[Freie Universität Berlin] [FU-Nachrichten - Zeitung der Freien Universität Berlin]
 
  
TitelAktuellAktuellInnenansichtenInnenansichtenLeuteWissenschaft
FU Nachrichten HomeFU-Nachrichten ArchivFU Nachrichten SucheLeserbrief an die RedaktionImpressumHomepage der FU Pressestelle
Vorheriger Artikel...
Nächster Artikel...

[Der fruehe Vogel faengt den Wurm]

Was vom Bundesministerium für Wissenschaft und Bildung als Jahrhundertreform zur Steigerung der Attraktivität des Forschungsstandorts Deutschland angekündigt wurde, realisiert sich jetzt ganz unspektakulär an den deutschen Universitäten: Die ersten Juniorprofessorinnen und -professoren haben ihre Arbeit aufgenommen. So auch an der Freien Universität: Bisher wurden 28 Stellen ausgeschrieben. Weitere zehn Stellen sollen im Laufe des Jahres hinzukommen. Elf Berufungsverfahren sind inzwischen erfolgreich abgeschlossen worden. Nur in Berlin sind die Inhaber und Inhaberinnen der neuen so genannten W1-Stellen den anderen Professoren und Professorinnen korporativ gleichgestellt. Doch wie gestaltet sich das Verhältnis der Senioren zu den Junioren in der Praxis? Die FU-Nachrichten befragten drei Juniorprofessoren und eine Juniorprofessorin der Freien Universität stellvertretend für alle anderen zu ihren Erwartungen an ihre neuen Aufgaben.

Dr. Christiane Salge (Jg. 1968), Juniorprofessorin für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte, insbesondere mitteleuropäische Kunst einschließlich der Kunst Berlins und Brandenburgs, studierte Kunstgeschichte und Geschichte an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg, der Universität Wien und der Freien Universität Berlin. 2002 promovierte sie an der Freien Universität in Berlin.

Was erwarten Sie von Ihrem Status als Juniorprofessor/-in, fühlen Sie sich den anderen Professoren und Professorinnen gegenüber gleichberechtigt?

Für mich persönlich bedeutet die Stelle eine große Verantwortung und Herausforderung. Aufgrund des gerade erst begonnenen Arbeitsverhältnisses ist die Frage nach der Gleichberechtigung noch nicht eindeutig zu beantworten. Rein rechtlich gesehen bin ich den anderen Professoren gegenüber gleichberechtigt. Da es sich aber bei der Juniorprofessur um eine neue Personalkategorie handelt, erscheint es mir ganz natürlich, dass es erst allmählich zu einer Akzeptanz derselben kommen dürfte. Dennoch fühle ich mich schon jetzt aufgrund der angenehmen und kollegialen Atmosphäre am Institut angenommen.

Wie werden Sie mit der Doppelbelastung umgehen, sich sowohl wissenschaftlich profilieren als auch Ihren Lehrverpflichtungen nachkommen zu müssen? Ist die Bezahlung belastungs- und leistungsgerecht?

Ich habe schon fünf Jahre als Wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet und daneben meine Promotion geschrieben, daher bin ich diese Doppelbelastung gewohnt. Außerdem ist das Lehrdeputat der Juniorprofessoren von vier Semesterwochenstunden in den ersten drei Jahren ausgesprochen fair. Insofern müsste ausreichend Zeit bleiben, sich trotz der deutlichen Mehrbelastung wissenschaftlich weiter zu qualifizieren. Die Bezahlung halte ich für gerecht.

Wollen Sie sich trotzdem noch habilitieren? Halten Sie das Modell der Juniorprofessuren für zukunftsweisend und taugt es dazu, Lehre und Forschung in Deutschland zu verjüngen?

Ich halte die Einführung der Juniorprofessur für ein couragiertes Modell, das sich allerdings in der Praxis in Deutschland erst noch beweisen muss. Daher strebe ich eine zweite Forschungsarbeit an, mit der ich mich gegebenenfalls auch für ein Habilitationsverfahren bewerben werde.

