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Spätlese. Wahlnachbetrachtungen von Chefstatistiker und Chefanalytiker L. Calculante (April 2000)

 
Studentenparlament

Zunehmend verschnupft reagierte L. Calculante, als sich am Abend der Auszählung das Ergebnis der StuPa-Wahlen abzeichnete: Nicht nur Zugewinne für die AStA-Gruppen, sondern sogar eine 2/3-Mehrheit, mit der man selbst die Satzung ändern könnte. Das dürfte Begehrlichkeiten wecken. Eindeutiger Gewinner ist also ohne Wenn und Aber der AStA, wie auch die nackten Zahlen zeigen:



Nr. Name der Liste Stimmen Stimmen im
FB Jura
Sitze +/-
1 fsi Wirtschaftswissenschaft 63 1 1 0
2 Hochschulgruppe der JUSOS 185 22 3 0
3 AusländerInnen gegen Rassismus 65 - 1 0
4 FSI Chemie / Biochemie 59 - 1 0
5 Unabhängige Schwule Liste (USL) 117 11 2 0
6 RCDS Medizin / Naturwissenschaft 75 3 1 -1
7 FSI Geographie 61 - 1 0
8 Fachschaftsini Publizistik 106 5 2 +1
9 Fachschaftsinitiative Pharmazie 87 - 2 +2
10 DEFO (Demokratisches Forum) 329 247 6 +1
11 AL-Jura / Alternative Liste Jura 74 54 1 0
12 Unabhängige Linke 167 5 3 +3
13 Liste "Drosophila" 95 - 2 0
14 FSI Psychologie 154 2 3 +1
15 ALTERNATIVE LISTE - Bündnis 90/Grüne 252 18 5 +1
16 FSI Medizin 114 1 2 +1
17 ANTIFASCHISTISCHE Liste 130 8 2 +1
18 RCDS an der FU 88 20 2 +1
19 Linke Liste 94 - 2 +1
20 "AusländerInnen"liste 120 4 2 -2
21 CALEDONIAN SOCIETY - FSI Anglistik 39 - 1 0
22 LHG - LIBERALE Hochschulgruppe 89 13 2 +1
23 RCDS Jura 88 65 2 +1
24 FSI OSI 112 1 2 +1
25 Feministische FrauenLesben Liste 98 5 2 0
26 Gegen Studiengebühren! 83 7 2 +1
27 FSI Germanistik & Niederlandistik <GeNie> 82 - 2 +1
28 RCDS Wirtschaftswissenschaften 53 1 1 -1
29 FSI (Kunst-) Geschichte - Liste KOSER-NOSTRA 124 1 2 0
Summe 3203 494 60  
Wahlbeteiligung 7.74% 11.70%    

Und nun zur besseren Übersicht, die stark vereinfachte Torte:

Ergebnis-Torte

Bei diesem Ergebnis tröstete denn auch nicht, daß sich beim Fachschaftsrat Rechtswissenschaft die Sitzverteilung nicht geändert hat.

Besonders traurig war es schließlich mit der Wahlbeteiligung: Die war nämlich von rund 11 % auf offizielle 7,74 % abgestürzt, selbst an unserem Fachbereich ist sie von über 15 % auf traurige 11,99 % gefallen. Demokratie ist nun mal die Herrschaft der Uninformierten.

Nachdem die gesunkene Wahlbeteiligung Gewißheit war, wurde natürlich flugs über die Gründe spekuliert. Der Kollege vom Neuen Dahlem will ja die Spendenaffäre der CDU dahinter stecken wissen. Nun ja, da ist wohl der Wunsch Vater des Gedankens. Ich hatte da von Anfang an meine Zweifel, weil es Otto Normalstudent schwerfallen dürfte, einen unmittelbaren Zusammenhang herzustellen (auch wenn die JUSOS - in ungewohnt scharfer Form - zutreffende Parallelen zum Finanzgebaren des AStA zogen). Nach Berichten fast aller aktiven Wahlkämpfer spielte das Thema denn auch keine große Rolle, ebenso zeigten sich bei den Gruppen, die wie JUSOS oder LHG dieses Thema aufgegriffen hatten, keine nennenswerten Unterschiede gegenüber den anderen Gruppen. Im übrigen haben sich bei dieser Affäre, wie auch die Wahl in Schleswig-Holstein gezeigt hat, Politikverdrossenheit einerseits und erhöhte Politisierung andererseits in etwa die Waage gehalten.

