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[In memoriam Prof. Hans Herken]

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Das alte hebräische Wort „zachor = erinnere Dich“, das in der Bibel nach Yerushalmi 164-mal vorkommt, ermahnt die Menschen, Einsichten und Erfahrungen nicht zu vergessen, um sie als zeitlose und doch zukunftsweisende Orientierungshilfe nutzen zu können. Dieses Gebot wird jedoch, wie ebenfalls in der Bibel nachzulesen ist, selten beherzigt, zumal wenn administrativ tätiges Handeln im Vordergrund steht. Hans Herken ist eine der wenigen Persönlichkeiten, die sich in ihrem langen Leben und Wirken an das biblische „zachor“ gehalten und sich auf diese Weise bleibende Verdienste und Dank erworben haben. Das lässt sich für Hans Herken mit seiner Tätigkeit als Wissenschaftler, in der Wissenschaftspolitik und in der Gesundheitspolitik belegen. Er ist am 21. März im neunzigsten Lebensjahr gestorben.

Der aus dem 2. Weltkrieg unversehrt entkommende, junge Privatdozent hat zusammen mit Herbert Remmer das damals aktuelle Thema, die Pathogenese des Hungerödems, bearbeitet. Aus diesen Studien entwickelte er die therapeutische Verwendung von Kationenaustauschern beim Ödem und erweiterte die Kenntnisse über die Regulation des Natrium-Wasserhaushaltes. Dieses Arbeitsgebiet schloss er 1969 mit der Herausgabe des Handbuches der experimentellen Pharmakologie XXIV „Diuretika“, in dem er selbst einige Aufsätze verfasste.

Eine zweite Forschungsrichtung ergab sich aus Berichten über Vergiftungen mit Insektiziden speziell des Hexachlorcyclohexans. Mit hirnelektrischen Untersuchungen und Analysen der verschiedenen Nukleotide hat Hans Herken versucht, den Wirkungsmechanismus der krampferzeugenden und krampfhemmenden Effekte dieser Substanzen zu klären. Diese Experimente weiteten sich aus zu Studien über Störungen zentralnervöser Funktionen durch Antimetaboliten des Nikotinamids. Sie konnten bis in die molekulare Ebene verfolgt und geklärt werden.

Die ersten Arbeiten über die Gewöhnung an Arzneimittel bzw. Hemmung des Stoffwechsels von Arzneimitteln 1956 haben weltweite Bestätigung und speziell durch H. Remmer nötige Ergänzungen gefunden.

In klarer Erkenntnis, dass klinische Forschung mit experimenteller eng verknüpft sein muss, hat Hans Herken bei der Gründung des Klinikums Steglitz (heute Klinikum Benjamin Franklin) durchgesetzt, dass je ein Lehrstuhl für Klinische Physiologie und Klinische Pharmakologie eingerichtet wurde. Dieser Initiative sind die meisten Universitäten Deutschlands gefolgt. Auch schon früh erkannte er, dass sich die Hirnforschung rasant entwickeln würde. Die Fakultät folgte seinem Vorschlag, einen Lehrstuhl für Neuro-Psychopharmakologie (heute Klinische Neurobiologie) zu errichten und mit dem Psychiater und Neurologen Selbach zu besetzten. 1967 konnte er innerhalb der Neurologisch-Psychiatrischen Klinik als selbständige Abteilung seine Arbeit aufnehmen. Diese Idee ist im Laufe der Zeit ebenfalls von vielen medizinischen Fakultäten aufgegriffen und umgesetzt worden.

Bis Dezember 1962 gab es in der Bundesrepublik Deutschland keine amtlich festgelegte Norm für die Prüfung neuer Arzneimittel. Auf Drängen der Vorsitzenden der Deutschen Pharmakologischen Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für innere Medizin, Hans Herken und Hans Freiherr von Kress, wurden von den Fachgesellschaften Richtlinien zur „Arzneimittelsicherheit“ ausgearbeitet und 1971 von der Bundesregierung erlassen. Nach dem Contergan-Unglück hat Hans Herken sich wieder mit Erfolg dafür eingesetzt, dass verstärkt über Schädigungen des Embryos durch Arzneimittel geforscht wird. Es gelang ihm, die DFG davon zu überzeugen, einen Sonderforschungsbereich mit dem Titel „Störungen der Embryonalen Entwicklung durch Arzneimittel“ in Berlin unter den Professoren Neubert und Merker einzurichten.

Vieles, was er mühsam aufgebaut und weiterentwickelte, hat sich bewährt, und seine Erfahrungen und Einsichten waren im Sinne des biblischen „zachor“ zukunftsweisend.

Prof. em. Dr. Helmut Coper,
Der Autor ist Neuropharmakologe und Gründungsstudent der Freien Universität


 

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