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[Vor vierzig Jahren zog John F. Kennedy die Berliner in seinen Bann – Ausstellung im Deutschen Historischen Museum]

Am 26. Juni 2003 jährte sich zum vierzigsten Mal der Tag, an dem John F. Kennedy seine unvergessliche Rede an der Freien Universität hielt.

Am 26. Juni 1963 fuhr die Präsidentenkarosse vor dem Henry-Ford-Bau vor. Dort hatten sich über 20.000 Menschen auf der Wiese versammelt, um von dem jugendlichen John F. Kennedy einen Blick zu erheischen, den Rektor Ernst Heinitz unter freiem Himmel zum Ehrenbürger der Freien Universität Berlin machte. Heinitz bezeichnete den Besuch Kennedys „als Krönung amerikanischer Hilfe für die Freie Universität“. Kaum hätte es für die bewegenden Worte eine bessere Kulisse gegeben als den Henry-Ford-Bau, der aus amerikanischen Spenden finanziert worden war.

„Kennedys Anwesenheit war die lebendige Demonstration dafür, dass die Amerikaner für die Sicherheit West-Berlins grade standen“, erzählt Heinz Ickstadt, Professor am John-F.Kennedy-Institut, der als Student der Rede Kennedys lauschte. „Ähnlich groß wie die Begeisterung im Juni war die Trauer nach der Ermordung Kennedys“, fügt Ickstadt hinzu. Spontan sammelten sich FU-Studierende zu einem Trauermarsch.

Im Anschluss an die Beerdigung des „demokratischen Prinzen“ verkündete der Regierende Bürgermeister von West-Berlin Willy Brandt, dass das Institut für Nordamerika-Studien künftig John-F.-Kennedy-Institut heißen werde. Im Sommersemester wird das renommierte Institut mit einer Konferenz, einer Ringvorlesung und einer eigenen Publikation vierzig Jahre Kennedy-Institut feiern. Gleichzeitig findet im Deutschen-Historischen Museum (DHM) eine große Ausstellung statt, die von dem Wissenschaftler am JFK-Institut, Andreas Etges, organisiert wurde. Sowohl das Auswärtige Amt als auch das DHM waren von der Idee begeistert. Die Freie Universität stellte den Amerikanisten für drei Semester frei, das Museum ihn befristet ein.

Ankunft des Präsidenten-Konvois vor dem Henry-Ford-Bau der Freien Universität.

Die Ausstellung mit dem schlichten Titel „John F. Kennedy“ setzt ein inszeniertes Leben ins Bild. Sinnbildlich zeichnet die Schau eine Linie von dem kunstvoll gestickten Taufkleid John F. Kennedys bis hin zu einer Großprojektion mit Ausschnitten aus seiner Antrittsrede. Der Weg vom Wickelkind zum Präsidenten verlief indes nicht gradlinig: Während der ältere Bruder Joe sportlich-durchtrainiert in Harvard brillierte, musste John auf Grund der lebensgefährlichen Addison-Krankheit Schule und Studium unterbrechen. Erst 1947 diagnostizierten Ärzte bei Kennedy eine Unterfunktion der Nebennierenrinde. Gleichzeitig litt er an einem schmerzhaften Rückenleiden. „Vor Pressekonferenzen drückte er Bediensteten im letzten Moment seine Krücken in die Hand, bevor er mit seinem berühmten Lächeln in den Raum trat“, erzählt Etges.

Doch Jack, wie ihn seine Familie nannte, ließ sich nicht unterkriegen. 1940 reichte er in Harvard seine Abschlussarbeit über die Appeasement-Politik von München ein. Im Krieg kommandierte Jack ein Patrouillenboot, das die Japaner im August 1943 rammten. Kennedy schwamm – im Schlepptau einen Verletzten – zu einer entfernten Insel. Sein Vater brachte die Rettung der Crew auf die erste Seite der New York Times.