Die Gründe für diese Wahlnichtbeteiligung dürften daher wohl eher an der Uni selbst zu suchen sein. Im Gegensatz zu den vergangenen beiden Jahren (davor lag sie ebenfalls bei 6 - 8 %) fehlte diesmal ein Thema, das (wie beispielsweise der mißglückte "Streik" oder die Diskussionen um das Semesterticket) einen - zumindest über den Anteil der Stammwähler (Aktive, deren Freunde und unheilbare Demokratieenthusiasten) hinausgehenden - gewissen Prozentsatz der Studierenden beschäftigt hat. Der AStA versuchte zwar, es der Opposition im Vorjahr gleich zu tun und eine Unterschriftensammlung zu starten, aber zum einen hat bereits die erste Kampagne gezeigt, daß der Schwung aus November / Dezember sich kaum in den Januar mitnehmen läßt, zum anderen war der Vorwand "Das Verbot von Studiengebühren steht nicht mehr im Koalitionsvertrag, also drohen Studiengebühren" angesichts der realen Verhältnisse doch ein wenig an den Haaren herbeigezogen.

Insgesamt kam einfach keine Wahlkampfstimmung auf, selbst die zahlreichen Feten Ende Januar konnten wohl kaum Wähler mobilisieren. Bemerkenswerterweise zeigt sich bei den meisten Gruppen ein bestimmter Trend: Fast alle haben absolut an Stimmen verloren, relativ gewonnen haben jedoch insbesondere die Listen, die einen deutlich erhöhten Aufwand betrieben haben (UL, RCDS Jura, FSI Psychologie). Demgegenüber haben am deutlichsten die Listen verloren, die ihren aufwendigen Wahlkampf vom letzten Jahr nicht aufrechterhalten konnten (AusländerInnenliste, RCDS WiWi, RCDS Medizin). Stärker an Stimmen verloren haben auch diejenigen Listen, die weniger fest mit ihrer Wählerklientel verbunden sind, während Listen mit hohem Stammwähleranteil (DEFO, FSIs, Regenbogenlisten) zumeist sogar Sitze hinzugewinnen konnten. Dabei profitierten diese Listen allerdings vor allem von dem Umstand, daß insgesamt 12 Sitze deshalb neu zu verteilen waren, da mehrere Listen nicht mehr antraten.

Überhaupt war die Zahl der Listen diesmal doch sehr erstaunlich: Traten vor zwei Jahren noch über 60 Listen an, waren es dieses Jahr nur noch 29! Sieht man einmal davon ab, daß der RCDS sich auf vier Listen verteilte, repräsentiert jede Liste auch eine bestimmte Gruppe. Bis auf die wieder einmal angetretene FSI Pharmazie waren nur langjährig etablierte Gruppen vertreten, Tarnlisten gab es diesmal keine einzige. So überrascht es denn auch nicht, daß keine einzige Gruppe am Ende ohne Sitz dastand, auch wenn es für die Caledonian Society mit 39 Stimmen schon ein wenig knapp war. Bekannte Gruppen im StuPa, also auch bekannte Gesichter? Nein. Erfreulicherweise wird es auch einigen frischen Wind geben, wobei nur zu hoffen bleibt, daß er nicht nur von links weht und außerdem nicht von alten Quellen angetrieben wird.

