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Modernerer Vorderer Orient an der FU

Ein Brennpunkt im Nah-Ost-Konflikt: Der Felsendom in Jerusalem.

Ein markantes Profil ist attraktiv: Im Hochgebirge beschert ein schöner Gipfel den ehemals schäbigsten Hüttensiedlungen heute ein Durchschnittseinkommen, wovon man in der sandigen Berliner Ebene nur träumen kann. Auch Universitäten brauchen Profil, dachte man sich neidisch. Und so scheint man die Erdwissenschaftler mit der Politikberatung beauftragt zu haben: Wie entsteht denn so ein ordentlicher Watzmann im Panorama? Die Antwort gefiel: Nur durch Erosion, nur wenn’s rundum kräftig bröckelt und vieles den Bach runtergegangen ist, bleiben ein paar markante Gipfel. Und so geschah es. Seitdem bröckelt es überall, denn was den Alpen ein Matterhorn beschert hat, soll in der Berliner Wissenschaftslandschaft ein Wohlgefallen sein. Biotechnologie, naturwissenschaftliche Grundlagenforschung oder kleine Sprachen kennt jeder als Bereiche, in denen sich die Freie Universität eindrücklich profiliert hat, doch seit dem 11. September ist noch ein anderer Kompetenzbereich dieser Universität ins Rampenlicht gerückt: Nirgendwo im deutschsprachigen Raum wird so breit und auf sicherem methodischen Fundament zum „Modernen Vorderen Orient“ geforscht wie an der FU. Die deutsche Tradition einer vor allem philologisch-historisch arbeitenden Orientwissenschaft wird hier durch einen gegenwartsbezogenen Ansatz aus verschiedenen Disziplinen erweitert.

Am liebsten geht man zu denen, die viel zu bieten haben: Die Anfragen aus Presse und Politik häufen sich nicht nur am Institut für Islamwissenschaft, sondern auch bei der Arbeitsstelle „Politik des Vorderen Orients“ am Otto-Suhr-Institut oder am Institut für Iranistik. Die Studierenden haben die Auswahl zwischen Veranstaltungen in einer Vielzahl weiterer Institute, wie der Turkologie und Arabistik und auch anderen Institutionen in der Hauptstadt, wie dem Zentrum Moderner Orient (ZMO), dem Arbeitskreis Moderne und Islam am Wissenschaftskolleg und einigen anderen Einrichtungen. Die Zahl der Neuimmatrikulierten im Fach Islamwissenschaft hat sich in diesem Wintersemester im Vergleich zum vergangenen Wintersemester verdoppelt. Viel aussagekräftiger ist jedoch der langfristige Trend: „Wir haben seit Mitte der 70er Jahre einen stetigen Zuwachs an Studierenden zu verzeichnen“, weist Gudrun Krämer, Professorin am Institut für Islamwissenschaft Vorwürfe zurück, ihr Fach würde derzeit nur kurzzeitig von aktuellen Ereignissen profitieren.

Noch ist der Ruf gut

Was heißt eigentlich profitieren? Die Kurse für Arabisch, dessen Beherrschung neben einer zweiten Sprache der Region Voraussetzung für das Studium der Islamwissenschaft ist, sind völlig überfüllt, „sinnvolles Lernen ist kaum möglich“, sagt einer der Studienanfänger. Ansonsten sind die Neulinge recht zufrieden: Anne Schönfelder schrieb sich zuerst als Nebenfachstudentin ein. Inzwischen ist sie so begeistert von dem Fach, dass sie ins Hauptfach gewechselt ist. Dass ihre Wahl auf die FU fiel, war keinesfalls dem Zufall überlassen: „Ich wollte nach Berlin“, sagt sie und der Ruf der Islamwissenschaften an der FU sei eben sehr gut. Ihr sozialwissenschaftliches Interesse wird hier voll befriedigt. Auch Christian Saßmannshausen, studentische Hilfskraft und Tutor am Institut, kam ganz bewusst an die FU, nachdem er sein Grundstudium in Frankfurt am Main und Mainz absolviert hatte: „Die Ausrichtung der Islamwissenschaft an der FU auf den modernen Vorderen Orient ist in Deutschland, vermutlich neben Hamburg, einzigartig. Alles, was nach dem Mongolensturm auf Bagdad im Jahre 1258 geschah, interessiert an vielen islamwissenschaftlichen Instituten nicht mehr.“ In Hamburg, so munkeln andere, fehle doch ein wenig der methodische Unterbau. Wie attraktiv die FU und das internationale Renomeé von Gudrun Krämer gerade auch für fortgeschrittene Studierende ist, zeigt eine Episode, die Saßmannshausen von seinem Austauschjahr in Kairo erzählen kann. Von den elf deutschen DAAD-Stipendiaten in Kairo kamen drei aus Berlin. Nach dem Jahr in Kairo und genügend Muße, sich den weiteren Fortgang ihres Studiums in Deutschland zu überlegen, trafen sich plötzlich zehn von ihnen an der FU wieder. Kein Herdentrieb, wie Saßmannshausen betont. Jeder hatte unabhängig von den anderen diesen Entschluss gefasst; um so größer war die Überraschung beim unverhofften Wiedersehen und irgendwie auch eine Bestätigung, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Matterhorn oder Mittelgebirge

