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(FU will Juniorprofessuren einrichten)

Früh übt sich, wer ein Juniorprofessor werden will.

Im Rahmen der beabsichtigten Dienstrechtsreform hat sich Bundesbildungsministerin Buhlman von den USA insprieren lassen. Sie möchte das Eintrittsalter in eine Karriere als Hochschullehrer/in senken und fördert deshalb die unverzügliche Einführung von Juniorprofessuren. Mittelfristiger soll die Habilitation als Regelzugang zur Professur abgeschafft werden. Weiter noch: Mit dem Ende dieses Jahrzehnts sollen nur noch solche Wissenschaftler/innen berufungsfähig sein, die zuvor eine Juniorprofessur inne hatten. Dieses läuft faktisch auf die Abschaffung der Habilitation hinaus. Um dem Konzept eine schnelle Wirkung zu verschaffen, hat die Ministerin 12 Millionen DM für die Erstausstattung von Juniorprofessuren ausgelobt. Bewerben konnten sich Universitäten, die noch vor der Verabschiedung der Pläne in Bundestag und Bundesrat und der Anpassung der jeweiligen Ländergesetze bereit waren, Juniorprofessuren einzurichten. Für jede Juniorprofessur wurden bis zu 150.000 DM als Starthilfe in Aussicht gestellt.
Das Präsidium der Freien Universität hat die Fachbereiche befragt, inwieweit sie an der Einrichtung solcher Professuren interessiert sind. Sechs Fachbereiche haben daraufhin insgesamt 17 Anträge gestellt, die zu einer Gesamtkonzeption verbunden und dem Bundesministerium zur Genehmigung vorgelegt werden konnten.

Halbherzige Reform birgt Risiken

Damit gehört die Freie Universität neben den Universitäten Göttingen, Marburg und Bremen sowie der Humboldt-Universität und der Technischen Universität Darmstadt zu den ersten, die sich probeweise zur Einrichtung von Juniorprofessuren entschlossen haben. Das Präsidium möchte damit signalisieren, dass die Freie Universität auch hier an der Spitze der Modernisierungsbemühungen und der Universitätsreform in Deutschland steht, denn das durchschnittlich hohe Eintrittsalter von über 40 Jahren für eine Hochschullehrer/innen-Karriere ist zweifellos zu hoch. Gegenwärtig besteht zumindest in einigen Fächern die Gefahr, dass junge, hoch qualifizierte Wissenschaftler/innen wegen der geringeren Qualifikationserwartungen (insbesondere Habilitationen) in andere Länder oder in die Industrie abwandern. Die Freie Universität möchte versuchen, auch mit dem Instrument der Juniorprofessuren Nachwuchswissenschaftler von hoher Exzellenz zu gewinnen und ihnen nach Möglichkeit die Chance geben, nach einer Bewährung als Juniorprofessor/in an der Freien Universität zu verbleiben. Es ist allerdings offenkundig, dass dieses Ziel wegen der Halbherzigkeit der Reform nur schwer zu erreichen sein wird:
• So besteht aufgrund der gesetzlichen Gegebenheiten nicht die Möglichkeit, hochqualifizierte Nachwuchswissenschaftler an der Freien Universität zu halten, die ihre Graduierung und Promotion an dieser Universität erlangt haben, weil das Hausberufungsverbot weiterhin gilt.
• Die erwartete Ausstattung für Juniorprofessuren in Höhe einer halben BAT II a-Stelle sowie einer Studentischen Hilfskraft und eines Zugangs zu Sekretariatskapazität ist für viele Fachbereiche nicht darstellbar.
• Die vorgesehene Lehrbelastung ist mit sechs Semesterwochenstunden (SWS) höher als diejenige für die Wissenschaftlichen Assistenten/innen. Daneben soll die fünfjährige Beschäftigungszeit für die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln genutzt werden, die als Maßstab für die erworbene Qualifikation und damit für die Möglichkeit einer Berufung auf eine reguläre Professur gelten soll.
• Die erstrebte Unabhängigkeit der Nachwuchswissenschaftler/innen von etablierten Hochschullehrern/innen kann sich – wie das Beispiel der gescheiterten Assistenzprofessuren am Ende der 70-er Jahre zeigt – auch als Nachteil auswirken, wenn eine fehlende Bindung an Professuren und eine künftig entfallende Dienstleistungsverpflichtung gegenüber einer etablierten Professur von deren Inhabern mit Desinteresse gegenüber der Allokation der Juniorprofessoren/innen in der Scientific Community quittiert wird.
• Da die erfolgreichen Bewerber/innen auf Juniorprofessuren bis auf weiteres wegen fehlender gesetzlicher Voraussetzungen nur als Wissenschaftliche Mitarbeiter/innen beschäftigt werden können, existieren schwerwiegende arbeitsrechtliche Bedenken gegen die Einrichtung derartiger Beschäftigungsverhältnisse.
• Die derzeitigen Wissenschaftlichen Assistenten/innen werden durch das Programm insoweit benachteiligt, als dass sie bei der Bewerbung um Regelprofessuren befürchten müssen, in Konkurrenz zu Juniorprofessoren/innen zu unterliegen, wenn nicht mehr die Habilitation sondern die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln zur Eintrittsvoraussetzung gemacht wird. Hinzu kommt, dass nach dem Jahre 2010 für diesen Personenkreis eine Beschäftigung als Professor/Professorin nicht mehr möglich sein wird, da ihnen die Zugangsvoraussetzung einer Juniorprofessur fehlt.

