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FU-Nachrichten 6-2000
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Von Jens Hübner

Die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts wäre "ohne den Einsatz von Computern hoffnungslos". Prof. Dr. Hans Lehrach, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin und Honorar-Professor an der FU spricht aus Erfahrung. Er war an der vor kurzem veröffentlichten Entschlüsselung des Chromosoms 21 – zusammen mit japanischen und deutschen Forschern – beteiligt. Nach Meinung des Geschäftsführenden Direktors des Instituts für Informatik an der FU, Prof. Dr. Raúl Rojas, reichen die im traditionellen Informatikstudium vermittelten Kenntnisse im Biotechnologie-Sektor aber nicht aus: "Ein Bioinformatiker kann kein Informatiker sein, der mal etwas von Biomolekülen gehört hat. Ein Bioinformatiker ist jemand, der tief in der Materie steckt und die Sprache der life sciences und der Informationsverarbeitung spricht."

Aber nicht nur bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms spielt die Bioinformatik eine Rolle. In vielen anderen Bereichen wie z.B. der Medikamentenentwicklung oder bei der Erforschung der Funktionsweise des Gehirns ist man auf die Informatik angewiesen. Das menschliche Gehirn besteht aus 100 Milliarden Zellen, wobei jede einzelne mit 10.000 anderen über Synapsen verbunden ist. Man kommt hierbei also in einen Bereich von 1015 Verknüpfungen, die simuliert werden müssen.

Bei diesen riesigen Datenmengen wären die Forscher ohne die Informatik verloren. Alle bisher auf dem Gebiet der Biotechnologie arbeitenden Informatiker sind laut Prof. Dr. Ferdinand Hucho (FU-Biochemie) praktisch Autodidakten. Es gibt in Deutschland zwar schon mehrere Universitäten, an denen der Diplomstudiengang Bioinformatik angeboten wird, bis jetzt hat aber noch kein einziger Student einen fertigen Abschluss. Der Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Christoph Stölzl, begrüßt in einer Mitteilung vom 25. Mai denn auch die Initiative der FU, "die einen Abschluss bereits nach 6 Semestern vorsieht." Dadurch können schon im Sommer 2003 die ersten Spezialisten mit einem Bachelor in Bioinformatik auf den Arbeitsmarkt kommen.

Die Veranstaltungen des Bachelor-Studienganges sind in insgesamt 12 Module unterteilt. Diese Modularisierung soll die Anrechnung schon erbrachter Leistungen aus anderen Studiengängen systematisieren und erleichtern. Der Lehrplan sieht Veranstaltungen aus Bereichen der Informatik und Mathematik, der Biochemie, Molekularbiologie und Genetik sowie der Physiologie vor. Dazu kommt noch das Fach "Ethische und rechtliche Grundlagen" und Wahlfächer im Umfang von ca. acht Semesterwochenstunden. Eingeplant ist noch ein achtwöchiges Berufspraktikum und die Bachelor-Arbeit, die zusammen mit einem Software-Praktikum am Ende des Studiums angesiedelt ist. An Stelle einer Abschlussprüfung treten die mit credits (Leistungspunkte) bewerteten studienbegleitenden Leistungsnachweise. Mit 180 credits bekommt man den Grad "Bachelor of Science in Bioinformatics" verliehen.

Wer diesen nachweisen kann, hat dann die Möglichkeit, noch seinen Master zu machen. Hierbei müssen zwei von vier Studienbereichen gewählt werden, wobei einer den Schwerpunkt bildet. Das Forschungspraktikum und die Master-Arbeit müssen aus dem Schwerpunktbereich stammen.

"Die Studenten sind schon jetzt heiß begehrt", versichert Raúl Rojas. Er schätzt die Zukunft des Studienganges über die dreijährige Erprobungszeit hinaus als exzellent ein: "Wir sind zum Erfolg verdammt, und ich glaube auch, dass andere Universitäten unser Modell übernehmen werden." Zudem öffne der neue Studiengang der FU auch neue Möglichkeiten der Drittmitteleinwerbung, insbesondere bei der Pharmaindustrie.

Die Biotechnologie und die Pharmaindustrie spielen in Berlin sowohl auf wirtschaftlichem als auch auf wissenschaftlichem Gebiet eine große Rolle. Es kommt immer wieder vor, dass Firmen aus einem Forschungsprojekt heraus gegründet werden. Im Oktober 1997 entstand z.B. das Pharmaunternehmen Noxxon, das von zwei Biochemikern der FU gegründet wurde. Professor Lehrach schätzt, dass seit dem Start des Genomprojektes 1996 bis zu zehn Firmen im Biotechnologie-Sektor gegründet wurden. Die Ballung von wissenschaftlichen Einrichtungen, wie sie in Berlin existiert, ist laut Lehrach selbst in Europa und Amerika selten. In Berlin und näherer Umgebung sind Einrichtungen wie das Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik, das Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik mit dem angeschlossenenen Ressourcen-Zentrum des Deutschen Humangenom-Projekts und das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin angesiedelt. Diese Einrichtungen sind zusammen mit der Freien und der Humboldt -Universität im "Netzwerk Bioinformatik und Theoretische Biologie in Berlin" organisiert, in das auch der neue Studiengang eingebunden werden soll. Einzelheiten zu diesem Netzwerk werden wahrscheinlich erst nach der Entscheidung des Hauptausschusses der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im September bekannt werden. Die DFG hatte im letzten Jahr eine "Initiative Bioinformatik" mit dem Ziel ausgeschrieben, die "internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bioinformatik in Deutschland nachhaltig zu stärken". Über einen Zeitraum von fünf Jahren sollen insgesamt bis zu 50 Millionen DM für die besten Konzepte bereitgestellt werden. Nach Einschätzung der DFG wird sich die Bio- und Genomtechnologie im kommenden Jahrhundert als eine der entscheidenden Schlüsseltechnologien etablieren. "Die Dynamik der Entwicklung auf diesem Gebiet, die in Wochen und Monaten gemessen werden muss, lässt keine Zeit zu zögerlichem Handeln", heißt es.

Bleibt zu hoffen, dass die Politik die Wichtigkeit der Ausbildung in diesem Sektor auch sieht, denn "in Deutschland ist der begrenzende Faktor im Bereich der Biotechnologie momentan die Anzahl der ausgebildeten Bioinformatiker", sagt. Dr. Peter J. Deuflhard, Professor für Scientific Computing an der FU und Präsident des Konrad-Zuse-Zentrums für Informationstechnik in Berlin, – und der Konkurrenzkampf zwischen den Ländern ist groß.

 
 
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