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[AS beschließt Rahmenkonzept zur Einführung neuer Studiengänge]

[Bild]

von Gisela Klann-Delius

Schon seit längerem wird das Thema Bachelor und Master als neue Studienabschlüsse an der Freien Universität diskutiert. Kontrovers ist weniger die Frage, ob die neuen Abschlüsse eingeführt werden sollen, sondern ob sie flächendeckend eingeführt werden und die bisherigen Abschlüsse ersetzen sollen. Auf dem Höhepunkt einer der zahlreichen öffentlichen Diskussionen entfuhr einem Redner der Satz: „Die neuen Studienabschlüsse müssen fleckendeckend eingeführt werden“.

Vorschwein statt Vorschein

Die Heiterkeit war groß, vor allem auf Seiten der Skeptiker, denn nun schien die wahre Intention dieser Reform zum Vorschein (von mir aus auch „Vorschwein“ vgl. S.Freud, GW Bd V) gebracht. Aber die neuere Forschung hat uns belehrt, dass Versprecher nicht unbedingt eine tiefere Bedeutung haben; dass die Fläche zum Fleck mutierte, hat damit zu tun, dass die Elemente des nächsten Wortes, also deckend, berechnet wurden und es in der Hitze des Gefechts zu einem schlichten Vorgriff kam. Den Skeptikern war der Versprecher nur recht, denn er artikuliert den bohrenden Verdacht, dass mit den neuen Abschlüssen Fehler, Versäumnisse, Lücken nicht behoben, vielmehr zugedeckt werden. Dass es mit Studium und Lehre nicht sonderlich gut bestellt ist, nehmen auch die Skeptiker an; nur ziehen sie andere Konsequenzen.

Betrachten wir kurz, was denn die Schwierigkeiten in Studium und Lehre sind, denen die Einführung der neuen Studienabschlüsse Remedur verschaffen soll: Die Studienzeiten sind zu lang, es gibt zu viele Studienabbrecher, die Universitäten sind überfüllt und werden es zunehmend mehr werden, Studiengänge sind häufig unübersichtlich und inhaltlich überfrachtet, das Studium ist meist praxisfern, ein Studium im Ausland verlängert die Studienzeit vor allem wegen der schwierigen Leistungsanerkennung. Diese Probleme sind altbekannt. Warum werden sie derzeit als derart dringlich propagiert, dass Reformen erwogen und oder bereits erprobt werden?

Antworten auf diese Frage, die immer wieder gegeben werden, lauten: Wir befinden uns auf dem Weg in eine wissensbasierte Gesellschaft, in der es
entscheidend darauf ankommt, Wissensbestände zu strukturieren und für die Lösung anstehender Probleme intelligent zu nutzen; nicht das Wissen selbst, sondern der Umgang mit komplexen Wissensbeständen in unterschiedlicher medialer Form ist gefragt. Ein weiteres Schlagwort in diesem Kontext ist das der Globalisierung, d.h. der die nationalen Departmentalisierungen sprengende weltweite Fluss von Information, Waren, Geldströmen, die Konstitution neuer Märkte und persönlicher Bindungssysteme; deren rasche Entwicklung und flexible Neuformation lassen erwarten, dass Qualifikationen permanent neu adaptiert werden müssen. Wer sich im Zeitalter der Globablisierung behaupten will, tut gut daran, sein Wissen zu internationalisieren. Verbunden mit dem Internationalisierungs- und Globalisierungsargument ist das der Europäisierung, die auch als politische Antwort auf nationalstaatliche Entgrenzung bewertet werden muss.

Sollen die neuen Studienstrukturen und Abschlüsse darauf eine adäquate Antwort bieten, müssen sie in besonderer Weise der Internationalisierung und der Veränderung von Qualifikationszielen Rechnung tragen. Kennzeichen der neuen gestuften Studienabschlüsse sind die Modularisierung der Studieninhalte, die „Verrechnung“ von Studienleistungen nach dem europäischen Kreditpunktesystem (ECTS) und die Einführung überfachlicher Studieninhalte. Das sind zunächst sperrige Begriffe. Sie lassen sich wie folgt erläutern. Mit dem Reformelement der Modularisierung, das wohl das höchste reformerische Potential birgt, ist beabsichtigt, die Inhalte eines Studiums in inhaltlich aufeinander abgestimmte Elemente des Faches zu organisieren. Dies soll so geschehen, dass im Verlaufe des Studiums ein eigenes Wissenssystem im Kopf der Studierenden entstehen kann, in dem sie die in der modularen Architektur des Studienangebotes enthaltene Fachsystematik eigenständig nachvollziehen. Auf Grund dieser Erfahrung können sich Studierende Fachinhalte selbständig, systematisch und mit Erkenntnisgewinn zur Lösung anstehender Probleme erschließen.

