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von Felicitas von Aretin
Sein Interesse gilt dem Epochenbruch. Der Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit ist ein typisch europäisches Phänomen, erzählt Joachim Küpper, Professor für Romanistik und Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft an der Freien Universität. Denn wo sonst auf der Welt mündet eine von Religion und Mystik geprägte Epoche in der Aufklärung? Mit der ihm eigenen Lust am Denken spürt der neue Leibniz-Preisträger der Ablösung mystisch-religiösen Denkens in historiographischen, theologischen und philosophischen Texten nach. Der Schwerpunkt liegt auf italienischen, spanischen und französischen Autoren, die in der Zeit vom Ende des 13. Jahrhunderts bis in den Barock gelebt und gearbeitet haben. Besonders der italienische Humanist und Lyriker Petrarca hat es Küpper angetan: Er ist der erste postmittelalterliche Mensch, dessen Schriften Sie noch heute lesen können, ohne einen zeitlichen Abstand zu spüren, erzählt Küpper. Und in seiner Stimme schwingt ein Stück weit Begeisterung mit, die erahnen lässt, wie sehr der Recklinghauser von seinen Forschungsgebieten begeistert ist. Oder nehmen Sie Cervantes, fügt er hinzu und entwirft in wenigen Worten ein Bild vom depressiven katholischen Spanien des 17. Jahrhunderts, in dem Cervantes ein Außenseiter war. Dabei versteht er seine Zuhörer derart in Bann zu ziehen, dass man fast meint, die Feuer der katholischen Inquisition knistern zu hören. Wie kommt es zu einer Figur wie Cervantes?, fragt Küpper rhetorisch und unterstreicht seine Frage mit einer ausholenden Geste. Die Antwort darauf wird er erst in seinem Forschungssemester im kommenden Sommer finden, das er dem Spanier widmen will. Und Berlin. Küpper lehrt erst seit Anfang vergangenen Jahres an der Freien Universität und will deshalb sein Forschungssemester in der Hauptstadt verbringen. Bislang kam die Stadt zu kurz, für Theater, Kino, Konzert sei bisher kaum Zeit geblieben. Wohl aber für einige Ausflüge in exklusive Restaurants in Mitte. Berlin ist vermutlich zur Zeit die dynamischste Stadt in Europa, sagt der 48-jährige. Noch wohnt er in West-Berlin, besonders aber hat es ihm der Gendarmenmarkt und die neue Mitte angetan. Es tut mir in der Seele weh, wenn ich an dem Palast der Republik vorbei laufe, sagt der Architektur-Liebhaber mit fester Meinung: Mir wäre das Stadtschloss lieber. Anziehend an Berlin sei auch die gute Bibliothekssituation. Für sein Forschungsprojekt über Cervantes muss der Neu-Berliner nicht einmal die Stadt verlassen. Dem Ruf an die Freie Universität ist er gerne gefolgt, weil er einen Lehrstuhl an zwei Instituten wahrnimmt. Das verlangt Offenheit, vor allem aber Interdisziplinarität, die zum Wesen des Grenzgängers gehören. Ungewöhnlich für einen Romanisten beschäftigt sich Küpper mit allen drei großen romanischen Literaturen. Sein Interesse an romanischen Ländern wurde während der Schulzeit in Recklinghausen geweckt: Ein Schüleraustausch nach Dijon machte dem Gymnasiasten klar, dass in Frankreich ein besseres Lebensgefühl vorherrsche. Gegen den Willen der Eltern, die ihn lieber als Arzt oder Jurist gesehen hätten, schrieb er sich 1970 an der Universität Bochum für Romanistik und Geschichtswissenschaften ein. Studienaufenthalte in Paris und Toulouse folgten, bis man ihn in Paris für einen Muttersprachler hielt. Natürlich sei jedes der von ihm untersuchten Länder anders mit dem Epochenbruch umgegangen, betont der Junggeselle. Während in Frankreich die Aufklärungsphilosophie in der Französischen Revolution endete, nahm das restaurative Spanien stets einen Sonderweg ein. Geistig war die Restauration in Spanien eine Sackgasse, erzählt Küpper und weiß, wovon er spricht. Schließlich handelt seine in München eingereichte Habilitationsschrift über die Diskurs-Renovatio bei Lope de Vega und Caldéron. Die Moderne kam im Grunde erst mit Francos Tod, obgleich Spanien im 15. Jahrhundert durch die Entdeckung Amerikas mit der Neuen Welt konfrontiert worden sei. Die Spanier konnten den Neuheitsschock zunächst nicht überwinden, erzählt Küpper. Denn die Existenz der Neuen Welt revolutionierte das Weltbild der damaligen Zeit radikal. In der Bibel kommt Amerika nicht vor. Und dann waren die Spanier damit konfrontiert, dass es in der Neuen Welt höhere Berge, schönere Pflanzen und andere Tiere als in Europa gab, meint Küpper und ist mitten im Erzählen über ein Forschungsfeld, das ihm seit fünf Jahren nicht mehr aus dem Kopf geht: Entdeckungen. Anhand von Chroniken, die Entdecker während des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts über ihre Erlebnisse in der Neuen Welt verfasst haben, versucht Küpper heraus zu finden, wie die Konfrontation mit neuen Eindrücken das Denken Europas in der frühen Neuzeit in Frage stellte. Hier liegen Küppers historische Wurzeln. Schließlich hat er während der Bochumer Zeit bei dem bekannten Neuzeitler Hans Mommsen gehört. Auch der anspruchsvoll formulierte Forschungsansatz weist auf Küppers kaum verhohlene Liebe zur Geschichtswissenschaft hin: So will er die Diskursarchäologie nach dem Modell von Foucault produktiv mit der deutschen geschichtsphilosophischen Tradition zusammenbringen. Sauber aufgeschichtet finden sich Küppers Papierstapel in seinen Wandregalen wieder. Die wenigen Bücher in seinem Büro tragen Etiketten, die Signaturen sind im Computer. Kein Bild schmückt das bescheidene Büro in der Silberlaube. Wer Küppers Büro betritt, weiß was der Mann tut: konzentriert und effektiv forschen. Nur der Krach störe, weshalb der Pragmatiker Küpper bisweilen eine Sportschützen-Mütze trägt. Internationale Gäste müssen Sie natürlich vorwarnen, meint Küpper, wenn er auf den Zustand der Silberlaube zu sprechen kommt. Die 1,5 Millionen Mark Leibniz-Preisgeld will er zum Teil für die Ausrichtung internationaler Symposien in Berlin verwenden. Dazu aber braucht es Geld, schon weil die wissenschaftliche Elite einen anderen Standard als den der Silberlaube gewohnt ist. Auch das ein Bruch, den er von seinen rund zehn Wuppertaler Jahren als C4-Professor nicht gewohnt war. Doch jemand, der wie Küpper den Bruch zum Erkenntnisziel erhebt, zieht daraus Nutzen: Osteuropa kenne ich fast noch gar nicht, meint Küpper, St. Petersburg reize ihn schon lange. Osteuropäischen Forschern müssen wir Westdeutsche doch auf die Beine helfen, sagt er zum Schluss. Und hat schon wieder einen neuen Plan.
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