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[Erstmals feiert die FU Berlin das Goldene Promotionsjubiläum]

Vor fünfzig Jahren promovierten die Studentinnen und Studenten der ersten Stunde an der 1948 gegründeten Freien Universität. Heute kehren einige von ihnen an ihre alte Alma Mater zurück, um ihr Goldenes Promotionsjubiläum zu feiern.

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Gründungsfeier der Freien Universität Berlin mit dem damaligen Berliner Bürgermeister Ernst Reuter im Titania-Palast am 4. Dezember 1948

„Natürlich habe ich zu einigen meiner Mitpromovenden noch Kontakt“, erzählt der in München emeritierte Sozialhistoriker Gerhard A. Ritter, der 1952 an der Freien Universität promovierte. Damals „bestand die FU ja eigentlich nur aus ein paar Häusern, und da stand Freie Universität dran“, ergänzt Ritters Mitstudentin Helga Grebing in dem Buch „Versäumte Fragen“. Sie verteidigte Anfang der fünfziger Jahre an der Freien Universität ihre Dissertation und wurde 1972 als eine der ersten Professorinnen auf den Lehrstuhl für Sozialgeschichte nach Göttingen berufen. Grebing hatte 1949 an die neu gegründete FU gewechselt, um ohne politische Indoktrination studieren zu können.

Gerhard A. Ritter kam nach vier Semestern Studium in Tübingen nach dem Ende der Blockade nach Berlin zurück. Es war der besondere Geist der Anfangsjahre, der Studierende aus Ost und West veranlasste, sich an dieser Universität zu immatrikulieren: So sprach es für die moralische Integrität der von Studenten mit gegründeten Universität, dass sich unter den Professoren auch Exilanten befanden. Der Meinecke-Schüler Hans Rosenberg, der 1933 in die Vereinigten Staaten emigrierte und als Gastprofessor an die FU kam, hat den Kreis um Ritter, Grebing, den späteren Tübinger Zeithistoriker Gerhard Schulz, und den Afrikaforscher Franz Ansprenger maßgeblich geprägt.

Familiäre Atmosphäre

Auch der Zeithistoriker Hans Herzfeld, der 1938 seine Stelle an der Hallensischen Universität verlor, wurde für Ritters Interesse an Politik und Zeitgeschichte mitbestimmend. „Im Friedrich-Meinecke-Institut herrschte damals eine fast familiäre Atmosphäre“, erzählt Gisela Ritter, die ihren Mann beim Geschichtsstudium kennen lernte. Und da Ritter nur zwei Häuser neben dem greisen Gründungsrektor Friedrich Meinecke wohnte, war es selbstverständlich, dem fast erblindeten Meinecke aus historischen Werken vorzulesen. „Er ließ keinen Fehler beim Vorlesen durchgehen, etwa wenn ich &Mac226;dreadnought‘ [schweres Schlachtschiff] falsch aussprach“, so Ritter.

1952 reichte der 23-Jährige eine Dissertation über die deutsche Arbeiterbewegung im Jahrzehnt nach Bismarcks Sturz ein und stellte damit wichtige Weichen für die deutsche Geschichtswissenschaft. „Nach den Prüfungen haben wir tüchtig auf die Pauke gehauen“, erinnert sich der gebürtige Berliner, der kurz darauf das Credo seines Mentors Herzfeld beherzigt und für einen Forschungsaufenthalt an das St. Antony‘s College ins englische Oxford wechselte. Seitdem unterhält Ritter intensive akademische Beziehungen zur angelsächsischen Welt, deren wissenschaftliche Themen und Fragen sein über fünzigbändiges Werk durchziehen und für seine Gastprofessuren in St. Louis, in Oxford, Berkeley und Tel Aviv wichtig waren.

1954 als Assistent an die FU zurückgekehrt, habilitierte Ritter 1961 bei Herzfeld; ein Jahr später, mit knapp 33 Jahren, war er ordentlicher Professor für Politische Wissenschaften an der FU. Nach Jahren in Münster übernahm er 1974 den Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte in München. Während all der Forschungs- und Lehrjahre engagierte sich Ritter in Wissenschaftsorganisationen und historischen Verbänden, wie von 1976 bis 1980 als Vorsitzender des Verbandes der Historiker Deutschlands. „Ehrungen allerdings ist Ritter gewohnt“, schreibt Wolfgang Hardtwig anlässlich Ritters Ehrenpromotion.

Goldene Promovenden

Erstmals wird an der Freien Universität das Goldene Promotionsjubiläum am Ernst-Reuter-Tag, dem 4. Dezember, gefeiert. „Hierfür haben wir rund 70 Promovenden des Jahrganges 1952 ausfindig gemacht, zwölf sind nach unseren Recherchen gestorben“, erzählt Irma Indorf vom Protokoll der Abteilung Außenangelegenheiten. Vierzig goldene Promovenden werden am 4. Dezember in einem feierlichen Festakt von FU-Präsident Prof. Dr. Peter Gaehtgens die goldene Promotionsurkunde erhalten. Dazu reisen die goldenen Promovenden, oft begleitet von ihren Familien, aus ganz Deutschland an, um sich nach Jahren wiederzusehen. „Unter den Promovenden sind viele Mediziner“, erzählt Irma Indorf, darunter der langjährige FU-Professor Dr. Karl-Otto Habermehl, der nach dem Krieg das Fach Virologie in Deutschland gründete und maßgeblich die Virusdiagnostik, insbesondere bei HIV-Erkrankungen, beeinflusste. Oder der zweite immatrikulierte Student an der FU, Helmut Coper, der am Institut für Pharmakologie bei Prof. Dr. Hans Herken promovierte und bis zu seiner Emeritierung als Professor für Neuropharmakologie an der Freien Universität lehrte und forschte.

Ein weiterer „zweiter“, nämlich der zweite Doktorand der Juristischen Fakultät, Prof. Dr. Jürgen W. Werhahn, wird am 4. Dezember erzählen, „wie es damals war“. Der Stuttgarter Anwalt baute als Student die Juristische Fakultät mit auf. Den Festvortrag hält Gerhard A. Ritter über „Die Sozialunion mit der DDR – Optionen und Alternativen des Einigungsprozesses in der Sozialpolitik“. Seit Jahren setzt sich Ritter mit der Integrationskraft verschiedener Regierungssysteme auseinander, besonders mit dem deutsch-deutschen Transformationsprozess. Schon aus diesem Grunde scheint der persönliche Umzug von Berg am Starnberger See zum Sophie-Charlotte-Platz in das pulsierende Berlin höchst folgerichtig.

Felicitas von Aretin

Foto: FU Archiv

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