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[Ausgabe 3-4-2001]

 
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[Das Universitätsarchiv besticht durch einen neuen Service]

Menschen, deren Lebenstraum sich erfüllt, wirken auf heitere Weise gelöst. Wie Dr. Michael Engel, der neue Leiter des Universitätsarchives, das vor wenigen Wochen „wieder eröffnet“ wurde. „Eigentlich ist das Wort wieder eröffnet ja falsch“, hatte Michael Engel – ungewohnt für viele im blauen Anzug – der versammelten Festgemeinschaft erklärt. Denn das Archiv gibt es bereits seit 1970. Doch mit dem Wechsel von Dr. Armin Spiller zu Michael Engel hat sich einiges verändert, wie die Besucher sogleich feststellen konnten. Hatte sich sein Vorgänger Spiller mit „missionarischem Eifer“ um das Archivieren und Sammeln von Material vor 1970 bemüht, kommt es Engel vor allem auf die Benutzerfreundlichkeit und den Service an.

„Als ich im Mai vergangenen Jahres kam, fand ich nur Sperrmüllmöbel und Zimmer mit eng gestellten Regalen vor“. Das Gebäude in der Boltzmannstraße wies bauliche Mängel auf, die elektrischen Anschlüsse waren nicht mehr auf dem neuesten Stand. Kurz um, es galt ein düsteres Kellerverlies in lichte Räume zu verwandeln. Monatelang gaben sich Maler, Maurer und Elektriker im Archiv die Klinke in die Hand, 300 Meter laufende Regale wurden abgebaut, eine EDV-Anlage installiert, Bilder an die Wand gehängt und ein moderner Lesesaal mit zehn Plätzen geschaffen, der ungestörtes Forschen erlaubt.

„Die meisten Anfragen haben wir derzeit noch von Leuten, die eine Studienordnung suchen, einen Nachweis ihrer Studienzeit für die Rente benötigen oder einen Ersatz für ihr verlorengegangenes Diplom brauchen“, meint Engel und erzählt von der guten Zusammenarbeit mit den Prüfungsbüros. Erst an zweiter Stelle stehe das wissenschaftliche Interesse.

Das liegt nicht zuletzt an der verschlungenen Geschichte. Erst 1970 entstand unter dem ersten FU-Präsidenten, Rolf Kreibich, der Wunsch nach einem eigenen Universitätsarchiv. Die Zeiten für ein solches Unternehmen waren alles andere als gut: Misstrauen und Angst bestimmten den Alltag vieler Universitätsmitglieder nach 1968. Oft hatten die Fachbereiche kein gelerntes Verwaltungspersonal, so dass es häufig genug dem Zufall überlassen blieb, was in das Universitätsarchiv gelangte und was nicht.

In den Tiefen des Universitätsarchivs

„Mit unermüdlichem Einsatz hat Armin Spiller Lücken der Gründungsphase durch Zeitungsausschnitte und Kopien auswärtiger Dokumente ergänzt“, lobt Engel die Arbeit seines Vorgängers, des ersten Archivars an der Freien Universität. Einer alleine konnte die Mammutarbeit nicht schaffen, weshalb Engel froh ist, von einem motivierten Team an Mitarbeiterinnen unterstützt zu sein. „Zunächst werden wir den Bestand mit EDV erfassen und Findbücher anlegen“, beschreibt Engel die Aufgaben der nächsten Zeit. Gleichzeitig hofft er darauf, von den Fachbereichen wichtiges Material, wie Prüfungsordnungen und Geschäftsakten, insbesondere auch persönliche Handakten zu erhalten.

Es gehört dabei zu den Merkwürdigkeiten der Freien Universität, dass es für die Zeit um 1968 ein eigenes Archiv, das APO-Archiv von Dr. Siegward Lönnendonker gibt. Natürlich werde er sobald es geht Kontakt mit Herrn Lönnendonker aufnehmen, sagt Engel und setzt symbolische Zeichen: Während im Lesesaal der erste Rektor der FU, Friedrich Meinecke, an der Wand hängt, schmückt das darauf folgende Büro ein Porträt von Otto Hess, einem Gründungsstudenten der FU. Im dritten Raum hingegen hängt ein Foto von einer Vollversammlung, wie sie in den bewegten siebziger Jahren an der FU typisch war.