Doch die Episode spielte im Winter 1998. Inzwischen hat sich einiges geändert und der Glanz läuft Gefahr zu verblassen. Schauen wir noch mal ins Gebirge, denn auch dort erodiert es kräftig weiter, und irgendwann ist auch die schönste Toblerone-Silhouette flach und rund wie eine deutsche Mittelgebirgskuppe. Während das Matterhorn uns auf absehbare Zeit noch erhalten bleibt, ist der eben skizzierte markante Höhepunkt im Profil der Freien Universität akut gefährdet und droht im Baedeker der deutschen Wissenschaftslandschaft von der Kategorie „ist eine eigene Reise wert“ zu „sonstige Sehenswürdigkeiten“ abzusteigen. Denn wie schon bemerkt, ist es vor allem die fruchtbare Symbiose einer Vielzahl von Institutionen an der FU und außerhalb der Uni, die viele nach Berlin zieht. Saßmannshausen, der im Nebenfach Politikwissenschaft studiert, faszinierte bei seinem Wechsel an die FU auch die Möglichkeit, Veranstaltungen zum Themenfeld Naher Osten aus der VWL und der Politikwissenschaft in sein Studium zu integrieren, wie viele andere auch. Nirgendwo waren die Voraussetzungen dafür besser als hier: Am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft vertrat Prof. Dieter Weiss das Fachgebiet Volkswirtschaft des Vorderen Orients, und am OSI leitet Prof. Friedemann Büttner die Arbeitsstelle „Politik des Vorderen Orients“. Letztes Jahr ging Weiss in den Ruhestand. Seine Professur wurde gemäß Strukturplan nicht wieder besetzt. Gleiches soll auch bei den Politikwissenschaftlern geschehen, wenn Büttner nächstes Jahr ausscheidet. „Gerade angesichts der Tatsache, dass Globalisierung seit Jahren stattfindet und die islamische Welt sowohl kulturell als auch politisch von besonderer Bedeutung ist, wäre es sinnvoll, die vorhandenen Strukturen und Kompetenzen zu erhalten, wenn nicht zu stärken. Das Gegenteil geschieht mit diesem Stellenabbau, auch wenn nun für einige Jahre ein Interdisziplinäres Zentrum Bausteine zu einer Gesellschaftsgeschichte des Vorderen Orients gefördert wird“, kommentiert Gudrun Krämer diese Strukturentscheidungen. Und sie setzt hinzu: „Dies wirft forschungspolitisch aber auch gesellschaftspolitisch gesehen mindestens ein problematisches Licht auf die FU. Wenn man es ernst nimmt, dass die Bundesrepublik weltpolitisch eine wichtigere Rolle einnehmen soll, muss sie sich gerade für außereuropäische Kulturen Kernkompetenz erwerben und namentlich mit der islamischen Welt in unterschiedlichen Kontakt treten.“ Dass man Experten braucht, sieht man an den zahlreichen Stellen, die in den letzten Monaten von Ministerien, Bundes- und Landesbehörden geschaffen wurden. „Wir haben unsere Absolventen immer gut untergebracht“, sagt Büttner nicht ohne Stolz.

