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[Wissenschaftler mit Leib und Seele - Von Klaus Hierholzer]

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Nach dem Tod des eminenten Berliner Physiologen Otto H. Gauer (1979) begann der Fachbereich Grundlagenmedizin mit der Suche nach einem qualifizierten Nachfolger, der die Tradition des Schwerpunktes „Kreislaufforschung“ fortführen und zugleich mit neuen Impulsen stimulieren sollte. Die Auswahl konzentrierte sich bald auf den 43-jährigen Peter Gaehtgens, der sich in Köln mit seiner Arbeit „Die Thermodynamik der terminalen Strombahn. Untersuchungen zur Analyse des peripheren Widerstandes im Bereich des mesenterialen Gefäßbettes“ habilitiert hatte. Zuvor war er zwei Jahre als Research Fellow am renommierten California Institute of Technology in Pasadena tätig gewesen und hatte sich mit Arbeiten über „Geschwindigkeitsmessungen und das Strömungsverhalten von Erythrocyten in Mikrogefäßen“ eine erste internationale Reputation erworben. 1983 erfolgte der Ruf auf die Professur in Berlin. Noch im selben Jahr bezog Gaehtgens mit einigen Mitarbeitern sein neues Institut.

Gaehtgens Arbeiten dokumentieren, dass sich sein Hauptinteresse weiterhin auf das Gebiet der Fließeigenschaften des Blutes konzentrierte. Er untersuchte die Blutströmung in Kapillaren, besonders auch in Venolen, vor allem an Bifurkationen (Gefäßverzweigungen) und deren Einfluss auf den lokalen Hämatokrit. Dies hatte die Entwicklung neuer methodischer Ansätze zur Voraussetzung. Gaehtgens war es gelungen, photometrische Verfahren für seine Studien im Mikrobereich zu adaptieren. Die Abhängigkeit der Blutdurchströmung und der Blutviskosität wurde an verschiedenen biologischen Modellen untersucht, z.B. in Vergleichen von Säuger- und Vogelblut. Diese und viele weitere Studien legten die Basis für die quantitative Analyse der Mikrozirkulation im Mesenterialbereich, für die Erfassung des Einflusses körperlicher Arbeit auf die Durchblutung der Skelettmuskulatur und vieles andere mehr. Von besonderem pathophysiologischen Interesse waren die Untersuchungen über die Beeinflussbarkeit der Durchblutung des Augenhintergrunds durch Veränderung der Blutviskosität. Viele weitere bearbeitete Themen wären zu nennen, z.B. Untersuchungen über Angiogenese (Bildung von Gefäßen) und Struktur des Gefäßnetzes oder über das rheologische und funktionale Verhalten von Leukocyten in der terminalen Strombahn. Wichtig scheint es mir, darauf hinzuweisen, dass Gaehtgens früh die moderne Entwicklungen der Biowissenschaften erkannte und zusammen mit seinen Mitarbeitern A. R. Pries, K. Ley, B. Walzog u.a. begann, molekularbiologische und genetische Methoden in seine Arbeiten mit einzubeziehen.

Die Qualität und Akzeptanz der Arbeiten von Gaehtgens und seinen Mitarbeitern wird am besten belegt durch die vielen wissenschaftlichen Zeitschriften mit internationalem Ansehen, die seine Befunde publizierten. Ein weiterer besonders wichtiger Qualitätsbeleg ist, dass sich selbständige Arbeitsgruppen um mehrere seiner Mitarbeiter in Berlin und an auswärtigen Universitäten bildeten.

Gaehtgens übernahm mit seinen Mitarbeitern aber nicht nur die Forschungslaboratorien seines Instituts und führte sie zu fruchtbarer experimenteller Arbeit, sondern er widmete sich mit großer Intensität der Lehre. In jenen Jahren war es schwierig, die Studenten zu motivieren und in Vorlesungen, Praktika und Laborprogrammen zur konstruktiven Mitarbeit zu bewegen. Gaehtgens hatte eine charismatische Ausstrahlungskraft, die die Studenten erreichte und motivierte. Außerdem hat er sich um die Intensivierung und stetige Erneuerung des studentischen Unterrichts, die Erneuerung der wieder eingeführten mündlichen Prüfungen in einem Kollegialverfahren, Stimulierung experimenteller Promotionsverfahren und die Einführung einer leistungsbezogenen Mittelvergabe im Institut und im Fachbereich verdient gemacht. Für letztere konnte er sich effizient einsetzen, weil er sich in den Jahren nach 1990 zunehmend universitätspolitischen Herausforderungen stellte und einen Weg beschritt, der ihn über das medizinische Dekanat und die medizinische Präsidentschaft schließlich zum Amt des Präsidenten führte.

Klaus Hierholzer

 

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