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Von Dozenten dieser Art kann es an einer Universität nie genügend geben – ein Dozent, der es schafft, innerhalb kürzester Zeit die Studierenden zum Reden und Diskutieren zu bringen und sich dabei auch noch für die Meinung seiner Kursteilnehmer interessiert. Die Rede ist hier von dem amerikanischen Schriftsteller, Journalisten und Drehbuchautor Scott Bradfield, dem derzeitigen Samuel-Fischer-Gastprofessor am Seminar für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Freien Universität.

Es ist die erste Seminarstunde. Knapp 30 Studierende und Gäste sitzen in dem kleinen Seminarraum im Hüttenweg und warten gespannt auf „den Neuen“. Dieser erscheint – ganz konventionell – mit Schlips und Anzug und verteilt – ganz unkonventionell – Karteikarten, auf denen die Kursteilnehmer nicht nur ihre Namen, Studienfächer und Jobs angeben sollen, sondern auch ihre drei Lieblingsbücher. Etwas verwundert und eher skeptisch werden die Karten erst einmal zur Seite geschoben. Die Studierenden warten auf eine Einführung des Dozenten, auf die Literaturliste und mögliche Referatsthemen. Doch dafür interessiert sich der Gastprofessor nicht. Nein, er gibt erst einmal Hinweise, wie Studierende über das Internet preiswert Second-Hand-Bücher beziehen können. Denn, so der Schriftsteller, Bücher sollten, gerade bei Literaturstudenten und -studentinnen, part of the furniture sein.

Free University of Berlin. Scott Bradfield liebt diesen Namen, denn genauso frei fühlt er sich an dieser Universität. Hier hat er keine Verpflichtungen: keinen klassischen Lesekanon, an den er sich zu halten hat; keine regelmäßigen papers, die die Studierenden alle paar Wochen einreichen müssen; nichts. Nicht umsonst hat er Berlin gewählt: „Ich wohne nur dort, wo ich schreiben kann. Als Grenzgänger zwischen Literatur und Trash sieht der 45-jährige sein Seminar Literature and Crap in American Pop Culture – What We Like to Read and What We‘re Supposed To als Alternative zu den konventionellen Universitätsveranstaltungen, deren Ziel es ist, Kenntnisse ausschließlich über einen klassischen Lesekanon zu vermitteln. Bradfield vombiniert deshalb in seinem persönlich ausgewählten Kanon „hohe“ und „niedrige“ Buchkultur und hinterfragt, ob Welt- und Schundliteratur nicht vielleicht mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufweisen. Seiner Meinung nach haben „hohe“ Literatur und Schund viele Themen gemeinsam, und auf allen Feldern gibt es gute Autoren. Um das Verhältnis zwischen Welt- und Schundliteratur zu veranschaulichen, vergleicht er es mit den beiden letzten amerikanischen Präsidentschaftskandidaten George W. Bush und Al Gore: „Schauen Sie sich die beiden an: Wir erleben die bittersten Kämpfe zwischen zwei Männern, die absolut identisch sind: Beide sind miese Politiker und einfach nur geldgeil. Und so ist es auch mit „hoher“ Literatur und Trash: Sieht man mal genauer hin, erkennt man kaum mehr Unterschiede.“

Für sein Seminar hat Bradfield ein viel versprechendes Potpourri zusammengestellt aus Büchern von namhaften Autoren wie Toni Morrison und Thomas Pynchon, die er mit unbekannteren, „niederen“ Werken von Brian Moore oder Thomas M. Disch vergleichen möchte. Seine Methoden beschreibt Scott Bradfield als personal approach: „Ich bin Kalifornier und werde das tun, was alle Kalifornier am liebsten tun: Ich werde sehr viel über mich selbst sprechen. Ich bringe die Bücher mit, die mir gefallen, und dann sehen wir, wie sich darüber reden lässt.“ Diese Herangehensweise entspricht dem Schreiben seiner eigenen Bücher, denn beim Schreiben entdeckt Bradfield seine grotesken Romanwelten intuitiv, er lässt sich im Text treiben. Wenn er eine Geschichte beginnt, kennt er deren Ausgang selber noch nicht.

Weil in der ersten Stunde noch nicht über ein Buch gesprochen werden kann und der Dozent erst einmal seinen Kurs kennen lernen möchte, greift er neugierig zu dem Stapel Karteikarten, schlichtet den wilden Haufen und bemüht sich, deutsche Namen deutsch auszusprechen. „Please correct me, I really wanna learn.“ Dann geht er auf die Studierenden ein. Mit der einen spricht er über ihren ausgefallenen Nebenjob, mit dem anderen über seine Lieblingsbücher. Warum, weshalb, wieso hat genau dieses eine Buch eine solche Auswirkung auf sie oder ihn gehabt? Woher stammt die Faszination? Auf geschickte und doch einfache Weise gelingt es Scott Bradfield, selbst den Schüchternsten in ein Gespräch zu verwickeln, seine Meinung und Euphorie über ein Buch zu äußern – und dies sogar auf Englisch, auch wenn dies manchmal noch holprig geschieht.

Bradfields Gesprächsansatz können wir auf seinem handout nachlesen. Hier wendet er, der bereits an Universitäten in Kalifornien und Connecticut Dozentenerfahrungen gesammelt hat, sich mit Lesetipps an seine Studierenden: „Bitte versuchen Sie, jedes Buch wie ein LESER zu lesen.“ Sekundärliteratur steht bei ihm nicht an erster Stelle, stattdessen der individuelle Zugang eines jeden einzelnen zur Lektüre: „What are you looking for in it? Do you, or don’t you find it? Does it absorb you? Or is it hard work? Allow yourselves to think in simple terms about books and what you want from them. Risk sounding or feeling stupid.“

Gibt es einen schöneren Ansatz für das Literaturstudium, als sich auf diese Bradfield‘sche Weise in die Welt der Romanhelden fallen und das Werk einfach nur auf sich wirken zu lassen?

 
 
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