Die Sensation verbarg sich in Fässern und Bottichen voll mit Pechblende: Tonnen davon mussten erhitzt und tagelang mit einem Eisenstab gerührt werden. Schwerstarbeit für eine junge Frau, die ein ehrgeiziges Ziel verfolgte: Jene Tausendstel Milligramm aus der schwarzen Masse zu isolieren, die eine stärkere Radioaktivität zeigten als das bekannte radioaktive Element Uran. Vier Jahre später sollte der jungen Forscherin Marie Curie Erfolg beschieden
sein. Sie präsentierte zwei neue Elemente: Radium und Polonium. Dafür sollte sie schon kurze Zeit später die höchsten wissenschaftlichen Meriten einsammeln. Am 10. Dezember 1903 erhielt sie den Nobelpreis für Physik.
Vor hundert Jahren war Marie Curie die erste Frau, die sich mit dem bekanntesten aller Wissenschaftspreise zieren durfte. Acht Jahre später schaffte sie sogar die Dublette: 1911 erhielt sie den Nobelpreis für Chemie. In den 100jährigen Annalen des Nobelpreis stehen nur elf Auszeichnungen für zehn Frauen in Physik, Chemie, Physiologie und Medizin eine nicht gerade üppige Bilanz. Insgesamt wurden zwischen 1901 und 2001 immerhin 469 Preise vergeben. Ist das Nobelkomitee ein chauvinistischer Männerclub? Unsinn, wendet man(n) ein: Der Weg zum Ruhm sei lang und steinig, für Männer wie Frauen. Es gebe schlicht zu wenig Naturwissenschaftlerinnen, die die hohen Ansprüche des Preises erfüllen.
Die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Hochschulförderung erhebt regelmäßig Statistiken über den Frauenanteil an den Hochschulen. Die gute Nachricht: Der Frauenanteil bei den Studienanfängern lag 2002 erstmals über fünfzig Prozent. Bei den Studienabschlüssen waren die Frauen mit 47 Prozent vertreten. Geht es auf der Karriereleiter nach oben, wird die Luft jedoch schnell dünner: Der Frauenanteil bei den Promotionen lag 2001 bei 35,5 Prozent. Bei den Habilitationen waren die Frauen noch mit 17,2 Prozent vertreten. Sie besetzen 11,2 Prozent der Professuren, bei C4-Lehrstühlen gar nur 7,2 Prozent. Deshalb fordert Wolf Michael Catenhusen, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium (BMBF), die Pensionswelle der kommenden zehn Jahre für einen Umschwung zu nutzen: Der Generationenwechsel muss genutzt werden, um mehr Frauen in Führungspositionen zu holen. Das BMBF lässt sich die Förderung von Wissenschaftlerinnen zurzeit knapp 31 Millionen Euro im Jahr kosten.
Doch woran liegt es, dass auf dem Weg von der Promotion bis zur Professur rund zwei Drittel der Frauen auf der Strecke bleiben? Die erste deutsche Nobelpreisträgerin, die Biologin Christiane Nüsslein-Volhard vom Max-Planck-Institut in Tübingen, sieht die Ursachen vor allem in einer verfehlten Familienpolitik: Für Wissenschaftlerinnen falle die Zeit der intensivsten beruflichen Beanspruchung meist mit der Familiengründung zusammen. Die Doppelbelastung wirke sich zum Nachteil der Forscherinnen aus. Ganztägige Kinderbetreuung sei wenig vorhanden und zu teuer, monierte sie in der Wochenzeitung Die Zeit.
Die Frauenbeauftragte der FU Berlin, Mechthild Koreuber, kritisiert, dass das neue Hochschulrahmengesetz (HRG) die familiären Belastungen von Forscherinnen zu wenig berücksichtige. Das HRG schreibt fest, dass Wissenschaftler längstens sechs Jahre lang auf befristeten Stellen arbeiten dürfen. Erziehungsurlaub würde hier ausgenommen, so Koreuber, aber: Aus Angst, in ihrer Disziplin zurückzufallen, drängen Wissenschaftlerinnen kurz nach ihrer Mutterschutzphase in Halbtagsstellen zurück. Halbe Stellen werden im HRG genauso behandelt wie Ganztagsstellen: Nach sechs Jahren ist Schluss. Jutta Dalhoff vom Bonner Center for Excellence in Women Studies (CEWS) vermutet die Ursachen für den Frauenschwund bis zur Berufung auf eine Professur woanders: Die größten Stolpersteine liegen im Berufungsverfahren. Das CEWS bietet habilitierten Wissenschaftlerinnen die Möglichkeit, sich in speziellen Seminaren auf das Berufungsverfahren vorzubereiten ein Bewerbungstraining für angehende Professorinnen. Die Nachfrage ist immens: Auf 200 angebotene Plätze gab es 1.000 Bewerbungen.
Mechthild Koreuber empfiehlt zu Ruhm und Ehre drängenden Forscherinnen, sich nicht ausschließlich auf Fachwissen verlassen: Genauso wichtig ist es, in Netzwerken präsent zu sein, Kolloquien und Fachkongresse zu besuchen um wahrgenommen zu werden. Ein Hinweis, der sich auch in den Biografien der Nobelpreisträgerinnen findet. Denn auch bei Frauen gilt die Regel, dass ein Nobelpreisträger selten allein kommt: Die Nachfolgerin von Marie Curie, Maria Göppert-Mayer, Physik-Nobelpreisträgerin von 1963, hatte einen prominenten Doktorvater: Max Born, den Nobelpreisträger für Physik von 1954. Ihr Rigorosum absolvierte sie bei James Franck und Alfred Windaus. Franck hatte 1925 einen Nobelpreis für Physik erhalten. Windaus wurde zwei Jahre später in Chemie ausgezeichnet.
www.cews.uni-bonn.de/
http://musee.curie.fr/
Michaela Marx
Fotos: INP