Fragt sich bloß, wie man zukünftig wieder für mehr Wahlbeteiligung sorgen kann. Vielleicht sollte man sich da an den "Großen" orientieren. Die CDU versucht ja gerade, Hessen 1999 mit einer erneuten "Ausländer-nicht-rein-Kampagne" zu kopieren. Das ebenso intelligente wie fremdenfreundliche Motto diesmal: "Kinder statt Inder". Wenn sie damit Erfolg haben sollte, was könnte man davon auf die hiesigen Gruppen übertragen? Vielleicht seitens des AStA: "Langzeitstudenten statt Hochschulabsolventen", was sich nicht nur diskursiv-provokant gegen die kapitalistischen Verwertungsmechanismen der zum Standortfaktor degradierten Bildung richten, sondern zugleich das Lebensmotto manches AStA-Funktionärs darstellen könnte. Oder seitens des sozialdemokratischen Nachwuchses: "Ich tu so, als wär ich JUSO", um damit sowohl die Ambivalenz von scharfer, linker Wahlkampfrhetorik und tatsächlich praktizierter großer Kohabitation, als auch das alte Motto "Wer mit 20 kein Sozi ist, hat kein Herz, wer es mit 40 noch ist, hat keinen Verstand" zu verdeutlichen. Vielleicht setzt man aber auch wie eine gewisse Gruppe auf die Anziehungskraft materieller Güter, Stichwort: Schokoweihnachtsmänner. Argumente haben erfahrungsgemäß nur beim geringsten Teil der Wähler Einfluß auf die Wahlentscheidung genommen. Eine mehr als nur geringfügige Verbesserung dürfte aber auch dadurch zu bewerkstelligen sein, daß der Termin der Wahlen wieder auf Mitte Januar vorverlegt wird. Gegen Ende des Semesters sind in aller Regel schließlich nur noch wenige für Wahlpropaganda empfängliche Studierende an der Uni anzutreffen.

Aber nun genug der Publikumsbeschimpfung und auf zur Tat, Einzelsezierung ist angesagt: Die Opposition verkraftete offenbar den Heimgang des FU-Bündnisses (hat irgend jemand eine Traueranzeige gesehen?) nicht. Volle vier Sitze an den AStA. Rein rechnerisch versteht sich. Daß P. A. M. eine Eintagsfliege ist, wußten nicht nur gestandene Freidemokraten (von denen es ja nach wie vor einige geben soll, selbst beim DEFO hat man schon drei oder vier gesehen) schon lange, hingegen überrascht der Wegfall der Ini Semesterticket (ein sicherer Sitz für die Opposition) ebenso wie der Wegfall der Semtixliste auf der anderen Seite. Dafür konnten LHG, Initiative gegen Studiengebühren und DEFO je einen Sitz dazu gewinnen, während JUSOS und FSI Anglistik stagnierten. Hätte auch der RCDS beim Wählerchen-wechsle-dich seine insgesamt sieben Sitze gehalten, wäre er nicht nur stärkste Oppositionsgruppe (25 Stimmen weniger als das DEFO!), sondern der Opposition auch ein Jahr Zittern ob der 2/3-Mehrheit erspart geblieben. So können sich selbst die Gruppen kaum als Sieger fühlen, die hinzugewonnen haben. Für den Status als stärkste Einzelliste kann man sich nichts kaufen, schon gar nicht den AStA. Eher kauft der woanders ein. Und so bleibt der Opposition nur, es im nächsten Jahr wieder zu versuchen und sich auch dann wieder Mut zu machen getreu dem Motto: Wir sind immer vorne, und sind wir hinten, ist hinten vorne.

Nicht einmal den Wahlvorstand kann man seitens der Opposition verantwortlich machen, da der diesmal weitgehend fehlerfrei gearbeitet hat. Die Fehler hat im Gegenteil eher ein von der Opposition entsandtes Mitglied gemacht, obwohl der Mann in den Augen von L. Calculante von allen Mitgliedern die wenigsten Zweifel an seiner Unparteilichkeit weckt. Allerdings könnte das Vorhersagesystem des Wahlvorstandes noch verbessert werden, damit der Chefoptimist nicht wieder "8 Sitze vielleicht, 7 sicher" verspricht. Interessant waren immerhin einige andere A.H.-Erlebnisse. So konnte L. Calculante nicht nur seine Kenntnisse in Excel erweitern, sondern auch feststellen, daß intime persönliche Beziehungen zu High-Tech-Geräten keine spezifisch männliche Erscheinung sind. (Wie war das noch: Frauen, die Gleichheit wollen, sind selbst schuld?)