Erstaunlicherweise hat der gelernte Politikwissenschaftler Verständnis dafür, dass seine Professur am OSI nicht mehr neu besetzt werden kann. „Bei der im Strukturplan beschlossenen Verkleinerung des OSI auf 14 Professuren muss man sich auf den Kern des Faches konzentrieren, etwas anderes geht gar nicht.“ Möglichkeiten, den Schwerpunkt „Politik des Vorderen Orients“ zu behalten, gäbe es aber auch außerhalb des Fachbereichs. Vielleicht ist das gar nicht nötig, denn vor kurzem wurden die Strukturplanung und das Fachkonzept des OSI von drei auswärtigen Experten evaluiert. Mit einem Votum ist Anfang des Sommersemesters 2002 zu rechnen, und vielleicht gehört Büttners Arbeitsstelle zu den Gewinnern und man entschließt sich, sie zu erhalten – einiges spricht für eine solche Lösung. Sonst wäre es auch bald dahin, das Profil: Kein Matterhorn mehr und die Berliner Wissenschaftslandschaft käme der sandigen Ebene wieder ein Stück näher.

Niclas DewitzAm liebsten geht man zu denen, die viel zu bieten haben: Die Anfragen aus Presse und Politik häufen sich nicht nur am Institut für Islamwissenschaft, sondern auch bei der Arbeitsstelle „Politik des Vorderen Orients“ am Otto-Suhr-Institut oder am Institut für Iranistik. Die Studierenden haben die Auswahl zwischen Veranstaltungen in einer Vielzahl weiterer Institute, wie der Turkologie und Arabistik und auch anderen Institutionen in der Hauptstadt, wie dem Zentrum Moderner Orient (ZMO), dem Arbeitskreis Moderne und Islam am Wissenschaftskolleg und einigen anderen Einrichtungen. Die Zahl der Neuimmatrikulierten im Fach Islamwissenschaft hat sich in diesem Wintersemester im Vergleich zum vergangenen Wintersemester verdoppelt. Viel aussagekräftiger ist jedoch der langfristige Trend: „Wir haben seit Mitte der 70er Jahre einen stetigen Zuwachs an Studierenden zu verzeichnen“, weist Gudrun Krämer, Professorin am Institut für Islamwissenschaft Vorwürfe zurück, ihr Fach würde derzeit nur kurzzeitig von aktuellen Ereignissen profitieren.

Noch ist der Ruf gut

Was heißt eigentlich profitieren? Die Kurse für Arabisch, dessen Beherrschung neben einer zweiten Sprache der Region Voraussetzung für das Studium der Islamwissenschaft ist, sind völlig überfüllt, „sinnvolles Lernen ist kaum möglich“, sagt einer der Studienanfänger. Ansonsten sind die Neulinge recht zufrieden: Anne Schönfelder schrieb sich zuerst als Nebenfachstudentin ein. Inzwischen ist sie so begeistert von dem Fach, dass sie ins Hauptfach gewechselt ist. Dass ihre Wahl auf die FU fiel, war keinesfalls dem Zufall überlassen: „Ich wollte nach Berlin“, sagt sie und der Ruf der Islamwissenschaften an der FU sei eben sehr gut. Ihr sozialwissenschaftliches Interesse wird hier voll befriedigt. Auch Christian Saßmannshausen, studentische Hilfskraft und Tutor am Institut, kam ganz bewusst an die FU, nachdem er sein Grundstudium in Frankfurt am Main und Mainz absolviert hatte: „Die Ausrichtung der Islamwissenschaft an der FU auf den modernen Vorderen Orient ist in Deutschland, vermutlich neben Hamburg, einzigartig. Alles, was nach dem Mongolensturm auf Bagdad im Jahre 1258 geschah, interessiert an vielen islamwissenschaftlichen Instituten nicht mehr.“ In Hamburg, so munkeln andere, fehle doch ein wenig der methodische Unterbau. Wie attraktiv die FU und das internationale Renomeé von Gudrun Krämer gerade auch für fortgeschrittene Studierende ist, zeigt eine Episode, die Saßmannshausen von seinem Austauschjahr in Kairo erzählen kann. Von den elf deutschen DAAD-Stipendiaten in Kairo kamen drei aus Berlin. Nach dem Jahr in Kairo und genügend Muße, sich den weiteren Fortgang ihres Studiums in Deutschland zu überlegen, trafen sich plötzlich zehn von ihnen an der FU wieder. Kein Herdentrieb, wie Saßmannshausen betont. Jeder hatte unabhängig von den anderen diesen Entschluss gefasst; um so größer war die Überraschung beim unverhofften Wiedersehen und irgendwie auch eine Bestätigung, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Matterhorn oder Mittelgebirge