Dr. Steffen Mischke (Jg. 1969), Juniorprofessor für Ökosystemdynamik am Fachbereich Geowissenschaften, studierte von 1990 bis 1996 an der FU Berlin und der University of St. Andrews (Schottland). Von 1998 bis 2001 promovierte Mischke an der Freien Universität Berlin und der Lanzhou University (China).

Was erwarten Sie von Ihrem Status als Juniorprofessor/-in, fühlen Sie sich den anderen Professoren und Professorinnen gegenüber gleichberechtigt?

Gegenüber auswärtigen Kollegen fühle ich mich in meiner Position durchaus gestärkt, gegenüber den Professoren des Institutes fühle ich mich schon allein durch die anstehende Evaluierung nach den ersten drei Jahren und durch die generelle zeitliche Befristung nicht tatsächlich gleichgestellt.

Wie werden Sie mit der Doppelbelastung umgehen, sich sowohl wissenschaftlich profilieren als auch Ihren Lehrverpflichtungen nachkommen zu müssen? Ist die Bezahlung belastungs- und leistungsgerecht?

Wissenschaftliche Profilierung heißt zum gegenwärtigen Stand in meiner beruflichen Entwicklung nicht mehr so sehr, Forschungsarbeiten eigenständig durchzuführen, sondern in zunehmendem Maße Projektmittel einzuwerben und dann entsprechend Diplomanden und Diplomandinnen oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in deren Arbeit zu begleiten und anzuleiten. Somit ist der eigene wissenschaftliche Erfolg nicht mehr in dem Maße wie zuvor durch die eigenen Forschungsergebnisse zu steuern, sondern ganz erheblich von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe und von Fragen des Projektmanagements abhängig. Zur Frage der Bezahlung kann ich nur sagen, dass ich es als außerordentliches Privileg empfinde, meiner wissenschaftlichen Arbeit weiterhin nachgehen zu dürfen, so dass mir die Höhe der Bezahlung recht unerheblich erscheint.

Wollen Sie sich trotzdem noch habilitieren? Halten Sie das Modell der Juniorprofessuren für zukunftsweisend und taugt es dazu, Lehre und Forschung in Deutschland zu verjüngen?

Ich sehe die Juniorprofessur als zeitweilig zur Verfügung stehendes potentielles Sprungbrett an, um mich wissenschaftlich zu profilieren und dann eventuell den Wechsel hin zu einer der herkömmlichen Professuren zu schaffen. Sollte dieser Wechsel in absehbarer Zeit nicht gelingen, käme für mich eine Habilitation durch eine kumulative Arbeit in Betracht. Prinzipiell halte ich das Modell der Juniorprofessuren für geeignet, moderne Forschungsmethoden durch junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an den Universitäten zu etablieren und Forschung und Lehre „aufzufrischen“.

Dr. Gilbert Schönfelder (Jg. 1968), Juniorprofessor für Molekulare Reproduktions- und Entwicklungstoxikologie am Fachbereich Humanmedizin, studierte Humanmedizin an der Freien Universität Berlin.

Was erwarten Sie von Ihrem Status als Juniorprofessor/-in, fühlen Sie sich den anderen Professoren und Professorinnen gegenüber gleichberechtigt?

Die Juniorprofessur schafft rechtlich die Voraussetzung, eine eigene selbstständige und unabhängige Arbeitsgruppe zu etablieren. Es wird sich zeigen, ob sich diese Idee in Deutschland etablieren kann und somit internationale Konkurrenzfähigkeit schafft. Zum jetzigen Zeitpunkt sehe ich noch keine Gleichberechtigung, da in allen Bundesländern nicht die gleiche Anpassung vorgenommen wird.

Wie werden Sie mit der Doppelbelastung umgehen, sich sowohl wissenschaftlich profilieren als auch Ihren Lehrverpflichtungen nachkommen zu müssen? Ist die Bezahlung belastungs- und leistungsgerecht?

