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[Die ScienceFair Berlin auf dem Breitscheidplatz war wieder ein Publikumsmagnet]

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14. Juni 2003. Welch ein Tag! Das Kaiserwetter lockt die Berliner ins Freie und wer jung und schön ist, präsentiert sich abends auf dem Kudamm. Am Treffpunkt aller braun gebrannten Flaneure, auf dem Breitscheidplatz, sind sie heute ausnahmsweise nicht unter sich, denn dort kampieren schon seit drei Tagen Bleichgesichter mittleren Alters in weißen Zelten vor der Gedächtniskirche. „ScienceFair – Forschung zum Anfassen“ steht in großen Lettern auf den Außenwänden. Neugierige Blicke fragen: „Was mag da drin sein? Etwa Außerirdische? Eher unwahrscheinlich, schließlich ist weit und breit kein Raumschiff zu sehen. Oder Politiker? Wohl kaum, denn niemand verteilt Luftballons und Handzettel vor dem Biwak.“ Einige Pärchen schlendern zwei-, manche dreimal vorbei. Spätestens danach können sie der Versuchung nicht länger widerstehen: Sie treten ein in die faszinierende Welt der Wissenschaft, die ihre Labore und Bibliotheken verlassen hat, um hier der Öffentlichkeit zu zeigen, wozu Forschung von Nutzen ist.

Nur der Wahrheit verpflichtet

Das ist nicht immer einfach, denn die Welt ist kompliziert. Aber die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden nicht müde, jeder Besucherin und jedem Besucher auch die kompliziertesten medizinischen und naturwissenschaftlichen Vorgänge zu erklären. Vieles davon ist spannend und unterhaltend. Manche Informationen gehen den Laien sogar unter die Haut – und zwar in mehrfacher Hinsicht. Das größte Organ des Menschen ist nicht zufällig neben den Schwerpunkten Chemie und Stress das dritte große Thema, zu denen insgesamt 23 Aussteller der 6. Forschungsausstellung der Freien Universität Beiträge liefern. Die Haut ist in Gefahr. Seit Jahren verzeichnen Epidemiologen und Dermatologen mit größter Sorge einen rasanten Anstieg von Hautkrebsfällen in den Industrienationen. 430.000 kommen jedes Jahr in Deutschland neu hinzu. Etwa jeder 150. Deutsche erkrankt im Laufe seines Lebens am malignen Melanom, der gefährlichsten der drei Hautkrebsarten. Das ist der Tribut, den diese Gesellschaft für ihr Schönheitsideal zahlt. Obwohl die Wissenschaft inzwischen zweifelsfrei bewiesen hat, dass UV-Strahlung die Hauptursache für die Entstehung von Hautkrebs ist, boomt der Sonnenkult an südlichen Gestaden und in Bräunungsstudios. Manche Besucherin und mancher Besucher der ScienceFair, die eindeutig zur Hochrisikogruppe zu zählen sind, hören die Warnungen der Dermatologen der Universitätsklinika Benjamin Franklin (UKBF) und Charité offenkundig nicht gern, aber was bleibt den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderes übrig, als die Wahrheit zu sagen, denn nur der sind sie verpflichtet.