Doch die Episode spielte im Winter 1998. Inzwischen hat sich einiges geändert und der Glanz läuft Gefahr zu verblassen. Schauen wir noch mal ins Gebirge, denn auch dort erodiert es kräftig weiter, und irgendwann ist auch die schönste Toblerone-Silhouette flach und rund wie eine deutsche Mittelgebirgskuppe. Während das Matterhorn uns auf absehbare Zeit noch erhalten bleibt, ist der eben skizzierte markante Höhepunkt im Profil der Freien Universität akut gefährdet und droht im Baedeker der deutschen Wissenschaftslandschaft von der Kategorie „ist eine eigene Reise wert“ zu „sonstige Sehenswürdigkeiten“ abzusteigen. Denn wie schon bemerkt, ist es vor allem die fruchtbare Symbiose einer Vielzahl von Institutionen an der FU und außerhalb der Uni, die viele nach Berlin zieht. Saßmannshausen, der im Nebenfach Politikwissenschaft studiert, faszinierte bei seinem Wechsel an die FU auch die Möglichkeit, Veranstaltungen zum Themenfeld Naher Osten aus der VWL und der Politikwissenschaft in sein Studium zu integrieren, wie viele andere auch. Nirgendwo waren die Voraussetzungen dafür besser als hier: Am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft vertrat Prof. Dieter Weiss das Fachgebiet Volkswirtschaft des Vorderen Orients, und am OSI leitet Prof. Friedemann Büttner die Arbeitsstelle „Politik des Vorderen Orients“. Letztes Jahr ging Weiss in den Ruhestand. Seine Professur wurde gemäß Strukturplan nicht wieder besetzt. Gleiches soll auch bei den Politikwissenschaftlern geschehen, wenn Büttner nächstes Jahr ausscheidet. „Gerade angesichts der Tatsache, dass Globalisierung seit Jahren stattfindet und die islamische Welt sowohl kulturell als auch politisch von besonderer Bedeutung ist, wäre es sinnvoll, die vorhandenen Strukturen und Kompetenzen zu erhalten, wenn nicht zu stärken. Das Gegenteil geschieht mit diesem Stellenabbau, auch wenn nun für einige Jahre ein Interdisziplinäres Zentrum Bausteine zu einer Gesellschaftsgeschichte des Vorderen Orients gefördert wird“, kommentiert Gudrun Krämer diese Strukturentscheidungen. Und sie setzt hinzu: „Dies wirft forschungspolitisch aber auch gesellschaftspolitisch gesehen mindestens ein problematisches Licht auf die FU. Wenn man es ernst nimmt, dass die Bundesrepublik weltpolitisch eine wichtigere Rolle einnehmen soll, muss sie sich gerade für außereuropäische Kulturen Kernkompetenz erwerben und namentlich mit der islamischen Welt in unterschiedlichen Kontakt treten.“ Dass man Experten braucht, sieht man an den zahlreichen Stellen, die in den letzten Monaten von Ministerien, Bundes- und Landesbehörden geschaffen wurden. „Wir haben unsere Absolventen immer gut untergebracht“, sagt Büttner nicht ohne Stolz.

Erstaunlicherweise hat der gelernte Politikwissenschaftler Verständnis dafür, dass seine Professur am OSI nicht mehr neu besetzt werden kann. „Bei der im Strukturplan beschlossenen Verkleinerung des OSI auf 14 Professuren muss man sich auf den Kern des Faches konzentrieren, etwas anderes geht gar nicht.“ Möglichkeiten, den Schwerpunkt „Politik des Vorderen Orients“ zu behalten, gäbe es aber auch außerhalb des Fachbereichs. Vielleicht ist das gar nicht nötig, denn vor kurzem wurden die Strukturplanung und das Fachkonzept des OSI von drei auswärtigen Experten evaluiert. Mit einem Votum ist Anfang des Sommersemesters 2002 zu rechnen, und vielleicht gehört Büttners Arbeitsstelle zu den Gewinnern und man entschließt sich, sie zu erhalten – einiges spricht für eine solche Lösung. Sonst wäre es auch bald dahin, das Profil: Kein Matterhorn mehr und die Berliner Wissenschaftslandschaft käme der sandigen Ebene wieder ein Stück näher.

Niclas Dewitz

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