Das Land Berlin ist ökonomisch am Ende.Diese Tatsache (ver)leitete den Senat von Berlin dazu, Haushaltskürzungen in allen Ressorts zu verlangen. Bis Juni diesen Jahres überboten sich die verantwortlichen Politiker in teilweise maßlosen Forderungen, die Erwartungen des Finanzsenators Sarrazin schwankten zwischen 200 und 600 Millionen Euro Kürzung für die Berliner Hochschulen, also einer Zerstörung von zwei Dritteln der bestehenden Kapazität. Wissenschaftssenator Flierl verlangte ultimativ 100 Millionen Euro, eine Summe, die zuzüglich weiterer Belastungen 130 bis 176 Millionen Euro betragen hätte. Daraufhin verhandelten die Universitätspräsidenten direkt mit dem Regierenden Bürgermeister und erzielten das Zugeständnis, die Kürzungen bis 2009 auf 75 Millionen Euro zu drücken.
Für die Freie Universität Berlin bedeutet dies ein Gesamtkürzungsvolumen von 37.119.000 Euro. Diese Summe ergibt sich aus dem linearen Anteil an den 75 Millionen Euro Kürzung in Höhe von 23.300.000 Euro zuzüglich weiterer Belastungen, die im Laufe der nächsten Jahre entstehen werden: Dazu gehören Einzahlungen in den Fachhochschulstruktur-Fonds (4,6 Millionen Euro), Zahlungen zugunsten der Kunsthochschulen (0,5 Millionen Euro), Sanierungszahlungen für die VBL und insbesondere die Belastung, die sich aus der wachsenden Zahl von Pensionen ergibt. Das Präsidium hat zur Umsetzung dieser notwendigen Einsparungen einen Vorschlag entwickelt. Danach sollen nicht mehr als 80 bis 90 Professuren, einschließlich deren Ausstattungen, bis 2009 gekürzt werden. Darüber hinausgehende Kürzungen im Wissenschaftsbereich würden die Freie Universität als Volluniversität in Frage stellen. Deshalb sind die fehlenden 17 Millionen Euro durch Einsparmaßnahmen in verschiedenen anderen Bereichen zu erzielen. Dazu gehören die Verwaltung, Zentrale Serviceeinrichtungen, Bibliotheken, der Botanische Garten und andere Bereiche. Zur Prüfung der Möglichkeiten, hier Einsparungen vorzunehmen, finden derzeit Benchmarking-Prozesse unter Anleitung der Hochschulinformation-System GmbH statt, Abstimmungsprozesse zwischen den Universitäten für die Bereiche Bibliothek, Rechenzentren und Hochschulsport sowie aufgabenkritische Analysen weiterer Prozesse und Strukturen.
Für die Einsparungen in den Wissenschaftsbereichen müssen wir davon ausgehen, dass die Freie Universität ihren Qualitätsstandard für die verbleibenden Bereiche sichert. So ist sie soeben in der Weltrangliste vor allen anderen Berliner Universitäten auf dem 98. Platz notiert, innerhalb Berlins profitiert sie von der leistungsbezogenen Mittelvergabe wegen ihrer hervorragenden Leistungen am meisten.Die Freie Universität muss eine Forschungsuniversität bleiben, die im globalen Wettbewerb international konkurrenzfähig ist. Auf dieser Basis ist eine akademische Lehre und Nachwuchsförderung möglich, die gleichfalls auf höchstem Niveau stattfindet.
Das Präsidium hat eine größere Zahl von Prinzipien formuliert, die für die Strukturplanung gelten. So sind Bereiche, die erhebliche Stärken aufgrund von Forschungsaktivitäten aufweisen, besonders behutsam zu betrachten. Fächer, die einen viel versprechenden Beitrag zu gebündelten Zukunftsproblemen (Cluster) geleistet haben und leisten werden, müssen besonders gefördert werden. Dies gilt auch für Exzellenz im Bereich der Lehre und der Nachwuchsförderung. Zur Vermeidung von Doppel- und Dreifachangeboten findet eine Abstimmung mit den Hochschulen der Region statt. Um künftig sicher zu stellen, dass nur die Besten als Professoren und Professorinnen berufen werden, müssen Fachbereiche und Präsidium die Berufungsstrategie als gemeinsame Aufgabe wahrnehmen.
Das Präsidium geht des Weiteren davon aus, dass das derzeit gültige quantitative Verhältnis von Geistes-/Sozialwissenschaften und Naturwissenschaften (2:1) nicht verändert wird. Fächer, die nur an der Freien Universität existieren, sollen nicht geschlossen werden. Die Zentralinstitute und Fachrichtungen, deren Gegenstand große Regionen der Welt sind, zum Beispiel USA und Kanada, Lateinamerika, Osteuropa, Ostasien usw., werden nicht in Frage gestellt. Der Charité-Campus Benjamin-Franklin wird als integraler Bestandteil des existierenden Bio-Campus Dahlem gesehen.