Gelernt werden soll, wie gelernt werden kann. Dies gilt als unabdingbare Voraussetzung für kreative Problemlösungen im Berufsleben oder in der Weiterbildung. Die Integration überfachlicher Qualifikationen bietet hierzu eine Ergänzung, denn mit ihnen soll die in allen beruflichen Anwendungsfeldern geforderten Fähigkeiten der Kooperation, der sachangemessenen Argumentation und sprachlichen Vermittlung sowie des kompetenten Umgangs mit Informationstechnologie im Verlaufe des Studiums erworben werden. Die Vermittlung von überfachlichen Qualifikationen in universitären Veranstaltungen und in studienbegleitenden Praktika soll Studierenden im Rahmen eines fachlich fundierten Studiums ermöglichen, sich die für eine spätere Berufstätigkeit erforderlichen Fähigkeiten anzueignen. Die Berufsorientierung des Studiums richtet sich daran aus, dass sich künftig weit mehr Studierende an den Hochschulen immatrikulieren werden, sodass Universitäten nicht mehr alleine Stätten der Qualifizierung ihres eigenen Nachwuchses sein können.

Hinzu kommt, dass nicht alle Studierende eine wissenschaftliche Karriere anstreben und sie auch eine berufsorientierte Ausbildung von den Universitäten erwarten. Die Bewertung der Studienleistungen mit dem ECTS sowie die Gliederung des Studiums in eine mit einem Examen abgeschlossene Bachelor- und eine darauf aufbauende Master-Phase tragen dazu bei, den Studierenden den Wechsel an europäische wie außereuropäische Universitäten zu erleichtern. Inzwischen sind Bachelor- und Masterabschlüsse weltweit vorherrschend, zudem haben die europäischen Bildungsminister in der Bologna-Erklärung diese Struktur empfohlen, da sie zur Harmonisierung des europäischen Bildungssystems beiträgt. Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Konzeption der neuen Studienabschlüsse lässt erwarten, dass sie eine angemessene Antwort auf die veränderten Anforderungen an universitäre Ausbildung bieten. Dies ist jedoch nicht notwendig so. Denn Flexibilisierung und Modularisierung des Wissens sowie generalisierte Kompetenzen lassen sich nicht ohne systematischen Bezug auf das jeweilige fachwissenschaftliche Bezugsfeld vermitteln. Die modulare Organisation des Wissens muss also auf die Art des Wissens abgestimmt werden.

Jenseits von Managermagazinen

Überfachliche Kompetenzen lassen sich schwerlich fachfern erwerben, wenn diese nicht zu beliebigen Übungen in Rhetorik auf dem Karriereratgeberniveau von Managermagazinen oder Frauenzeitschriften verkommen sollen.

Eine fachwissenschaftlich angemessene Modularisierung und ein darauf bezogenes Angebot an überfachlichen Qualifikationen wird den Prüfstein dafür abgeben, ob die neuen Studienstrukturen tatsächlich eine angemessene Antwort auf die veränderten Qualifikationsziele und Qualifikationsbedingungen bieten. Dies muss sich auch daran zeigen, ob die Absolventen der neuen Studiengänge Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben werden. Nicht nur hier wird mit Anpassungsprozessen zu rechnen sein. Die Frage, ob Bachelor- und Master-Studiengänge flecken- oder flächendeckend an der Freien Universität eingeführt werden sollen, entpuppt sich somit weniger als eine Grundsatzfrage, sondern vielmehr als eine Frage der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Studiengänge. Wiewohl das Schwergewicht auf einer Verbesserung der Studienqualität liegen muss, sind die neuen Studienabschlüsse auch als Maßnahmen der Studienzeitverkürzung, der Reduktion der Studienabbrecherquoten und damit des Einsparens zu bewerten.

Dies sollte jedoch weder von den Befürwortern noch von den Skeptikern in den Mittelpunkt gestellt werden, da dadurch die Diskussion in die Schieflage einer Polarisierung zwischen flecken- vs. flächendeckender Reform gerät. Eine verkürzte Umsetzung der mit den gestuften Studiengängen beabsichtigten Ziele führt dazu, dass diese eher fleckendeckende Maßnahmen sein werden. Eine angemessene Umsetzung der Ziele dagegen kann – wenn diese von geeigneten Evaluationsprozessen begleitet wird – eine flächendeckende Einführung als notwendige Option erweisen.

Die an der Freien Universität bereits etablierten und die weiteren, nach der Verabschiedung des Rahmenkonzeptes im Akademischen Senat einzurichtenden Bachelor- und Masterstudiengänge werden dies zeigen.

Foto: Ausserhofer

 
 
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