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Erziehungswissen- schaftlerin untersucht Berliner Schulen Die Meilensteine der künftigen Internet - Entwicklung Laborbesuch in der Neurobiologie Interaktive Geometrie mit Cinderella Reinhard Selten an der FU - Besuch eines Nobelpreisträgers Werden wir die Photosynthese einmal wirklich verstehen können? |
Von Anke Ziemer Wichtige Voraussetzung für ein anerkanntes Schulprofil ist die Einbeziehung aller Beteiligten In Berlin herrscht Bildungsnotstand, doch Politikerschelte allein trifft den Kern des Übels nicht. Im Gegenteil, viele Probleme sind hausgemacht: Obwohl die Akteure in der Schule mehr Optionen denn je zur eigenständigen Profilentwicklung besitzen, nutzen sie diese bisher kaum. Die Vorwürfe sind bekannt: Anstatt zeitgemäße und fundierte Bildung zu vermitteln, auf eine multikulturelle und weltweit vernetzte Gesellschaft vorzubereiten, schneiden Berliner Schulen in Leistungsvergleichen mittelmäßig ab, fallen Lehrer immer häufiger aus und herrscht im Klassenzimmer oft ein rüder Umgangston. Pädagogen, Eltern, Schüler, Politiker und Wissenschaftler sind sich daher einig: Schulqualität muss verbessert werden. Doch welche Handlungsspielräume haben sie unter den geltenden rechtlichen und finanzpolitischen Voraussetzungen? Hinweise liefert Birgit Achterberg in ihrer kürzlich vorgelegten Studie "Schule in erweiterter Verantwortung". Mittels quantitativer Erhebung untersucht sie die administrative und pädagogische Praxis in den Bereichen Profilbildung, Organisationsstruktur und interne Evaluation. Hat die Senatsverwaltung für Schule, Berufsbildung und Sport in ihrem gleichnamigen Modellprojekt lediglich Schulleiter und Lehrer befragt, so kommen hier erstmals auch Eltern und Schüler zu Wort. Die 2371 vorliegenden Fragebögen aus insgesamt 184 Ost- und West-Berliner Grund- und Oberschulen bestätigen, dass Schulprofile oft als bloße Reaktion auf externe Bedingungen entstehen (z.B. Einzugsgebiet, Zusammensetzung des Kollegiums). Grundschulen in sozialen Brennpunkten sind fast ausschließlich sozialpädagogisch ausgerichtet. Schulen mit "unprägnantem" Umfeld reihen hingegen meist mehrere Schwerpunkte ohne Konzept aneinander. Zum musisch-künstlerischen oder mathematisch-naturwissenschaftlichen Schwerpunkt wählen sie z.B. Umwelterziehung oder die Integration behinderter und nicht behinderter Kinder. Von den Beteiligten wird Schule (in Schwerpunktbildung und pädagogischen Leitideen) grundsätzlich verschieden wahrgenommen und zugleich mit divergierenden Wünschen konfrontiert. Unterschiede existieren nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der einzelnen Schulformen (Grund-, Real-, Gesamtschulen, Gymnasien) und der jeweiligen Lehrer-, Eltern- und Schülerschaft. Am deutlichsten differieren sowohl Wahrnehmung als auch Erwartung in den Punkten "Wissensvermittlung auf hohem Niveau" (versus "Vermittlung von Basiswissen") und "Gestaltung der Schule als Lebensraum". In dem Einzelschulprofil einer Grundschule wird deutlich, dass immerhin die Mehrheit der Befragten (Lehrer und Eltern) das erklärte Profil ihrer Schule wahrnimmt Vermittlung von Basiswissen verbunden mit Gestaltung der Schule als Lebensraum. Zwei Drittel der Lehrer und ein Drittel der Eltern möchten diese Ausrichtung beibehalten, ein Drittel der Lehrer und zwei Drittel der Eltern hingegen wünscht sich Wissensvermittlung auf hohem Niveau. In einem Beispiel-Gymnasium erkennen Schüler, Lehrer und Eltern überwiegend die Wissensvermittlung auf hohem Niveau. Während Eltern und Schüler diese Zielrichtung mehrheitlich nicht aufgeben möchten, würden viele Lehrer eher die Persönlichkeitsentwicklung der Schüler fördern, verbunden mit der Gestaltung der Schule als Lebensraum. Die Hauptursache dieser Differenzen sieht Achterberg in der mangelnden Kommunikation und Kooperation zwischen den Akteuren. Ihrer Einschätzung nach ist unter allen Beteiligten das Bestreben, "aus einem Diskurs heraus eigenständig Programme zu entwickeln, noch weitgehend defizitär".
Am Problembewusstsein fehlt es indes nicht. Die Mehrzahl der Schulleiter, Lehrer, Eltern und Schüler urteilt übereinstimmend: Die wichtigsten Voraussetzungen für ein anerkanntes Schulprofil sind die engagierte Kooperation und der Konsens im Kollegium über die pädagogische Ausrichtung, die Einbeziehung aller Beteiligten sowie die selbständige Personalauswahl. Lediglich 7 % halten die Finanzen, nur 2 % jüngere Lehrer für entscheidend. Der nötige Diskurs über pädagogische Ziele verlangt effektive, sachbezogene Kommunikationsstrukturen zwischen allen Akteuren. Die Realität sieht jedoch anders aus: Konferenzthema Nummer Eins ist die Organisation des Schulalltags; Fragen der Profilbildung werden dort vergleichsweise selten thematisiert. Diese erörtern Lehrer meist in Dienstbesprechungen, von denen Schüler und Eltern aber ausgeschlossen sind. Letztere haben dadurch nicht nur keine Möglichkeit zur Mitbestimmung, sondern sind auch nicht aktuell informiert. Daraus ergibt sich die Frage, ob die vorgegebenen demokratischen Strukturen in der Praxis nicht zum Teil unterlaufen werden. Wenn es um die Weiterentwicklung der pädagogischen Ziele geht, sollten die vorhandenen Gremien als Diskussionsort genutzt werden. Um für die Verständigung zwischen Lehrern, Eltern und Schülern über das Schulprofil ausreichend Raum zu schaffen, schlägt die Autorin mehrere Änderungen vor:
Die pädagogische Ausrichtung wird in erheblichem Maße von der Zusammensetzung des Kollegiums bestimmt. Obwohl derzeit die Schulen nicht eigenständig ihr Personal auswählen dürfen, nehmen 56,5% der Schulleiter Einfluss auf die Einstellung und sogar 63,6 % auf die Versetzung von Kollegen, um ein bestimmtes Profil zu erhalten oder herauszubilden. Auf informeller Ebene ist es demnach möglich, die Zusammensetzung des Kollegiums bis zu einem gewissen Grad zu lenken. Die Untersuchung entstand im Rahmen der Berlin-Forschung eines Förderprogramms für junge Wissenschaftler/innen der FU am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Institut für Allgemeine Pädagogik, Arbeitsbereich Empirische Erziehungswissenschaft. Schulqualität in diesem Sinne ist umso höher, je besser die Akteure der Schule ihre selbst gesteckten Ziele erreichen können. |
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