Prof. Dr. Dieter Lenzen

Keine zusätzlichen Ressourcen – keine Evaluation

Innerhalb der Hochschulrektorenkonferenz, die sich wegen der Kostenneutralität des Konzepts der Juniorprofessuren davon inzwischen distanziert hat, sind zahlreiche weitere Bedenken benannt worden. Gleichwohl ist trotz des unsicheren Standes der gegenwärtigen Bundesregierung die Verabschiedung des neuen Dienstrechts im Bundesrat nicht auszuschließen. Aus diesem Grunde hat das Präsidium den Fachbereichen, die dieses wünschen, die Chance eröffnet, sich an dem Verfahren zu beteiligen, allerdings unter Wahrnehmung einer erheblichen fachlichen Verantwortung. Es ist davon auszugehen, dass nach einer Zustimmung durch den Bund die Ausschreibungen zu Beginn des Jahres 2002 erfolgen könnten. Die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber erfolgt in einem Verfahren, das sich von der Besetzung der regulären Professorenstellen nicht unterscheidet. Die Berufung erfolgt aufgrund eines Dreiervorschlages der Universität durch den Senator/die Senatorin für Wissenschaft und Kultur. Als Auswahlkriterien sollen die „Grundsätze für die Förderung der Forschung im Rahmen von Forschernachwuchsgruppen durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2001“ zu Grunde gelegt werden, wie sie von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung zustimmend zur Kenntnis genommen worden sind. Die zunächst als Wissenschaftliche Mitarbeiter zu beschäftigenden Juniorprofessoren/innen sollen nach In-Kraft-Treten der Dienstrechtsreform in ein Beamtenverhältnis auf Zeit berufen werden.
Bedauerlicher Weise ist die Einführung der neuen Professorenämter ohne weitere flankierende Maßnahmen konzipiert. So werden nicht nur keine zusätzlichen Ressourcen für die Ausstattung der Professuren bereit gestellt, auch ist an eine Evaluation der Veränderungen nicht gedacht. Es bleibt zu hoffen, dass den künftigen Juniorprofessoren/innen das Schicksal erspart bleibt, welches die damaligen Inhaber/innen von Assistenzprofessuren erleben mussten: Sie waren in der überwiegenden Zahl nach Ablauf ihrer Beschäftigungszeit nicht berufungsfähig. Es ist zu wünschen, dass die verfolgten Ziele – ein früherer Eintritt in die Hochschullehrertätigkeit und eine Verjüngung der Hochschullehrerschaft bei gleichzeitiger Erhaltung ihrer Qualität – realisiert werden. Ich werde ein besonderes Augenmerk auf die Zukunft der fast 300 Wissenschaftlichen Assistenten/innen an unserer Universität richten, um eine Beeinträchtigung der Chancen dieser Personengruppe durch die Einführung des neuen Dienstrechts so weit wie möglich abzumildern. Dabei hoffe ich, dass die Entscheidungsträger auch unkonventionelle Maßnahmen der Chancensicherung für diejenigen jungen Nachwuchswissenschaftler/innen tragen werden, die mit ihrer Habilitationsabsicht den längeren, schwierigeren Weg gehen mussten.

Prof. Dr. Dieter Lenzen
Erster Vizepräsident der Freien Universität

Fotos: Dahl
Fotos: Kundel-Saro



Die zur Einrichtung an der FU vorgesehenen Juniorprofessuren

Fachbereich Geowissenschaften:
• Institut für Geologische Wissenschaften: „Ökosystemdynamik“

Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie:
• Erziehungswissenschaft und Psychologie: „Evaluation, Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement“

Fachbereich Wirtschaftswissenschaft:
• John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien: „Volkswirtschaft unter besonderer Berücksichtigung der amerikanischen Wirtschaft“

Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften:
• Altertumswissenschaften, Seminar für Katholische Theologie: „Neuere Kirchengeschichte / Zeitgeschichte“
• Kunsthistorisches Institut: „Kunstgeschichte“
• Geschichte, Friedrich-Meinecke-Institut: „Neuere Geschichte“

Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie:
• Institut für Biologie: „Didaktik der Biologie“
• Institut für Biologie: „Molekulare Entwicklungsgenetik“
• Institut für Biologie: „Molekulare Genetik der Pflanzen“
• Institut für Biologie: „Mikrobiologie“
• Institut für Chemie: „Metallorganische Katalyse“
• Institut für Chemie: „Proteomik“

Fachbereich Humanmedizin:
• Fünf Juniorprofessuren in verschiedenen Bereichen, wobei die Zuordnung der Juniorprofessuren nach der Qualität der Bewerbungen erfolgt.

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