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[Der Chemiker Dr. Thomas Tuschl erhält den Otto-Klung-Weberbank-Preis 2002]

[Foto]

Man braucht „nur“ elegant ein Gen auszuschalten und schon wird man mit einem Preisgeld in Höhe von 25.000 Euro belohnt. Wenn Wissenschaft so einfach wäre...

Dem 36-jährigen Dr. Thomas Tuschl vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen ist es gelungen, eine einfache Methode zu entwickeln, um Gene in Säugetierzellen abzuschalten. Seine Technik, die RNA-Interferenz (RNAi), funktioniert viel schneller als bisher übliche Verfahren. „Um ein einziges Gen zu blockieren,“ sagt der Biochemiker, „ist vor kurzem noch jahrelange Arbeit notwendig gewesen.“ Mit seinem neuen Verfahren ist dies nun in ein bis zwei Wochen möglich. Innerhalb eines Jahres hat Tuschl es somit geschafft, den Laboralltag weltweit zu verändern.

Tuschls Arbeitsgruppe „Kombinatorische Biochemie“ wurde durch das Biofuture-Nachwuchsförderprogramm des Bundesforschungsministeriums ins Leben gerufen und im September 1999 am Max-Planck-Institut in Göttingen gegründet. Dort untersucht er mit klassischen biochemischen und kombinatorischen Methoden die Funktion von Ribonukleinsäuremolekülen (RNA), die als molekulare Bausteine essentielle zelluläre Funktionen ausführen, und Proteinen.

Für Tuschls Verfahren werden künstlich hergestellte kurze Erbgutmoleküle, so genannte „small interfering RNA“ (siRNA), in die Zelle eingebracht. Sie ähneln dem Ziel-Gen und unterbinden seine Übersetzung in Proteine. Alle anderen Gene werden dabei nicht berührt. Durch dieses „Knockout“ der Gene lässt sich deren Funktion in der Zelle besser verstehen. „Geht die Zelle dadurch zugrunde, weiß man, dass es sich um ein essentielles Gen handelt“, erläutert Tuschl. Mit dieser Technik können auch menschliche Gene gezielt untersucht werden. Der große medizinische Wert liegt darin, möglicherweise langfristig genspezifische Defekte beheben und Krankheiten behandeln zu können.

Das Prinzip der RNA-Interferenz beruht auf der Zerstörung der Boten-RNA (mRNA), die unter anderem von der Zelle als Bauplan für die Herstellung von Proteinen verwendet wird. Durch den Einsatz von doppelsträngigen RNA-Molekülen (siRNAs) wird die Interferenz-Maschinerie in der Zelle gestartet: Dabei definiert die Sequenz der siRNAs die zu zerstörende Region der mRNA, die dadurch nicht mehr als Bauplan für die Übersetzung in das entsprechende Protein dienen kann. Sie kann auch von der Zelle nicht mehr hergestellt werden. Dadurch soll in Zukunft die Produktion defekter Gene, die die Ursachen für Krankheiten sein können, unterbunden werden.

Für diese Leistung ist Dr. Thomas Tuschl mit dem Otto-Klung-Weberbank-Preis 2002, der zu den höchstdotierten Wissenschaftspreisen in Deutschland zählt, ausgezeichnet worden. In Wissenschaftskreisen gehört dieser Preis inzwischen zu den begehrtesten für junge deutsche Nachwuchswissenschaftler. Schaut man sich die Liste der bisher Prämierten an, weiß man, warum: Vier der Otto-Klung-Preisträger wurden im späteren Verlauf ihrer Karrieren mit dem wichtigsten aller Wissenschaftspreise gekrönt – dem Nobelpreis. Seit ihrer Gründung 1973 verleiht die Otto-Klung-Stiftung an der Freien Universität jährlich abwechselnd für Physik und Chemie den Otto-Klung-Preis; im Jahr 2001 das erste Mal in Zusammenarbeit mit der Fördergesellschaft der Weberbank gGmbH. Gegründet wurde die Otto-Klung-Stiftung 1973 als Vermächtnis des Berliner Kaufmanns Otto Klung (1893 – 1968). Klung brachte es vor allem nach dem zweiten Weltkrieg zu finanziellem Erfolg.

Der gelernte Maschinenbauer und graduierte Ingenieur bedauerte es zeitlebens, dass er keine Gelegenheit hatte, ein weiterführendes naturwissenschaftliches Studium zu absolvieren, das es ihm ermöglicht hätte, den Fortschritt in Wissenschaft und Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Durch sein Vermächtnis und die nach ihm benannte Stiftung gelang es ihm aber, einen bleibenden Beitrag zur Förderung herausragender junger Wissenschaftler in Deutschland zu leisten.

Ilka Seer

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