Das Lehrdeputat ist sehr groß und mit viel Vorbereitungszeit verbunden, die von der Zeit für Forschung abgeht. Dennoch stelle ich mich gern der Herausforderung, weil mir die Lehre sehr viel Spaß macht, sie das eigene Wissen vergrößert und letztendlich die Pflicht jedes Hochschullehrers sein sollte. Allerdings sollte die Etablierung dieser Positionen nicht missbraucht werden, um den Mangel an Lehrkräften nur mit der Einrichtung von Juniorprofessuren aufzufüllen. Ich glaube, dass die Bezahlung nicht belastungs- und leistungsgerecht ist. Die Bezahlung ist also nicht der Grund, weshalb ich eine Juniorprofessur angenommen habe.

Wollen Sie sich trotzdem noch habilitieren? Halten Sie das Modell der Juniorprofessuren für zukunftsweisend und taugt es dazu, Lehre und Forschung in Deutschland zu verjüngen?

Ja, ich würde mich auch noch habilitieren, um in der Übergangszeit beide Qualifikationen vorweisen zu können, obwohl es mir immer wieder schwer fällt, Wissenschaftlern anderer nicht-deutschsprachiger Länder die Habilitation zu erklären. In der Medizin und in Bereichen einzelner Naturwissenschaften ist das Modell der Juniorprofessoren zukunftsweisend, wenn auch noch nicht vollständig durchdacht. Es ist ein in sich zu überprüfendes Projekt mit der Möglichkeit, Lehre und Forschung in Deutschland zu verjüngen. Bei voller Anerkennung und Akzeptanz der Position in der nationalen wissenschaftlichen Gesellschaft bietet sie der Forschung Leistungs-, Konkurrenz- und Innovationsfähigkeit auf internationaler Ebene.

Dr. Christian B. W. Stark (Jg. 1970), Juniorprofessor für Organische Chemie, studierte Chemie an der Universität Hannover und der University of Cambridge (U. K.). Im Jahr 2000 promovierte er an der Universität Hannover und arbeitete danach bis 2002 als PostDoc am Department of Biochemistry – University of Cambridge.

Was erwarten Sie von Ihrem Status als Juniorprofessor/-in, fühlen Sie sich den anderen Professoren und Professorinnen gegenüber gleichberechtigt?

Der Status eines Juniorprofessors entspricht dem eines Hochschullehrers und ist insofern gleichberechtigt. Selbstverständlich gibt es auch innerhalb der Gruppe der Hochschullehrer eine Hierarchie. Der entscheidende Punkt an dem neuen System ist jedoch die frühe wissenschaftliche Unabhängigkeit, genau darin sehe ich den großen Vorteil des neuen Systems. Bekanntlich fängt der frühe Vogel den Wurm.

Wie werden Sie mit der Doppelbelastung umgehen, sich sowohl wissenschaftlich profilieren als auch Ihren Lehrverpflichtungen nachkommen zu müssen? Ist die Bezahlung belastungs- und leistungsgerecht?

Insbesondere in den ersten Monaten ist die Doppelbelastung durch Forschung und Lehre sicherlich sehr hoch. Darüber hinaus steht bereits nach drei Jahren eine Evaluierung an, die sich in erster Linie auf die Forschungsarbeiten richtet. Vielleicht wäre es daher besser, wenn die Juniorprofessur mit einem Forschungsfreisemester beginnen würde und man sich somit zunächst auf die Etablierung der Forschungsprojekte konzentrieren könnte. Die „Fehlstunden“ könnten dann in den folgenden Semestern ausgeglichen werden.

Wollen Sie sich trotzdem noch habilitieren? Halten Sie das Modell der Juniorprofessuren für zukunftsweisend und taugt es dazu, Lehre und Forschung in Deutschland zu verjüngen?

Da die Habilitation und die Juniorprofessur prinzipiell gleichrangige Qualifikationen sind, habe ich nicht vor, noch zu habilitieren. Ob Juniorprofessuren zu einer Verjüngung führen? Wenn die Frage sich auf das Alter beziehen sollte: Jung sein heißt nicht notwendig schlauer und auch nicht aktueller zu sein.

Fotos: blickwinkel.de, Höfer, Dewitz

 Zum Anfang des Artikels...