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von Felicitas von Aretin Deutschlands erster Professor für Paläobiologie heißt Frank Riedel. Seit Mitte Januar vertritt der 39-jährige dieses Fach am Institut für Paläontologie der FU Berlin. Was sich für den Laien nur nach weiterer Spezialisierung anhört, ist in Wahrheit das genaue Gegenteil: In der Paläobiologie gehen Biologie und Geologie eine besonders fruchtbare Verbindung ein. Doch trotz des weiten Forschungsgebiets, das diese Symbiose eröffnet, hat Riedel nicht versäumt, sich zu spezialisieren und sich so neben der internationalen Anerkennung eine Basis verschafft, die ihm auch bei Forschungen außerhalb seines Spezialgebietes zugute kommt. Die Gastropoden sind sein Steckenpferd geworden: Schnecken und besonders die Süßwasserschnecken haben es ihm seit seiner Diplomarbeit angetan, für die er Ende der achtziger Jahre auf eigene Kosten an den Tanganjika-See in Ostafrika reiste. Doch diese Begeisterung für Seen, nicht nur als Lebensraum von Wasserschnecken, sondern als komplexe Ökosysteme, die es in ihrer Evolution zu verstehen gilt, war nicht vorgezeichnet: Zuerst lockten Riedel höhere Wellen als die Seen dieser Welt sie bieten können, und so ging er nach dem Abitur 1980 zuerst für vier Jahre zur Marine. Anschließend begann er in Hamburg Biologie zu studieren, merkte aber nach dem Vordiplom, dass ein Fach allein seine Neugier nicht befriedigen konnte und nahm die Geologie hinzu. Nach dem Biologiediplom 1990 erlangte er bereits zwei Jahre später den Doktorgrad. 1994 kam Riedel als Assistent an die Freie Universität nach Berlin und konzentrierte seine Forschungen von nun an auf den See, der bis heute einen Schwerpunkt seiner Arbeit bildet: Den Baikalsee. Die fortwährende Beschäftigung mit der Evolution dieses Ökosystems, dessen 25 Millionen Jahre währende Vergangenheit in Verbindung mit den niedrigen Wassertemperaturen die Entwicklung einer einzigartigen Fauna und Flora bedingte, hat auch ganz praktische Gründe. Man muss kennen, was man schützen möchte., sagt Prof. Riedel angesichts der Tatsache, dass der Baikalsee von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde. Nach mehr als fünf Jahren Forschung an diesem See, der die sich langsam vergrößernde Spalte zwischen zwei auseinanderwandernden tektonischen Platten füllt und daher vielleicht irgendwann zu einem neuen Ozean heranwachsen könnte, kann die Arbeitsgruppe um Professor Riedel zahlreiche wichtige Ergebnisse vorweisen. So konnte beispielsweise der Riesenwuchs zahlreicher Arten im Baikalsee von Riedel erklärt werden: Durch die niedrige Wassertemperatur führen diese Arten im Baikalsee ein im Vergleich zu ihren Verwandten außerhalb des Sees wesentlich längeres Leben und durchlaufen damit auch eine verlängerte Phase des Größenwachstums. Die Arbeit am Baikal wird weitergehen, doch Riedel sieht bereits eine größere Perspektive: Neben bereits laufenenden Projekten in China und am Kaspischen Meer, sind Forschungen auch am Aralsee und in der Mongolei geplant. Letztendlich will er an der FU ein interdisziplinaräres Zentrum für Ökosystemdynamik in Zentralasien einrichten, in dem auch die Aktivitäten anderer zu dieser Region forschenden Gruppen an der FU gebündelt werden könnten und somit ein schnellerer Wissensfortschritt ermöglicht würde. Doch solch instituts- und fächerübergreifende Arbeit muss auch koordiniert werden, damit sie zum Erfolg führt. Deutschlands erster Professor für Paläobiologie wäre auch für diese Aufgabe gut gewappnet, denn für Riedel ist Interdisziplinarität kein leere Worthülse: Er praktiziert sie seit dem Studium. Manchmal ist der Fortschritt halt eine Schnecke. Niclas Dewitz |
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