Betr.: Leistungsorientierte Mittelverteilung zwischen den Hochschulen
Ein Zoo-Direktor sollte durch eine Jury klären lassen, welches der farbenprächtigste Vogel in seinen Volieren ist. Er ließ daraufhin die schönsten Vögel fotografieren. Darunter waren bunte Kolibris und Papageien mit herrlichen Farben aber auch Krähen und Elstern mit schwarz-weiß gezeichnetem Gefieder. Die Bilder wurden an externe Gutachter geschickt mit der Bitte, ihre Wahl zu treffen. Die Antworten waren eindeutig: Alle Gutachter entschieden sich für die Krähen und Elstern. Die Kenner des Tierparks waren über dieses Urteil erstaunt, hielten sie doch einmütig die Kolibris und Papageien wegen ihres farbenfrohen Gefieders für schöner. Des Rätsels Lösung: Der Zoo-Direktor hatte Schwarz-weiß-Fotografien verschickt, auf denen die deutliche Zeichnung der Krähen und Elstern viel besser zur Geltung kam als die ineinander fließenden Farben der anderen Vögel, die lediglich verwaschene Grautöne auf den Bildern ergaben. Zur Erklärung gab der Zoo-Direktor an, dass Farb-Fotos die Krähen und Elstern benachteiligt hätten.
Nun zur Realität: Eine Senatsverwaltung soll die Leistungsfähigkeit der Berliner Hochschulen ermitteln, um die knappen verfügbaren Mittel nach Leistungskriterien verteilen zu können. Bei der Auswahl der Kriterien sollen die beiden Aufgabenbereiche Lehre und Forschung angemessen berücksichtigt werden.
Die Senatsverwaltung entscheidet, dass wissenschaftliche Veröffentlichungen in Fachzeitschriften, auf internationalen Konferenzen oder in Buchform nicht als Leistungskriterium gewertet werden, obwohl gerade diese in allen überregionalen Vergleichen (Rankings, Evaluationen etc.) als wesentliches Maß für die Leistungsfähigkeit und internationale Konkurrenzfähigkeit von Fachdisziplinen bzw. von ganzen Hochschulen gilt. Die Erklärung der Senatsverwaltung für diese forschungsfeindliche Entscheidung: Eine der Universitäten (die HU) könne die notwendigen Daten zu den Veröffentlichungen nicht erfassen und wäre dadurch benachteiligt.
Unsere Vermutung: Dieses nur vorgeschobene Argument soll dazu dienen, langfristig die Veröffentlichungen aus den Leistungskriterien auszuschließen. Die Nichtberücksichtigung dieses Kriteriums würde die Bewertungschancen der Fachhochschulen verbessern und damit die Realisierung eines seit langem verfolgten politischen Zieles erleichtern: die Anzahl der (billigeren) Studienplätze an den Fachhochschulen zu Lasten der (teureren) Universitäts-Studienplätze zu erhöhen, um auf diese Weise die vom Wissenschaftsrat anlässlich der Finanzierung der Forschungsstandorte Adlershof und Golm geforderten 85.000 Studienplätze in Berlin vorweisen zu können.
Was kümmert es da die Politiker, ob künftig an den Universitäten noch genügend qualifizierter wissenschaftlicher Nachwuchs in den Zukunftstechnologien (z.B. Physiker, Biochemiker, Genetiker, Bioinformatiker) ausgebildet werden können. Dafür gibt es ja die green-card!
Dietrich Herold
Leiter der Fachbereichsverwaltung
des Fachbereichs Physik
|