Wenden wir uns nun aber den AStA-Listen zu. Die Schar der Kämpfer, die nicht aufhört, dem System Widerstand zu leisten, hält sich beharrlich über 30. Ob da ein Zaubertrank namens Studentenschaftshaushalt im Spiel ist? Die AusländerInnenliste gehört allerdings unzweifelhaft zu den großen Verlierern, kann aber hoffen, vom großen Kuchen etwas abzubekommen, wenn sie sich gegenüber den Gelüsten der Linken (aus Sicht der AStA-Mitte, gewöhnlich würde man sagen: Ultralinken) bezüglich der Nutzung der 40 Stimmen gefügig zeigt. Ähnliches gilt auch für die anderen "gemäßigten" Gruppen, die aber, wie schon die Ausrichtung der Sitzungsleitung zeigt, ebenfalls gegenüber den insgesamt deutlich gestärkten Linksradikalen in der Defensive sind. Zu Letztgenannten sind vor allem die sich selbst schon links nennenden Listen zu zählen (7 Sitze, +2), ferner die meisten geisteswissenschaftlichen Inis (10 Sitze, +2) sowie Mediziner und Psychos (5 Sitze, +1). Die Regenbogenlisten (FrauenLesben, Schwule, AusländerInnen gegen Rassismus) hingegen, die sich bisher auch nicht gerade demokratisch dargeboten haben, im Zweifel aber mit jedem stimmen, der ihnen die Finanzierung garantiert, steuern ihr Standardergebnis von 5 Sitzen bei. Auf der anderen Seite haben zwar Grüne (6 Sitze) und die traditionell weniger dogmatischen naturwissenschaftlichen Inis (5 Sitze) ebenfalls jeweils einen Sitz gewonnen, was aber schwerlich ausreichen dürfte, ihren bisherigen Status zu halten, geschweige denn die Mindestforderungen der Opposition gegenüber dem Rest durchzusetzen.

Selbst wenn diese Gruppen, wie oftmals angekündigt, beispielsweise eine Mitgliedschaft der Opposition im Haushaltsausschuß von AStA Gnaden tatsächlich durchsetzen sollten, was wird der Preis sein, den sie dafür zahlen müssen, welche Satzungsänderung wird kommen? Wenigstens die Fachschaftsräte scheinen tabu zu sein. Trotzdem muß die Situation einem anständigen Demokraten wie die Passage zwischen Skylla und Charybdis erscheinen. Aber die Wähler haben es so gewollt, auch wenn dies manchen an der Intelligenz der Wähler zweifeln läßt. So hat jede Studentenschaft den AStA, den sie verdient. Wie sagte doch Brechts Berti selig: Das beste ist, sie wählen sich ein neues Volk. Möglicherweise aber sind die Wähler ja auch viel klüger als die Gewählten, gerade weil sie die Wahlen als das betrachten, was sie sind: im wesentlichen ohne Bedeutung. Aber wie heißt es so schön: Demokratie ist, wenn man trotzdem lacht.

Das Ergebnis verspricht also in erster Linie spannende und vermutlich lange Koalitionsverhandlungen. Auch die Wahl des/der neuen AStA-Vorsitzenden dürfte interessant werden. Kleiner Tip: Ziehen von Streichhölzern könnte die Suche verkürzen. Oder man überträgt das System der "autonomen Vollversammlungen" gleich auf den AStA-Vorsitz. Dann tauschen auf willkürlich zusammengesetzten Versammlungen Sympathisanten und Funktionäre ihre Meinungen aus und hinterher wird sich schon jemand finden. Dieses altbewährte Modell scheint so erfolgreich zu sein, daß es jetzt selbst die CDU mit ihren Regionalkonferenzen übernommen hat, um Demokratie zu spielen. Vom AStA lernen heißt schließlich siegen lernen.

Zum Abschluß sollte hier wieder ein Buchtip stehen, nämlich die Besprechung des Buchs "Wahlmanipulationen", in dem anhand der Frankfurter Studentenschaft aufgezeigt wird, wie dreist und unglaublich manche Studis sind, wenn es gilt, den eigenen Machterhalt zu sichern. Selbst in den gegenwärtigen Zeiten, in denen einen kaum noch eine vor kurzem unvorstellbare Nachricht zu überraschen scheint, kann man sich anhand dieses Buchs zeigen lassen, wie man demokratische Institutionen und Instrumente auf das Schlimmste pervertieren kann. Nachdem man mich aber dazu genötigt hat (Nötigung = Drohung mit einer empfindlichen Uebel), findet sich diese Besprechung nunmehr im Rezensionsteil.

L. Calculante

(erschienen im DEFO-Info Nr.41 vom SS 2000)





Für Richtigkeit und Vollständigkeit kann nicht garantiert werden. Die Daten geben regelmäßig den Stand vorm Beginn des Semesters wieder. Die Benutzung der Daten geschieht auf eigene Gefahr.



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