[Freie Universität Berlin] [FU-Nachrichten - Zeitung der Freien Universität Berlin]
 
  
TitelAktuellAktuellInnenansichtenLeuteInnenansichtenWissenschaftDie Letzte
FU Nachrichten HomeFU-Nachrichten ArchivFU Nachrichten SucheLeserbrief an die RedaktionImpressumHomepage der FU Pressestelle
Vorheriger Artikel...
Nächster Artikel...

[Die scheidenden Vizepräsidenten ziehen ein stolzes Resümee – und sehen die FU auf gutem Wege]

[Foto] [Foto] [Foto]

V.l.n.r: Prof. Dr. Gerhard Braun, Prof. Dr. Gisela Klann-Delius,
Prof. Dr. Werner Reuther

Erst ist der Rufton in der Leitung, dann folgt ein kurzes Knacken und dann meldet sich eine zögernde Stimme: „Wissen Sie, wir haben uns als kollektives Präsidium verstanden“, sagt Prof. Dr. Werner Reutter, Biochemiker und zweiter Vizepräsident im scheidenden Präsidium. „Da ist es schwer, rückblickend über eigene Erfolge zu reden.“ Dass diese Bescheidenheit keine Koketterie ist, beweisen die Gespräche mit den beiden anderen Vizepräsidenten, Prof. Dr. Gisela Klann-Delius und Prof. Dr. Gerhard Braun. Alle drei betonen die gemeinsame Arbeit, bei der die eigene wissenschaftliche Zunft oft zu kurz kam. Vier Jahre lang in der höchsten Ebene der Administration tätig zu sein, das kostet viel Kraft. Vor allem in so aufregenden Zeiten. „Das Bewegendste für mich und der größte Erfolg sicher für unseren Präsidenten und uns als Vizepräsidenten war der Kampf um das Klinikum in Steglitz“, bekennt Werner Reutter. „Da haben alle Fachbereiche mitgezogen, Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften zogen an einem Strang, so dass es uns gelungen ist, die Bevölkerung zu mobilisieren und diesen unsäglichen Beschluss der rot-roten Regierung zu kippen.“

Er erinnert an die Demonstration am 12. Januar 2002 vorm ICC, dem Höhepunkt der Protestwelle und weist daraufhin, dass die Medizin in den vergangenen vier Jahren nicht nur politisch näher an die anderen Bereiche der Freien Universität heranrückte. Auch im wissenschaftlichen Alltagsgeschäft entstand eine neue Partnerschaft. So startete das Präsidium den „Bio-Club“, eine regelmäßige Gesprächsrunde von Physikern, Mathematikern, Chemikern, Biologen, Pharmazeuten und Medizinern, um über gemeinsame Schwerpunkte und Forschungen zu beraten. „Alle Seiten können Methoden und Apparate gemeinsam nutzen“, regt Werner Reutter an. „Zudem gelangen uns einige exzellente Berufungen. Ob dies angesichts der politischen Entwicklungen in der Berliner Hochschulmedizin weiterhin möglich sein wird, bleibt offen.“ Licht am Horizont sieht er vor allem, „weil heute die drei großen Universitäten in Berlin an einem Strang ziehen. Die Unis haben in der Forschung und in der Lehre endlich zusammen gefunden.“ Kooperation und Konkurrenz gehören für ihn dicht beieinander - die Balance ist es, die die Wissenschaft befruchtet.