„Als Joe 1944 als Marineflieger abgeschossen wurde, bestimmte Joseph Kennedy den Nächstgeborenen dazu, das Familienbanner nach Washington zu tragen“, erklärt Etges. Die Ausstellung erzählt die rasante Politkarriere Jacks vom Senatsmitglied, zum gescheiterten Vizepräsidenten und Gegenkandidaten Richard Nixons anhand von Fotos, Wahlbuttons und Postern. Endgültig zum Medienstar hatte Jack eine Frau gemacht: die Journalistin Jacqueline Lee Bouvier, die der Senator 1953 unter Beteiligung der Medien zum Traualtar führte. Anfang der sechziger Jahre galten beide als Traumpaar des neuen Amerikas. Die elegante Jackie mit Tochter Caroline avancierte zur meist fotografierten Frau der Welt. Das Bild des Sohnes John unter dem väterlichen Schreibtisch rührte die Massen.

1961 waren die Kennedys am Ziel. Die Inaugurationsfeier für den 35. Präsidenten der USA an einem kalten Januartag atmete den Geist einer neuen Epoche: Erschien Ex-Präsident Eisenhower bei seiner Amtseinführung im schwarzen Anzug, schrieb der Kleidercodex der Ostküstenfamilie Cut und Zylinder vor. Wie um Kälte und Eis zu trotzen, erschien Kennedy ohne Hut und Mantel. Leonard Bernstein komponierte den Fanfarenruf. „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was Du für dein Land tun kannst“. Mit diesen markigen Worten stimmte Kennedy in seiner ersten Rede das Volk auf die Janusköpfigkeit seiner Politik gegenüber der UdSSR ein: Kämpfe gegen den Kommunismus, aber verhandle.

Eine Weltkarte führt die Krisenherde Kuba, Vietnam und Berlin vor Augen. Auch Kennedy glaubte an die Dominotheorie, wonach der Sturz eines kommunistischen Regimes den Zusammenbruch der ganzen Region zur Folge hätte. Auf Empfehlung der CIA ordnete Kennedy 1961 eine amerikanische Invasion Kubas an. Bilder von amerikanischen Kriegsgefangenen in der Schweinebucht gingen um die Welt. Auf die Schweinebucht folgte die Drohung Chruschtschows gegen West-Berlin und der Bau der Berliner Mauer; der Kampf gegen kommunistische Guerillakämpfer in Laos und Vietnam; Putsche und Gegenputsche im Kongo und als Höhepunkt die 13 Tage Kubakrise.

Ihre Überwindung ließ Kennedy, den Idealisten ohne Illusionen, als strahlenden Sieger einer Weltmacht erscheinen. Im Oktober 1962 hatten die Amerikaner Luftaufnahmen von sowjetischen Raketen auf Kuba gemacht. Dreizehn Tage fürchtete Kennedy eine atomare Auseinandersetzung. Dann kam die befreiende Nachricht, dass die sechs sowjetischen Schiffe vor Kuba abgedreht hätten, ein erster Schritt auf dem langen Weg zur Krisenbeseitigung.

Als Chruschtschow der Einrichtung eines „heißen Drahts“ zwischen Moskau und Washington zu- und in ein Atomtestabkommen einstimmte, war Kennedys Triumph vollkommen. Fünf Monate später war Kennedy tot. „Heute geht’s ins Land der Spinner“, hatte Kennedy am Morgen des 22. Novembers 1963 zu seiner Frau gesagt. Um 12.30 Uhr fielen drei Schüsse auf den offenen Präsidentenwagen, der langsam durch Dallas rollte. Die „Air Force One“ brachte seine Leiche sowie Jackie im blutverschmierten Kostüm und den 36. Präsidenten der USA, Lyndon B. Johnson, nach Washington. Dort kümmerte sich die Witwe um eine perfekte Beerdigungs-Inszenierung auf dem Heldenfriedhof. Der Grundstein zur Mystifikation ihres Mannes als moderner Camelot war gelegt.

Bis heute glaubt die Mehrheit der Amerikaner nicht an den ebenfalls erschossenen Einzeltäter Lee Harvey Oswald. „Kennedy war bedeutend, weil er die Stimmung der Zeit erfasste und Dinge in Bewegung brachte“, resümiert Etges. Vor allem aber in der Innenpolitik verhielt sich Kennedy oft auch abwartend und zögerlich. Erst als es im Sommer 1963 zu massiven Ausschreitungen gegen Schwarze in den Südstaaten kam, verurteilte Kennedy die Rassentrennung uneingeschränkt und versprach einen Gesetzentwurf einzubringen. Am 28. August führte der schwarze Bürgerrechtler Martin Luther King 250.000 Demonstranten nach Washington und hielt am Grab Lincolns seine berühmte Rede: „Ich habe einen Traum“. Anschließend wurden die Demonstranten im Weißen Haus empfangen.