Dann wird es im Lesesaal dunkel. „Sehen Sie“, raunt Prof. Dr. Naumann, „jetzt bekommen wir einen Vortrag von einem echten Wissenschaftshistoriker“. Und tatsächlich gelingt es Michael Engel mit wenigen Worten die Zuhörer in seinen Bann zu ziehen, als er über die Geschichte des Hauses spricht, in dem das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik saß. Lange Zeit hatte das Gebäude zur Mythenbildung Anlass gegeben, mal hieß es, in dem stattlichen Turm seien gefährliche Viren gezüchtet worden, ein anderes Mal war von dem Haus als Zentrum eines Spionagerings die Rede. Die Wirklichkeit scheint hingegen weit weniger spektakulär, auch wenn drei Nobelpreisträger hier zeitweise arbeiteten. Zu Beginn der dreißiger Jahre will die Rockefeller-Foundation die Experimental-Physik finanziell unterstützen. Der zweite Direktor, der Holländer Peter de Debye träumt zugleich von einer repräsentativen Dienstvilla mit Obstbaumgelände und Zwiebelturm am Institutseingang. Wichtig ist ihm auch die im Turmbau installierte Hochspannungsanlage, eine Art einfacher Beschleuniger. Immer mit Zigarre bewaffnet, stets als Gentleman gekleidet, interessiert sich Debye zwar für Naturwissenschaften, ist aber zu sehr Weltbürger, um sich im Detail zu verlieren. Das 1936 in Betrieb genommene Institut verwaist, bis schließlich Debys Assistenten die „Leitung“ des Instituts übernehmen. Als schließlich Otto Hahn und Lise Meitner am 22. Dezember 1938 die Kernspaltung gelingt, wird das Heereswaffenamt auf die Physiker im grünen Dahlem aufmerksam und übernimmt das Institut. Unter Direktor Werner Heisenberg wird das Institut am Turm um einen unterirdischen Anbau mit 2 Meter dicken Betonmauern erweitert. Ob hier allerdings je Großversuche stattgefunden haben, darüber schweigen die Akten, die sich inzwischen in dem Bunkerraum befinden. Nach dem Krieg nehmen die Berliner Wasserwerke den Gebäudekomplex in Besitz. Später ziehen das Institut für Experimentalphysik, sowie für kurze Zeit das Institut für theoretische Physik und das mathematische Institut ein.

Und als gäbe es im Leben keine Zufälle, begann hier das akademische Leben von Michael Engel, der in den frühen sechziger Jahren Chemie und Physik an der Freien Universität studierte. Sein Traum war es Archivar zu werden. Doch die Vernunft bewahrte ihn vor einem Geschichtsstudium und schenkte ihm ein Hobby: Die Beschäftigung mit Wissenschaftsgeschichte. Nach Diplom und Promotion schloss Engel eine Bibliothekarsausbildung an der Freien Universität an und wurde sogleich Fachreferent für Medizin, Pharmazie, Biologie und Chemie an der Universitätsbibliothek. „Da habe ich mir gedacht, dann kommst Du wenigstens an Bücher ran“, erzählt Engel. Die Auflösung der Berliner Medizinischen Zentralbibliothek wird zur Herzenssache und zu einem Gewinn für die Universitätsbibliothek. Durch Engels Hände geht so manches medizinische Rarium, viele Autographen bekannter Ärzte wie des Mediziners Ferdinand Sauerbruch. Nebenbei ist Engel unermüdlich wissenschaftlich tätig, wie man unter anderem in der 1984 erschienenen „Geschichte Dahlems“ nachlesen kann. „Meine Frau beschäftigt sich übrigens inzwischen auch mit Wissenschaftsgeschichte“, erzählt Engel fast beiläufig und zündet sich eine Zigarette an, sie schreibe gerade eine Dissertation über die Professionalisierung in der Chemie. Wer wollte da von Zufall sprechen.

Felicitas von Aretin

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