„Wir müssen die Schnittstellen finden“

„Das Wichtigste ist, die richtigen Leute miteinander ins Gespräch zu bringen“, bestätigt auch Gerhard Braun. Er sieht die Zukunft der FU vor allem in fächerübergreifenden Schwerpunkten und in einem Profil entlang der Grenzen klassischer Disziplinen. „Wir müssen die Schnittstellen finden und darin neue Themen besetzen“, sagt er. „Da muss man als Vizepräsident vor allem die Kommunikation fördern. Das ist wenig geeignet, an die große Glocke gehängt zu werden, aber es erfordert viel Zeit und Geschick.“ Der Geowissenschaftler und Mathematiker schlägt auch eine Brücke zwischen Forschung und Lehre. „Die Freie Universität darf sich nicht darauf beschränken, junge Menschen auszubilden. Das ist eine große Versuchung, gerade mit der Einführung der Bachelorabschlüsse“, warnt er. „Wir müssen unsere Absolventen befähigen, die richtigen Fragen zu stellen. Sie müssen Komplexität bewältigen, Methodik ist wichtiger als Stoff.“ Für die vergangene Amtszeit hatte er sich vor allem neuartige Studienangebote auf die Fahnen geschrieben, beispielsweise den Verbund der Universität in New York, des University College in London, der Universität in Amsterdam und der FU, die gemeinsam ein Masterstudium in Metropolitan Studies anbieten wollen. „Die Studenten werden mindestens ein Semester an den Partnerunis weilen“, beschreibt er die Idee. „Möglicherweise vergeben die vier beteiligten Universitäten einen gemeinsamen Master. Das wäre ein klarer Vorteil für dieses Produkt.“
Auch Prof. Dr. Gisela Klann-Delius, bei der die Neuordnung der Lehre angelagert war, sieht die FU bei den neuen Abschlüssen weit vorn: „Wir haben in vier Jahren mehr als fünfzig Studiengänge mit Bachelor und Master aufgelegt“, rechnet sie vor. „Der Fachbereich für Geistes- und Sozialwissenschaften will nur noch diese beiden Abschlüsse anbieten, das war zu Beginn unserer Amtszeit noch heftig umstritten.“ Für die Germanistin haben sich die Zielvereinbarungen und die Evaluation der Lehre als geeignete Mittel erwiesen, die Reformen anzuregen und auf den Weg zu bringen. „Gerade die Evaluation erfordert einen extremen Zeitaufwand“, resümiert sie. „Doch beispielsweise bei den Geistes- und Sozialwissenschaften flossen die Ergebnisse direkt in die Zielvereinbarungen ein. Dazu waren unzählige Gespräche notwendig: mit den Fachbereichen, den Dekanen, dem Akademischen Senat oder in der Kommission für die Lehre.“
Die Naturwissenschaften gehen mittlerweile ähnliche Wege. In der Chemie wurde der Diplomstudiengang abgeschafft, dort gibt es nur BA und MA. Ein neues Bachelorstudium in Bioinformatik entlässt Ende Juli die ersten Absolventen, nach nur sechs Semestern Studienzeit. Für Werner Reutter ist dies Stück einer großen Vision. Er sieht einen neuen biomedizinischen Campus in Dahlem. „Das war eine wichtige Aufgabe der letzten Jahre: Die FU und ihr Steglitzer Klinikum mit den außeruniversitären Instituten der Max-Planck-Gesellschaft hier in Dahlem und in Mitte zu verknüpfen“, berichtet er. „Das Klinikum erhielt einen neuen Sonderforschungsbereich zur Immunologie des Dünndarms, der Sonderforschungsbereich zur zellulären Signalerkennung wurde ein weiteres Mal verlängert. Dazu kommen drei Verlängerungen allein bei den Physikern der FU und ein Sfb für die Geisteswissenschaften. Das ist eine außergewöhnliche Bilanz.“ So scheint die Strategie aufzugehen: Die Veterinärmediziner erhielten eine Forschergruppe der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu Probiotika im Tierfutter. Auch die Forschungen zu neuen Wirkstoffen für Medikamente erhielten erhebliche Zuwendungen – sowohl aus den Forschungsmitteln der FU als auch von externen Geldgebern.

