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[Aweti-Indianer zu Gast bei den Linguisten]

[Aweti]

Jakumin Kobayashi Aweti an der FU.

Dass man im November in Deutschland weder den Himmel noch die Sonne sehen kann überrascht wahrscheinlich nur Wenige. Doch der kleine, ganz in Schwarz gekleidete Mann mit dicken Winterschuhen hat so etwas noch nicht erlebt: Für Jakumin Kobayashi Awetí ist alles befremdlich in diesem kalten Land. Zwischen all den großen weißen Menschen wirkt der Häuptling der Awetí ein wenig verschüchtert. Doch als er zu sprechen beginnt, klingt die Stimme des Indianerchiefs aus Zentralbrasilien selbstsicher. Spätestens als er von seinem Dorf und seinem Volk erzählt, ist alle Schüchternheit weggeblasen. Kreisrund sei das Dorf mit einem großen Männerhaus in der Mitte. Dort trifft man sich zum Essen und Feiern, oder einfach nur zum Reden. Er selbst wohnt mit seinen zwei Frauen und seinen elf Kindern in einem vierzig Meter langen Haus, das ihm die Dorfbevölkerung baute, um ihn aus der Stadt wieder ins Dorf zurückzuholen. Denn als junger Mann war er in die Stadt gegangen, um Lesen, Schreiben und Portugiesisch, die Sprache der Weißen zu lernen. Als die Awetí einen neuen Häuptling brauchten, wollten sie jemanden, der sich auskennt, jemanden, der ihre Interessen in der Welt außerhalb des Reservats vertreten kann. In den fünfziger Jahren war das Volk durch Krankheiten der Weißen auf wenige Dutzend reduziert. Inzwischen zählt es wieder 120 Köpfe. Das Reservat liegt in den ausgedehnten Quellregion des Xingú-Flusses, eines der großen südlichen Zu-
flüsse des Amazonas.

Jakumin Kobayshi Awetí ist auf Einladung von Dr. Sebastian Drude an die FU gekommen. Seit 1998 erforscht und dokumentiert der Linguist die Sprache der Awetí. Jakumin, der seit acht Jahren Häuptling ist, ging vor fünf Jahren auf die Suche nach einem Fachmann, der an einer Fibel in seiner Muttersprache mitwirken sollte. So kamen er und Sebastian Drude zusammen. Der Berliner Forscher ist seither jedes Jahr für mehrere Monate bei den Awetí zu Gast. Er dokumentiert nicht nur deren Sprache, sondern auch ihre Kultur und Mythen. Seit 2000 unterstützt die Volkswagenstiftung im Programm „Dokumentation bedrohter Sprachen“ das Projekt. In Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut in Nijmegen soll ein digitales Archiv angelegt werden, in dem die Daten aus dem Leben der Awetí gespeichert werden. Die Bilder und die Tonaufnahmen erfordern einen sensiblen Umgang. Der Besuch des Häuptlings hatte das Ziel, Vertrauen zu schaffen, um die Awetí auch beim technischen Teil des Projektes mit einzubeziehen.

Isabel Pasch

Foto: Hertel

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