer, der Tore aber auch der Gebäude“, erzählt Biba Terzan. „Sie wenden dafür die gleichen Techniken an wie in der damaligen Zeit.“

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Die Grabungsstätte heute. Man erkennt die zum Teil wiederhergestellte Stadtmauer.

Opfergaben in der Unterwelt

Wichtige Besucher kamen durch das Richtung Adria gelegene Westtor, das im Laufe der Zeit repräsentativer und verteidigungswirksamer ausgebaut wurde. Ein enges Tor im Norden führt in einem Zickzackgang aus der befestigten Stadt in eine Vorstadt. Dort befindet sich ein geheimnisvoller Schacht, der fünfzig Meter in die Tiefe führt. „Ohne moderne Kletterausrüstung ist dieser Schacht gar nicht zu betreten“, sagt Hänsel. Das Gelände sei in der Bronzezeit planiert worden. „Vielleicht war es ein Opferschacht für die Götter der Unterwelt“, spekuliert der Forscher. Dafür spräche die große Menge gefundener Scherben von Gebrauchsgeschirr.

Erstmalig in Istrien haben Archäologen griechische Gefäßfragmente mykenisch-bronzezeitlichen Alters am Fuß der ältesten Akropolismauer entdeckt. Die Scherben belegen, dass Monkodonja enge Kontakte zu den seefahrenden Mykenern hatte. Das Servieren von Mahlzeiten auf großen Fußtellern übernahmen die Bewohner Monkodonjas aus Zypern, Kreta oder von anderen Mittelmeerinseln. Tonscherben zeigen, dass Monkodonja in den kontinentalen Tausch- und Wirtschaftsverkehr mit Oberitalien, der Slowakei bis an die untere Donau eingebunden war.

Ilka Seer

Fotos: Promo

 

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