Motor des wirtschaftlichen Strukturwandels

Dennoch muss sich die Hochschule verstärkt als wirtschaftlich agierendes Unternehmen begreifen. Interne Zielvereinbarungen sind nur ein Weg. „In den vergangenen Jahren haben wir die Unternehmensbeteiligungen der FU voran getrieben“, erzählt Gerhard Braun. „Wir sind bei der Patentverwertungsagentur eingestiegen, gemeinsam mit anderen Berliner Hochschulen und der Investitionsbank Berlin. Unsere Rolle als Motor der regionalen Wirtschaft müssen wir aber erst noch finden, etwa in dem wir Flächen und Labore in neue Unternehmen einbringen. Die FU kann Berlin dabei helfen, den erheblichen Strukturwandel zu bewältigen.“ Er nennt den „universitären Inkubator“ als ein Beispiel. „Wir haben das Know-how der ausscheidenden Hochschullehrer, das wir nicht vergeuden sollten“, empfiehlt er. „Wir müssen deren Erfahrungen und Netzwerke an junge Wissenschaftler weitergeben. Der Inkubator könnte ein solches Angebot unterbreiten, in dem er emeritierte Dozenten, Manager oder Banker zusammenführt, um Start-Ups oder andere Gründer bei der Verwirklichung ihrer Ideen zu helfen. Naturwissenschaftler haben oft ein Problem bei der wirtschaftlichen Bewertung und Vermarktung ihrer Produkte.“ Der Transfer von Ergebnissen aus der Forschung in die Wirtschaft ist für ihn ein Dauerbrenner, lange über die eigene Amtszeit hinweg.

In vier Jahren hat die FU ihr Gesicht verändert. Die neue Bibliothek Norman Fosters „The Brain“ nimmt sichtbar Gestalt an. Während der vergangenen Amtszeit wurden etliche Bibliotheken neu geordnet, auch das Rechenzentrum wurde konzentriert. „Da wir in den kommenden Jahren mit weiteren Kürzungen von Seiten des Landes rechnen müssen, wird dieser Prozess wohl fortgesetzt“, meint Gerhard Braun. Doch die Budgetierung der Mittel und die neue finanzielle Transparenz in beinahe allen Bereichen der Hochschule sind für ihn nicht nur Reaktion auf den Druck von außen: „Dass wir heute nach Leistung abrechnen und gute Arbeit mit mehr Mitteln belohnen, das war ein gemeinsamer Kraftakt des gesamten Präsidiums.“

Studienangebote international öffnen

Nun geht die Arbeit weiter, mit anderen Leuten an der Spitze. Gisela Klann-Delius hofft, dass der Zug von Bologna die FU weiterhin mitreißt. „Wir brauchen Masterstudiengänge und spezielle Studienangebote für Promovenden“, meint sie. „Diese Angebote müssen wir international öffnen. Zugleich wäre es wünschenswert, die Beratung der Studierenden durch die Lehrenden zu verbessern.“ Sie blickt zurück und verweist auf die so genannte verpflichtende Prüfungsberatung, von den Studenten gern als Zwangsberatung abgetan: „Sie zeigt, dass uns die Langzeitstudenten nicht gleichgültig sind. Wir geben Hilfestellung und beraten gemeinsam mit den Studierenden, wie der Abschluss erreicht werden kann. Viele nehmen diese Unterstützung gern an.“ Werner Reutter wünscht sich, dass die Berliner Universitäten noch enger miteinander ins Gespräch kommen, vor allem gegenüber den politischen Entscheidungsträgern. „Die gemeinsamen Erklärungen der Präsidenten sind ein ermutigendes Zeichen.“ Und Gerhard Braun, was gibt er seinem Nachfolger auf den Weg? „Eigentlich nicht viel, denn jeder muss einen Stil finden und seine Erfahrungen machen.“ Er überlegt kurz. „Vielleicht so viel: Eine Universität kann man nicht managen, man muss sie führen. Nicht nur Wege aufzeigen, sondern auch mitgehen.“

Heiko Schwarzburger

Fotos: Dahl

 

 Zum Anfang des Artikels...