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[Dieter Lenzen will die FU noch weiter nach vorn bringen]

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Selbstbewusst und zielstrebig: Der Stratege Dieter Lenzen will die Entwicklung der
Freien Universität stärker an gesellschaftlichen Erfordernissen ausrichten.

Agilität ist das Lebenselexier des neuen Präsidenten. Dieter Lenzen spricht nicht nur ungewöhnlich rasch, sondern hat meist zehn Ideen, die er in den nächsten Minuten umgesetzt wissen will. „Professor Speed“ hatte der Tagesspiegel ein Porträt des Pädagogen überschrieben und seine an der Bürowand klebenden Jahreslosungen zitiert: „Es gibt einen Haufen von Leuten, deren Geschichten handeln von Angeln, Booten und Nudelsalat. In diesem Raum sitzt keiner davon.“ In der Tat handeln Lenzens „Geschichten“ nicht von Nudelsalat, sondern vom gesellschaftlichen Bedarf an Bildung und davon wie die Freie Universität noch mehr in das Zentrum der Zukunftsdebatten kommt.

Mit 55 Jahren gehört Lenzen unter den Uni-Präsidenten zu den Jüngeren – ein Schicksal, das ihm nicht neu ist. 1947 in Münster geboren, findet er zu der Erziehungswissenschaft durch Zufall. Der Philosophie gilt seine Leidenschaft, der Pädagogik die Vernunft. Nach nur dreieinhalb Jahren Studium macht Lenzen den Magister. Ein Jahr später wird er Gutachter der Planungskommission Kollegstufe des Landes Nordrhein-Westfalen, 1973 erfolgt die Abordnung in das nordrhein-westfälische Kultusministerium.

Sein Doktorvater Prof. Dr. Herwig Blankertz scheint von ähnlichem Holz. „Ich gebe Ihnen sieben Monate Zeit, dann sind Sie promoviert“, habe er ihm vorgeschlagen – was Lenzen flugs befolgte. Mit 28 Jahren wird er der jüngste Professor und Dekan am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster und ist damit jünger als viele seiner Studierenden. Als junger Dekan lernt der spätere Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft die Mühen der Ebene kennen; kommen seine kommunikativen und strategischen Fähigkeiten zum Tragen, die er später als Konzilsmitglied der FU, als Mitglied der Expertenkommission Erziehungswissenschaft beim Berliner Wissenschaftssenat und in zahlreichen anderen Funktionen immer wieder brauchen wird.

1977 beruft ihn die Freie Universität, wo er – abgesehen von Gastspielen in Tokio, Nagoya und Hiroshima – bis heute Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Philosophie der Erziehung lehrt. Seine Leidenschaft gehört der Erziehung und den Bildungssystemen, womit er – wie die Berliner Zeitung treffend schreibt – „in der glücklichen Lage ist, dass sein Forschungsgegenstand identisch ist mit der Universität, die er leitet“.

Dabei setzt Lenzen auf Praxisbezug und damit auf Pragmatik. Um den Entdifferenzierungsprozess auf der Basis von Systemtheorie und Strukturalismus kreist Lenzens wissenschaftliches Interesse. Was theoretisch klingt, versteht der dreifache Vater in so einfache Worte zu kleiden, dass er spätestens seit dem Pisa-Schock und der TIMMS-Studie zum Medienstar avancierte. Lenzens Forschung ist breit gefächert, handelt von dem Verschwinden der Generationen, von dem Verschwinden der Grenzen von Gesundheit und Krankheit; Recht und Unrecht; Mann und Frau – und trifft damit den Zeitnerv. „Die Überführung von einer Lebensphase in die nächste erfolgt im Jahrhundert der Entchristlichung, in einer Kultur ohne zyklische Lebenslaufvorstellungen nicht mehr durch Priester, sondern durch Pädagogen und Mediziner“, erklärt Lenzen, „nur wissen wir nichts davon“. Bewusst setzt der Autor von „Mythologie der Kindheit“; „Krankheit als Erfindung“ oder „Vaterschaft“ auf Interdisziplinarität. Derzeit bereitet er gemeinsam mit der Leiterin der Psychiatrie, Prof. Dr. Isabella Heuser, eine Studie zum Burnout-Syndrom von Lehrern vor.

Von hier aus gelangt er zu der Idee, die Lenzen zur Rettung der Fächerstruktur an der FU derzeit umtreibt: der Clusterbildung. „Die Freie Universität muss sich verstärkt den großen Herausforderungen der Zukunft stellen, der rasanten Globalisierung, der demographischen Entwicklung wie den immer kürzer werdenden Produktionszyklen“, so Lenzen und führt aus, dass oberhalb der Fachbereichsstruktur ein System von Clustern entwickelt werden soll, die gesellschaftlichen Erfordernissen entsprechen: wie die Politikberatung, das Consulting, die technologische Entwicklung oder die Kulturproduktion. Das setzt enge Kontakte zur Politik und Wirtschaft, aber auch zur kulturellen Szene voraus und, dass die Universität sich ein Leitbild gibt, wofür Lenzen eintreten will.

„Im Moment erscheine ich, als würde ich zu den Unternehmensberatern gehören“, referiert Lenzen und redet so selbstverständlich von Kosten-Leistungsrechnung, von Controlling und Effektivität, dass der Zuhörer meint, er befände sich in einem Managementseminar. Dies hängt nicht zuletzt mit der desaströsen Berliner Politik zusammen, die Lenzen als Erster Vizepräsident hautnah in den vergangenen vier Jahren begleitet hat. Eine Bildungspolitik, die die Hochschulen Berlins in immer neuen Sparrunden ausbluten lässt, hat den Jogger Lenzen als erklärten Feind. „Wenn Deutschland es nicht bis 2020 schafft, in Wissenschaft und Hochschulen zu investieren, gibt es für den Wissenschaftsstandort keine Zukunft mehr“.

In Abgleich mit den anderen Berliner Hochschulen strebt Lenzen eine Konzentration innerhalb einzelner Fächer an. In der schwierigen Berliner Situation werden Lenzen zwei Eigenschaften zu Gute kommen, die ihn auszeichnen: Sein großes kommunikatives Talent und die Fähigkeit, als „Diplomat“ blitzschnell zu handeln.

Felicitas von Aretin

Foto: Dahl

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