Die Umsetzung der Kürzungserwartungen bedeutet, dass zwischen den Universitäten der Region eine Abstimmung darüber stattfinden muss, in welchen Fächern welche Universität eine Gesamtversorgung (BA-MA-Promotion) vorhält und in welchen Fächern eine Konzentration auf die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses (MA-Promotion) stattfindet. Der Planungsvorschlag steht ferner unter der Prämisse, dass künftig Geistes- und Sozialwissenschaften sowie Lehrerausbildung nur noch an der Freien Universität und an der Humboldt-Universität angeboten werden.
Das weitere Verfahren für die Umsetzung der Sparbeschlüsse des Senats von Berlin ist durch den Wissenschaftssenator im Kuratorium vorgegeben worden: Beschlussfassung der inneruniversitären Gremien (Kuratorium und Akademischer Senat) bis zum Jahresende; Feinabstimmung, fachbezogen, zwischen den Universitäten im Januar und Februar 2004; abschließende Beschlussfassung über einen Ausstattungsplan in den universitären Gremien bis April 2004; Vorlage des Strukturplans beim Wissenschaftssenator zum 1. Juni 2004. Dieser Zeitplan erfordert eine rasche zielführende Diskussion in unserer Universität. Die Voraussetzungen dafür sind ein kooperatives Klima zwischen allen, die für Planungen und Entscheidungen verantwortlich sind, und die Entschlossenheit, die Entscheidungen nicht aus der Hand zu geben. Denn die Drohung steht im Raum: Wenn die Universitäten sich nicht einigen können, werden die Planungen extern vorgenommen.
Deshalb mein Appell: Demonstrieren wir, dass die Freie Universität mit ihrer Autonomie verantwortungsvoll umgeht und ihre Zukunft auch unter miserablen ökonomischen Bedingungen erfolgsorientiert gestalten will. Dies bedeutet jedoch nicht zu übersehen, dass die Wissenschaftspolitik des rot-roten Senats die Zukunftsfähigkeit des Wissenschaftsstandortes Berlin massiv beschädigt, die Ausbildungschancen, besonders auch der jungen Berlinerinnen und Berliner, erheblich einschränkt und die Lebensgrundlagen der Stadt in Frage stellt.
Dieter Lenzen
Foto: Hertel
Rechtswissenschaft: von 23 auf 18 Professuren.
Wirtschaftswissenschaften: (BWL und VWL): von 22 auf 18 Professuren.
Erziehungswissenschaften: von 19 auf 14 Professuren.
Psychologie: von 13 auf neun Professuren
Politikwissenschaften: von 18 auf 14 Professuren.
Soziologie: von neun auf vier Professuren.
Publizistik: von zehn auf acht Professuren.
Ethnologie: von drei auf zwei.
Geschichte: von 16 auf neun Professuren.
Kunstgeschichte: Es bleibt bei sechs Professuren.
Altertumswissenschaften: von 12 auf neun
Religion: von sieben auf fünf Professuren
Germanistik/Niederlandistik: von 18 auf 14 Professuren, wobei es in der Niederlandistik bei zwei Professuren bleibt.
Romanistik: von 13 auf zehn Professuren.
Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft: Es bleibt bei vier Professuren.
Anglistik: von zehn auf neun Professuren.
Griechische und Lateinische Philologie: von fünf auf vier Professuren.
Philosophie: von sechs auf vier Professuren.
Theater- und Filmwissenschaften: Es bleibt bei sechs Professuren.
Musikwissenschaften: von zwei auf null Professuren (wird eingestellt).
Veterinärmedizin: 15 Prozent der Mittel werden gekürzt
Mathematik: von 14 auf 12 Professuren.
Informatik: Es bleibt bei neun Professuren.
Physik: von 21 auf 16 Professuren.
Biologie: von 22 auf 16 Professuren.
Chemie: von 22 auf 17 Professuren.
Pharmazie: von elf auf sieben Professuren.
Geowissenschaften: von 21 auf 16 Professuren.
Ostasienwissenschaften: Es bleibt bei sieben Professuren.
Bereich Vorderer Orient: Es bleibt bei sechs Professuren.
Latein-Amerika-Institut, Osteuropa-Institut und John-F.-Kennedy-Institut für Amerikastudien: Bei den drei Zentralinstituten bleibt es jeweils bei sechs Professuren. Die Professoren sind in den einzelen Fächern bereits mitgezählt.