Thème / Programme
Es gibt zwei Momente, die das Denken der Moderne auszeichnen:
Zum einen dasjenige der Kritik, die allen Bindungen gilt, insbesondere
den latenten kultischen Überbleibseln und der homogenen Sinnstiftung
der Welt, die philosophisch unter dem Terminus der "Metaphysik"
kursiert. Zum anderen dasjenige der Krise, als die alle Gegenwart
verstanden wird: So ist der moderne Mensch beispielsweise entwurzelt,
ist proletarisiert und/oder entfremdet, usf. Es zeigen sich auch
Verbindungen der Momente von Kritik und Krise, insofern immer
wieder die Krise dessen behauptet wird, dem die Kritik gilt: Eine
Krise der alten Werte, der traditionellen sozialen Ordnungen,
der überkommenen Weltbilder, der Moderne selbst etc.
Das,
was mangels Begrifflichlichkeit mit 'Postmoderne' bezeichnet wird,
hat versucht, beide Momente zu überwinden. Weder wird die
eigene Zeit als Krise begriffen noch hofft man, die eigene Position
durch Kritik zu fundieren. Die so behauptete Souveränität
zehrt aber von den Momenten, die sie zu überwinden sucht.
Denn erst Kritik bringt Orte hervor, an denen ein Absetzen von
ihr möglich ist. Was vormals als Krisenerfahrung galt, wird
nun Normalität: die conditio humana als Wurzel der Unmöglichkeit
verstanden, die in der Moderne angestrebte Stabilität gesellschaftlichen
und überhaupt menschlichen Zusammenlebens zu erreichen.
So
steht weiter in Frage, was Kritik zu leisten vermag. Gibt es Kritik,
die als solche gelingt, oder ist alles Kritische im Grunde affirmativ
und untergräbt damit das eigene Vorhaben? Ist Kritik als
solche noch als Motivation philosophischer, künstlerischer
oder politischer Vorhaben erstrebenswert oder hat sie, wie manche
postmoderne Haltung es begreift, selbst als das Übel der
Moderne zu gelten, das nunmehr vermieden werden muß? Von
der neuzeitlichen Philosophie, insbesondere von der sogenannt
kritischen Kants oder der "Kritischen Theorie", bis zu Popkultur
und zeitgenössischer Kunst reicht das Spektrum, das wir zur
Diskussion vorschlagen. Dabei soll zum einen die Frage nach kritischen
Potentialen und nach dem Sinn von Kritik im Zentrum stehen. Auch
die Krisenerfahrung ist aber aus den zeitgenössischen Gesellschaften
nicht verschwunden. Insbesondere als Krise des Sozialen und seiner
Bindungskraft ist sie momentan in Westeuropa präsent. Sie
steht damit zum anderen im Fokus des Interesses. Mit der Frage
nach der Krise ist aber zugleich diejenige nach der Permanenz
der Krise gegeben. Es scheint sich um eine bestimmte Ordnung zu
handeln, die die eigene Zeit als Krise erfahren oder konzipieren
läßt. So wäre sie nicht nur postmodern, sondern
schlechthin die Normalität und ihr Begriff zuletzt nicht
aufrecht zu halten.
Programme
LUNDI / MONTAG, 13.7.1998
matin / Vormittag
Frauke A. Kurbacher (Münster): Krise, Kritik und ihr
Prinzip: zu einer möglichen Aktualität von Urteilskraft
APRÈS-MIDI / NACHMITTAG
Peter Keicher (Cambridge): Sinn und Unsinn des Philosophierens
bei Ludwig Wittgenstein
Patrick Hofmann (Leipzig): Enttäuschung der Philosophie
MARDI / DIENSTAG, 14.7.1998
MATIN / VORMITTAG
Anita Kernwein (Stuttgart): Michel Foucaults Beantwortung
der Frage: Was ist Kritik?
Thomas Klauck (Berlin): Von der Haltbarkeit einer Kritik
ohne Boden
APRES-MIDI / NACHMITTAG: libre / frei
MERCREDI / MITTWOCH, 15.7.1998
MATIN / VORMITTAG
Sebastian: René Char und Heidegger
Stefan Blank (Berlin): Kritisches Quantum Base: Techno
APRES-MIDI / NACHMITTAG
Georg W Bertram (Gießen): Wem gilt die Kritik der
Dekonstruktion?
Manuel Pérez (Paris): De cri(e) à Riss. oder:
Comment entendre entre langues 'crisses'
JEUDI / DONNERSTAG, 16.7.1998
MATIN / VORMITTAG
Agata Zielinski (Grenoble): La phénoménologie,
une 'hérésie' ou la critique comme art de l'écart
Claudia Althaus (Siegen): Erfahrung und Kontingenz. Denken
im Kontext der Krise bei Hannah Arendt
APRÈS-MIDI / NACHMITTAG: libre / frei
VENDREDI / FREITAG, 17.7.1998
MATIN / VORMITTAG
Arndt Hoffmann (Bochum): Die Poesie und die Drogen. Eine
Projektskizze
Thilo Brinkmann (Dortmund): Bachelard und die Möglichkeit
der Kritik aus den Naturwissenschaften
APRES-MIDI / NACHMITTAG: discussion terminale
Organisation:
Georg W. Bertram (Berlin), Robin Celikates (Amsterdam), David
Lauer (Berlin). In cooperation with: Alessandro Bertinetto (Udine), Karen Feldman (Berkeley), Jo-Jo Koo (Dickinson), Christophe Laudou (Madrid), Claire
Pagès (Paris), Diane Perpich (Clemson), Hans Bernhard Schmid (Wien),
Contact:
evian@philosophie.fu-berlin.de
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