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Die neue Studienordnung - Mit heißer Nadel gestrickt


Visionen

Es sollte ursprünglich ein großer Wurf werden mit der Reform der Studienordnung am Fachbereich: Grundstudium, Vertiefungsphase, Examensvorbereitung, Veranstaltungstypen, Wahlfachgruppen und kleine Scheine sollten einer umfassenden Reform unterzogen werden. Die dazu gemachten Vorschläge waren im wesentlichen auch ganz vernünftig und ebenso vernünftig war es, nachdem die Richtung im wesentlichen klar war (siehe die Berichte aus FBR und ABK in den letzten INFOs), nun in einzelnen Schritten vorzugehen.

Zuerst also die Reform der ersten Semester: Statt der kleinen Übungen wird es in Zukunft Abschlußklausuren geben und mit der Zauberformel "7 aus 13" ist das Grundstudium abgeschlossen. Damit greift man nicht nur der Zwischenprüfung vorweg, die demnächst kommen wird (keine Panik, nur für diejenigen, die dann anfangen), sondern verwirklicht auch ein Anliegen, das mittlerweile wohl den Vertretern aller Statusgruppen am Herzen lag. Nunmehr wird direkt im Anschluß an die Vorlesungen der Stoff geprüft.

Vorbei sind die Zeiten, als Professor XY im Grundkurs den § 823 anders aufbaute als der Professor YX in der kleinen Übung. "Nur was gelehrt wurde, wird geprüft." (Wenn das mal nicht angesichts der Stofffülle Wunschdenken bleibt...)

Wichtig war allen auch, daß durch dieses System Druck und gleichzeitig Anreiz geschaffen werden, bis zum Semesterende in den Vorlesungen zu bleiben. Vorbei also auch die Zeiten, in denen 80 % der Studierenden die Vorlesungen zur Hälfte des Semesters verlassen haben, um sich dann innerhalb eines Jahres für teures Geld elementarstes Wissen bei den Repetitorien einbläuen zu lassen. Schließlich sollten die Repetitoren repetieren und es muß Sache der Uni sein, die Grundlagen zu vermitteln. (Wenngleich es bestimmt auch genügend Leute geben wird, die sich nun bei den Repetitoren auf die Abschlußklausuren vorbereiten lassen...)

Umgekehrt sind nun auch die Professoren stärker in der Pflicht. Sie werden es sich in Zukunft nicht mehr leisten können, die Motivation der Studierenden durch schlecht aufbereitete Vorlesungen zu torpedieren, schließlich wäre es auch für sie peinlich, wenn der Großteil der Studierenden nicht in der Lage ist, die Abschlußklausuren vernünftig zu bestehen. (Hony soit, qui mal y pense...)

Ständiges Feedback des eigenen Leistungsstandes bei gleichzeitiger Evaluierung und damit verbundener Optimierung der Vorlesungen - Schöne neue Welt nicht nur für BWLer? So schön die Idee, so schlecht die Umsetzung. Wer sich nach der Lektüre der oben stehenden Zeilen angesichts seines bevorstehenden Examens gerade geärgert hat, daß er nicht die Chance hatte, von Anfang an vernünftig ausgebildet zu werden, wird nach dem folgenden vielleicht doch wieder zufriedener mit seinem bisherigen Studium sein.

Wie gesagt: Über die grobe Richtung bestand im wesentlichen Einigkeit. Nachdem die Ideen und Vorschläge aber einige Zeit in den Mühlen der Kommissionen versickert waren, wollten die Professoren nun Dampf machen. (Nebeneffekt der Studienreform sollte es nämlich auch sein, die Zahl der Pflichtfächer ein wenig zu verringern, um so den schwindenden Mitgliedern des Professoriums Rechnung zu tragen.) Innerhalb eines Semesters wollte man die Reform nun übers Knie brechen. Und nicht nur das, auch sollte der Umstieg mitten im laufenden Semester geschehen!


Realität

Dabei schien man im Eifer des Gefechts vergessen zu haben, daß der Teufel bekanntlich im Detail steckt. Zum einen war natürlich die Konfusion bei den Erstsemestern groß, die erst die eine Variante und zwei Wochen später dann die andere Variante des Studienablaufs erklärt bekamen. Verwirrung herrschte natürlich ebenso bei Tutoren, Mentoren und sonstigen Studienberatern, die selber nur selten alles richtig erklären konnten, da ja auch sie auf die widersprüchlichen Informationen aus der Verwaltung angewiesen waren. Aber derlei Kleinigkeiten scheinen die Professoren nicht zu kümmern.

Zum anderen blieben natürlich auch viele Details unklar: Teils war man sich selbst noch nicht einig und vertagte diese Probleme einfach, teils hob man die eigenen Beschlüsse flugs wieder auf, teils wollte man die Details auch der Experimentierfreude der jeweiligen Dozenten überlassen. So wird wohl jeder Prof. für sich festlegen, in welcher Form, mit welchen Ansprüchen, mit welcher Technik und mit welchen Kenntnissen eine Abschlußklausur zu absolvieren ist. (In diesem Punkt wird man allerdings noch das meiste Vertrauen haben dürfen. So machen beispielsweise die von Prof. Kunig zum Grundkurs I geäußerten Vorstellungen einen ganz vernünftigen Eindruck.)

Ungeklärt bleibt auch, was denn nun aus den AGs werden soll. Sollen zukünftig alle im ersten Semester stattfinden, welchen Inhalt sollen sie dann haben, soll es für das erste und zweite Semester welche geben usw. usf. Lange Zeit ungeklärt blieb schließlich auch, was mit den Nebenfach-Studenten werden sollte. Mittlerweile hat man aber nach- und einen entsprechenden Entwurf vorgelegt, so daß die Anfragen verstörter Nebenfächler demnächst hoffentlich der Vergangenheit angehören werden.

Formal gesehen existieren allerdings die alten Studienordnungen noch, man verfährt aber nach der jeweiligen Beschlußlage im Fachbereichsrat oder hilfsweise nach eigenem Gusto (Art. 5 III?). Das Vorlegen fertiger Vorschriften oder gar das Abwarten eines Inkrafttretens empfand man wohl als zu große Zumutung. Wenn das bei Gesetzen auch so gehandhabt werden würde...)

Den gröbsten Schnitzer haben sich die Herren Professoren aber bei den Hausarbeiten geleistet: Sie, die sonst immer so viel Wert darauf legen, daß an der Uni wissenschaftlich ausgebildet werde, haben nun dafür gesorgt, daß die erste Arbeit mit Ansätzen zur Wissenschaftlichkeit erst im vierten Semester mit der großen Strafrechtshausarbeit geschrieben wird. Und daß nur, weil bei der Frage, in welcher Form und in welcher Zahl die kleinen Hausarbeiten angeboten werden sollen, ein paar Probleme aufgetaucht sind, die man nicht sofort lösen konnte. So kam es, daß man nach einigen Diskussionen die kleinen Hausarbeiten gleich ganz versenkte. So etwas nennt man für gewöhnlich "das Kind mit dem Bade ausschütten".


Zukunft

Mit Spannung darf man erwarten, was passieren wird, wenn den Professoren auffällt, daß man vielleicht doch "nachbessern" muß, wie dies gewisse Politiker im letzten Jahr häufiger getan haben, wofür diese sich dann von vielen Seiten wie beispielsweise auch von unseren Professoren Schelte einfingen. Wie dort so gilt auch hier: Weniger Eile wäre mehr gewesen.

Philipp Franck, Lammert Wijma

(erschienen im DEFO-Info-Update Nr. 40/I vom WS 1999/2000)



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