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[FU-Student Tobias Becker wurde von der GTZ ausgezeichnet]

Interview mit einer Anaconda.

Anlässlich des Symposiums „zwischen Hörsaal und Projekt“, das von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) am 5. Februar in Berlin veranstaltet wurde, sollten sich Studierende der drei ansässigen Universitäten in ihren Seminararbeiten damit auseinandersetzen, wie theoretische Lehrinhalte in die Praxis der Entwicklungszusammenarbeit umgesetzt werden können. Tobias Becker, Student der Kultur-, Informations- und Kommunikationswissenschaften an der Humboldt- und der Freien Universität, nahm im Rahmen des Seminars „Netzbasierte Wissenskommunikation“ von Sigrid Peuker daran teil. Er konnte für sein Referat über die identitätsfördernde Wirkung von Community Radios auf Erfahrungen zurückgreifen, die er vor einem Jahr in Bolivien gemacht hatte. Sein praxisnaher Vortrag wurde am Ende des Symposiums ausgezeichnet.

Für einen Außenstehenden ist es im ersten Moment verwunderlich, dass Tobias Becker sich ausgerechnet der Entwicklungszusammenarbeit gewidmet hat. Informations- und Kommunikationswissenschaft gilt als modernes und zukunftsträchtiges Studienfach. Absolventen haben gute Chancen auf einen lukrativen Job in der schicken, expandierenden Medienbranche. Dennoch ist für den Studenten die Verwunderung über sein Engagement unverständlich. In seinem Studium setze er sich fast ausschließlich mit den Informationsgesellschaften der reichen Industrienationen auseinander, doch das seien schließlich nur 20 Prozent der Weltbevölkerung. „Mich interessierte einfach die Frage: Was ist mit den übrigen 80 Prozent?“ erklärt Becker seinen Einsatz für die so genannten „Entwicklungsländer“. Die Mitarbeit beim Aufbau eines Community-Telefons in Bolivien sei für ihn die ideale Möglichkeit gewesen, seinem Einsatz für die Menschenrechte, seinem Wunsch nach interkulturellem Austausch und seiner Affinität zum Medium Radio gleichzeitig Rechnung zu tragen. Im Rahmen des Stipendienprogamms „Arbeits- und Studienaufenthalte in Asien, Afrika und Südamerika“ (ASA), das an die Carl Duisberg Gesellschaft angegliedert ist, brach er deswegen im August 2000 nach Südamerika auf. In Rurrenabaque, einem Ort im Nordosten Boliviens, wollte er drei Monate lang mithelfen, ein non-profit Radio für die Einwohner des Dorfes Tumupasa, mitten im Regenwald, aufzubauen. Das Programm sollte die Dorfgemeinschaft selbst gestalten.

Preisträger Tobias Becker

Community Radios stärken die Dorfgemeinschaft

Durch die aktive Mitarbeit und Eigeninitiative der Dorfbewohner bei Community Radios können diese selbst entscheiden, welche Informationen für sie am wichtigsten sind. Das ginge von Durchsagen, wann der Arzt das nächste Mal im Dorf sei, bis zur Angabe der Kartoffelpreise auf Märkten in der Umgebung. „Oder das Radio nimmt die Rolle eines Community-Telefons ein, über das die Leute sich gegenseitig Grüße zusenden“, erzählt Becker. So fördert ein Community Radio zum einen die lokale Identität, zum anderen lässt es abgelegene Dorfgemeinschaften auch an überregionalen Informationen teilhaben, da es inzwischen basisnahe Agenturen gibt, die Nachrichten via E-Mail und Internet an Community Radios verteilen. Für Becker sind die Radios deswegen auch ein Beitrag für die Erfüllung der Menschenrechte, weil sie sowohl dem Recht auf Information als auch dem Recht auf freie Meinungsäußerung dienten. Beides sei in Bolivien nicht selbstverständlich, da der Einfluss und die Manipulation durch die herrschende Schicht sehr stark sei.

Aymara-Kinder vor dem Moderatorenpult eines Senders auf dem Altiplano.

Auf dem Altiplano, einer Hochebene in 4000 Meter Höhe, reiste Tobias Becker mit seiner Teamkollegin in verschiedene Dörfer, um sich die Sendestrukturen von bereits etablierten Community Radios anzusehen. Mit Glück ergab sich eine Mitfahrgelegenheit bei Teams aus Hilfsorganisationen. Aufreibend sei die Fahrt auf Ladeflächen von Lastwägen und in überfüllten Bussen gewesen, erzählt Becker. Unmittelbar gelohnt haben sich die Strapazen erst nicht: Der Versuch, die Einwohner der Regenwald-Siedlung Tumupasa innerhalb des dreimonatigen Aufenthalts zum Aufbau eines Community Radios zu motivieren, scheiterte zunächst. Erst im März diesen Jahres, also 16 Monate später, erhielt Becker per Telefon die frohe Botschaft, dass das Projekt in Tumupasa mit der finanziellen Unterstützung durch den Schweizer Entwicklungsdienst doch noch realisiert wird. Ohne die Vorarbeit, die er und seine Kollegin dafür geleistet haben, wäre es wahrscheinlich nicht dazu gekommen.

Selbst gebautes Mischpult eines Senders auf dem Altiplano.

Tobias Becker wird sich im Herbst in einem neuen Projekt für die Entwicklungszusammenarbeit stark machen, denn sein Preis beim GTZ-Symposium war ein Praktikum bei einem Projekt von Transparency International, der Heinrich-Böll-Stiftung oder der GTZ.

Franziska Garbe


Informationen zur Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und zu Praktika und Projekten des Unternehmens gibt es bei:

GTZ GmbH, Büro Berlin,
Reichpietschufer 20, 10760 Berlin,
Tel.: 72614-0,
E-Mail: gtz-berlin@gtz.de
Homepage: www.gtz.de


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