Kennedys Traum aber hatte sich in Berlin erfüllt. Seine Berater beschreiben in „Johnny, we hardly knew ye“, wie sehr Kennedy in Berlin unter dem Eindruck der Mauer an Echtheit gewann. Vom Balkon des Schöneberger Rathauses aus verführte er die Massen, indem er aussprach, was sich viele dachten: „Die Mauer ist die abscheulichste und stärkste Demonstration für das Versagen des kommunistischen Regimes. Die ganze Welt sieht dieses Eingeständnis des Versagens“. Das Herz der Berliner eroberte er, als er sich zu einem der ihren erklärte: „Vor zweitausend Jahren war der stolzeste Satz, den ein Mensch sagen konnte, der: Ich bin ein Bürger Roms. Heute ist der stolzeste Satz, den jemand in der freien Welt sagen kann: Ich bin ein Berliner.“

In seiner Schöneberger Rede hatte Kennedy aus seinem Antikommunismus keinen Hehl gemacht, weshalb er in seiner politisch wichtigen Ansprache vor den Studierenden der Freien Universität mäßigende Sätze einflocht: „Ich glaube an die Notwendigkeit, dass große Nationen zusammenarbeiten müssen, um die menschliche Rasse zu erhalten“, sagte Kennedy unter dem frenetischen Jubel der Studierenden und der Professoren im feierlichen Ornat. Genau wegen dieser Fähigkeit zur Entspannungspolitik hatte ihm Rektor Heinitz zuvor die höchste Würde der Freien Universität mit den Worten verliehen: „Die Freie Universität Berlin gedenkt des Mannes, der im Einklang mit den Eingangsworten seines Buches ‘Profiles in Courage’, dass Mut die bewundernswerteste aller Tugenden sei, in seiner Eigenschaft als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika und als Sprecher aller freiheitlichen Staaten der Welt mit beispiellosem Mut und kühner Besonnenheit in einem der kritischsten Augenblicke der neueren Geschichte die Gefahr des Ausbruchs eines nuklearen Krieges gebannt und gleichzeitig den Fortbestand der rechtsstaatlich demokratischen Staats- und Gesellschaftsordnung in der Alten und Neuen Welt gesichert hat“.

Felicitas von Aretin

Fotos: Landesbildstelle Berlin

 

Nicht erst durch seine Ermordung wurde Kennedy zu einem Mythos. Kennedy stand für eine neue Generation, die den Zweiten Weltkrieg durchlebt hatte und bereit war, die politische Verantwortung zu übernehmen. Seine Jugendlichkeit, sein Charme sprachen Menschen weltweit an und gaben ihnen den Glauben, dass man die Welt zu einem besseren Ort machen könne. Vor 40 Jahren, am 26. Juni 1963, besuchte der amerikanische Präsident West-Berlin und wurde zum Ehrenbürger der Freien Universität. Kurz nach seiner Ermordung im November 1963 wurde das Amerika-Institut der FU in John F. Kennedy-Institut umbenannt.

Das John F. Kennedy-Institut würdigte den charismatischen amerikanischen Präsidenten in diesem Sommersemester in einer Ringvorlesung. Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Fachrichtungen des Instituts sowie prominente auswärtige Gastreferentinnen und –referenten analysierten Leben und Werk John F. Kennedys und gingen seinem Mythos nach. Die gemeinsam mit dem Kennedy-Institut organisierte Sonderausstellung wird vom 26. Juni bis 13. Oktober 2003 im neuen Pei-Gebäude des Deutschen Historischen Museums „Unter den Linden“ zu sehen sein. Zur Ausstellung hat das Deutsche Historische Museum auch einen Katalog herausgebracht.

Zum 1. Juni erscheint das Buch „John F. Kennedy“ von Andreas Etges im Deutschen Taschenbuchverlag. Ladenpreis: 10 Euro.


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