Kooperation macht nicht abhängig

Auch das will die ScienceFair vermitteln: Wissenschaft muss sich fortwährend um Unabhängigkeit bemühen, um für die Gesellschaft von Nutzen zu sein. Das schließt jedoch Kooperationen von universitären Instituten mit Industrieunternehmen keineswegs aus, wie das Beispiel des ebenfalls auf der ScienceFair vertretenen Netzwerks RNA-Technologien Berlin-Brandenburg eindrucksvoll zeigt. Ziel des Netzwerks ist es, im Rahmen gemeinsamer Projekte innovative Ideen in die Anwendung zu überführen und marktfähige Produkte zu entwickeln. Dazu ist hoch spezialisiertes Know-how und viel Kapital – so genanntes venture capital – erforderlich. Die öffentlichen Drittmittelgeber gehen immer mehr dazu über, nur noch Anschubfinanzierungen zu gewähren. Aus dieser Not haben die Biowissenschaftler eine Tugend gemacht, indem sie Industriepartner mit ins Boot ziehen. Obwohl die Partner wissen, dass der Erkenntnisprozess in der experimentellen Forschung immer offen ist und es deshalb keine Garantien für Gewinn bringende Verwertungen gibt, funktioniert die Kooperation vorbildlich. Der Grund: Die Perspektiven der Gentechnologie sind Atem beraubend. Das gilt auch für die Haut! Sie liegen quasi auf der Hand, wie Prof. Dr. med. Christos C. Zouboulis und seine Mitarbeiterin, die Molekularbiologin Dr. rer. nat. Sabine Fimmel, von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie des UKBF auf der ScienceFair erläutern.

Win-Win-Verhältnis

Die Arbeitsgruppe mit dem sperrigen Namen „Dermatoendokrinologie und Dermapharmakologie“ entwickelt in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Molekularbiologie in Dahlem Zellkulturmodelle, die zur Erforschung von Hautalterungen und ihrer Hemmung dienen könnten. „Im Prinzip altern Hautzellen genau so schnell wie die Zellen anderer Organe, aber sie haben den Vorteil, dass man leichter an sie herankommt“, sagt Prof. Zouboulis, als würde er sich nur zufällig mit der Haut beschäftigen. Dabei steckt in seinen Forschungen ein Potenzial, das mindestens die „bessere“ Hälfte der Menschheit glücklich machen könnte, wenn es gelingt, der weiblichen Haut die letzten Geheimnisse zu entlocken. So ist seit einigen Jahren bekannt, dass die Haut nach dem Beginn des Klimakteriums für ca. zehn Jahre weibliche Hormone produziert, die vorher in den Ovarien (Eierstöcken) entstanden. Die Haut sorgt also befristet selbst dafür, dass sie straff und jung bleibt. Die Dermatologen erforschen nun, unter welchen Bedingungen sich diese Ersatzfunktion der Haut verlängern lässt. Dazu untersuchen sie, welche Gene bei der Hautalterung an und welche abgeschaltet werden. Finanziert wurden die ersten Schritte dieser Forschungen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und von einem namhaften ausländischen Kosmetikunternehmen. „Natürlich macht unser Industriepartner Druck, schließlich will er als Erster mit neuen Produkten auf den Markt kommen“, bestätigt Prof. Zouboulis die Vermutung, dass nicht immer eitel Sonnenschein unter den Partnern herrscht. Aber er hat ein Rezept, dass ihn unabhängig macht: „Man muss wie wir auf seinem wissenschaftlichen Spezialgebiet weltweit führend werden. Und noch wichtiger: Man muss dauernd neue Ideen selbst entwickeln, um die eroberte Führung zu erhalten. Dann hat der Industriepartner keine Alternative als die frischen Ideen aus der Universität zu akzeptieren. Damit kommt es zu einem Win-Win-Verhältnis.“ Dass diese Philosophie nicht nur blasse Theorie ist, sondern in der Realität funktioniert, ist bereits bewiesen: Schon im nächsten Jahr bringt das kooperierende Unternehmen das weltweit erste molekularbiologische Präparat als Kosmetikum auf den Markt. Die Voraussetzungen dafür haben die Dermatologen des UKBF geliefert. Es ist nicht der ersehnte Jungbrunnen, nach dem sich schon unsere Vorfahren sehnten. Es ist nur ein Anfang auf einem viel versprechenden Weg, den die Wissenschaft weiter geht. Vielleicht gelingt es in nicht all zu ferner Zukunft irgendwo auf der Welt, auch den Hautkrebs zu besiegen. Wer heute schön braun gebrannt das Leben genießt, wird dann nicht mehr seine jugendliche Unbekümmertheit bereuen müssen. Doch bis dahin gilt: Vorbeugen ist besser als heilen!

Uwe Nef

 

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