Zum 30. September 2002 ist Prof. Dr. Martin Jänicke aus dem Dienst der Freien Universität ausgeschieden. Als Leiter der Forschungsstelle für Umweltpolitik und stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrates für Umweltfragen (SRU) bleibt er jedoch weiter aktiv. Jänicke hat die politikwissenschaftliche Umweltdiskussion in Deutschland und in anderen Ländern maßgeblich beeinflusst. Der Vordenker in Sachen ökologischer Modernisierung und erfolgreicher Umweltpolitik wird sein Fachwissen auf internationaler Ebene weiterhin einbringen. Klimawandel, Artenverlust, Grundwasserverschmutzung oder Flächenverbrauch stehen für dauerhafte Probleme und hohen Handlungsbedarf in ökologischen Fragen.
Martin Jänicke vereinte in seiner Person Politikwissenschaft, Politikberatung und aktive Politikgestaltung. Von 1974 bis 1976 war er externer Berater der Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes, von 1981 bis 1983 saß er für die Alternative Liste im Berliner Abgeordnetenhaus, von 1992 bis 1996 war er Mitglied der Deutschen UNESCO-Kommission und seit April 1999 ist er SRU-Mitglied. Daneben war und ist er Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Beiräten von Forschungsinstituten, Stiftungen und Zeitschriften. Und in Berlin hätte er auch Umweltsenator werden können, wenn er gewollt hätte.
Ein Wissenschaftlerleben an der FU
Martin Jänicke ist an der Freien Universität groß geworden und ihr vier Jahrzehnte treu geblieben. Einen Ruf nach Tübingen (1975) lehnte er ab, die Berufung auf eine Professur an der TU Berlin scheiterte. Nach dem Studium der Soziologie wurde er Assistent an der Pädagogischen Hochschule Berlin für das Fach Politische Bildung. 1969 promovierte er und wurde anschließend Assistent bei Prof. Arnulf Baring am Fachbereich Politische Wissenschaft. 1970 folgte die Habilitation, seit 1971 war Jänicke Professor für Vergleichende Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut.
In den ersten Jahren seiner Hochschullehrer-Karriere widmete sich Jänicke der Vergleichenden Krisenforschung. Ab 1975 wandte er sich ökologischen Fragen zu und gab 1978 den vielbeachteten Sammelband Umweltpolitik heraus. 1979 folgte die Monographie Wie das Industriesystem von seinen Mißständen profitiert.
Im Wintersemester 1985/86 gründete Martin Jänicke gemeinsam mit Thomas Ranneberg und Lutz Mez die Forschungsstelle für Umweltpolitik (FFU), die sich schnell zu einem Institut mit etwa 25 Wissenschaftler(innen) und internationalem Renommee entwickelte. Der Wissenschaftsrat bedachte die FFU in seinem Gutachten zur Umweltforschung mit anerkennenden Worten. Der Mehrländervergleich und empirieorientierte Fallstudien im Sinne einer kritischen Policy-Analyse bilden den Kernansatz der Forschungsarbeiten, die in dieser Form in Europa ohne gleichen sind.
Die Berliner Schule der Umweltpolitikanalyse
Der an der FFU entwickelte Ansatz der institutionellen Verankerung in Forschung und Lehre bei thematischer Kontinuität wird als Berliner Schule der Umweltpolitikanalyse bezeichnet. Anfangs stand der wirtschaftliche Strukturwandel und seine Folgen für die Umwelt im Vordergrund. Schon in den 1980er Jahren skizzierte Jänicke das Konzept der ökologischen Modernisierung. Die strukturellen Schwächen des Staates analysierte er im Staatsversagen (1986). Dann rückten die Erfolgsbedingungen einer effektiven Umweltpolitik in den Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Die internationale Vernetzung der FFU mit Fachwissenschaftlern aus aller Welt schlug sich u.a. in den Editionen Successful Environmental Policy und Umwelt Global nieder. Im Zusammenhang mit dem Studiengang Umweltmanagement verfasste Jänicke zusammen mit dem Juristen Philip Kunig und dem Ökonomen Michael Stitzel das Lern- und Arbeitsbuch Umweltpolitik.
Obwohl Jänicke schon frühzeitig die Grenzen des nachsorgenden Umweltschutzes kritisiert und auf dauerhafte Umweltprobleme hingewiesen hat, interessieren ihn besonders Probleme und Wandlungsmuster von so genannten dirty industries. Sein aktuelles Forschungsinteresse gilt der Notwendigkeit und den Chancen einer ökologischen Industriepolitik. Die intensive Auseinandersetzung mit den institutionellen Voraussetzungen erfolgreicher Umweltpolitik, der Bildung von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Kapazitäten, um Umweltprobleme anzugehen und möglichst strukturell lösen zu können, wird Martin Jänicke auch in Zukunft jung erhalten.
PD Dr. Lutz Mez
Der Autor ist Geschäftsführer der Forschungsstelle für Umweltpolitik am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin.
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