Logo FU Berlin
Logo FU-Nachrichten
 
TitelSchwerpunktSeite Drei InnenansichtenWissenschaftLeuteStudierendeDahlem DigitalDie Letzte
FU-Nachrichten HomeVolltextsucheLeserbrief schreiben...ImpressumPressestelle der FU

   

Von Ulrike Ackermann

Anlässlich des 50. Jahrestages der Gründung des Kongresses für kulturelle Freiheit kamen am 23. und 24. Juni prominente europäische und amerikanische Intellektuelle wie Melvin Lasky, Peter Coleman, Francois Bondy, Francois Fetjö, Barbara Spinelli, Daniel Cohn-Bendit, Tilman Spengler oder Klaus Harpprecht im Henry-Ford-Bau zu Diskussionsforen zusammen. Während am ersten Tag die Geschichte des Kongresses im Mittelpunkt stand, ging es am zweiten Tag um "Antitotalitäre Traditionen in Deutschland und Frankreich" und "Europa und Amerika: Facetten des Antiamerikanismus".

Am 26. Juni 1950 wurde in Berlin der "Kongreß für kulturelle Freiheit" gegründet; ein außergewöhnliches Unternehmen von Intellektuellen, das die geistige Verfassung Europas nach 1945 widerspiegelt. Der Faschismus und der Nationalsozialismus waren besiegt; aber Stalin hatte mit der Neuaufteilung Europas seine Einflusssphäre ausweiten können. Im gespaltenen Berlin verdichtete sich die neue Jalta-Ordnung wie in einem Brennglas; 1948 gab die Blockade der Stadt einen Vorgeschmack auf den einsetzenden Kalten Krieg. Nicht zufällig begann die Arbeit des Kongresses in Berlin. Zu den Hauptakteuren zählten der Budapester Schriftsteller Arthur Koestler und der aus der undogmatischen New Yorker Linken kommende Journalist Melvin Lasky. Vor 1800 Gästen eröffneten Oberbürgermeister Ernst Reuter und Lasky die medienwirksam inszenierte Tagung im Titania-Palast. Im Anschluss sprachen Ignazio Silone, Jules Romains und Sidney Hook. Zur Abschlusskundgebung versammelten sich am Funkturm rund 15.000 Menschen. In dem Kongress hatten sich europäische und amerikanische Intellektuelle versammelt, die die totalitären Regime, Nationalsozialismus, Faschismus und Stalinismus meist am eigenen Leibe erfahren hatten: die Philosophin Hannah Arendt, der Schriftsteller Albert Camus, der Publizist und Gründer der Zeitschrift "Preuves" Francois Bondy, der italienische Schriftsteller Ignazio Silone, Raymond Aron, der Philosoph Karl Jaspers, Eugen Kogon, David Rousset, Margarete Buber-Neumann, Golo Mann, George Orwell, Manès Sperber, später Literaturnobelpreisträger Czeslaw Milosz sowie der Historiker François Furet oder sein 1938 aus Ungarn emigrierter Kollege Francois Fejtö. Finanziell und organisatorisch unterstützt wurde der Kongress von Reuter und der amerikanischen Militärregierung. Das internationale Sekretariat des Kongresses arbeitete bis in die 70-er Jahre in Paris, organisierte Konferenzen in ganz Europa und baute ein Netzwerk von Zeitschriften auf, wie "Preuves", der "Monat" der "Encounter" sowie italienische und spanische Dependancen.

Im April 1966 enthüllte die "New York Times", dass der Kongress zu großen Teilen von der CIA finanziert worden war. Nachträglich wurde der Kongress damit in Teilen der europäischen Öffentlichkeit als Machwerk des 'antikommunistischen amerikanischen Imperialismus', als 'Kampfinstrument des Kalten Krieges' denunziert. Eine Renaissance des Marxismus und der ausgeprägte Antiamerikanismus Ende der 60-er Jahre schufen ein politisch-intellektuelles Klima, das dem Kongress ein Ende bescherte.

Schaut man sich allerdings die Protagonisten der ostmitteleuropäischen Bürgerrechtsbewegungen an, die nach 1989 Regierungsämter bekleideten, Präsidenten wurden und wichtige Zeitschriften gründeten, so handelt es sich um Intellektuelle, deren Untergrundarbeit vor dem Zusammenbruch des Kommunismus von der Fondation pour une Entr'aide intellectuelle européenne unterstützt wurde – der Nachfolgeorganisation des Kongresses für kulturelle Freiheit. Vaclav Havel, Tadeusz Mazowiecki, Adam Michnik (Herausgeber der Tageszeitung Gazeta Wyborcza), Bronislaw Geremek, die ungarischen Schriftsteller György Dalos und Istvan Eorsi kooperierten mit der Fondation. Auch zeigt die Debatte um das 'Schwarzbuch des Kommunismus' 1997/98 und der Streit um den Krieg im ehemaligen Jugoslawien und die Verantwortung der Intellektuellen, wie aktuell die Auseinandersetzung mit den Totalitarismen ist. Umso verwunderlicher ist es, dass der in seinen Debatten vorausschauende Kongress aus der europäischen Erinnerung verdrängt wurde.

 
 
Nach oben...