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(Deutsches Forum für Kunstgeschichte in Paris)

Die französische Republik hat Zeit ihres Lebens Faszination und Begeisterung auf die deutschen Nachbarn ausgeübt. Von besonderem Interesse waren und sind die französische Kunst und Literatur – ganz abgesehen von den zahlreichen Delikatessen, die wir Deutsche uns nicht gerne entgehen lassen. Ob gotische Kathedralen, die Dekorationskunst des Rokoko oder die Gemälde des Impressionismus. Ob Renoir, Matisse, Manet oder Monet. Die Aspekte vielfach anregender Auseinandersetzungen mit der Kunst des Nachbarlandes sind mannigfaltig. Um einen geeigneten Rahmen für Forschungsprojekte und Kolloquien über die deutsch-französische Kunstgeschichte zu schaffen, wurde vor vier Jahren in Paris das Deutsche Forum für Kunstgeschichte gegründet.

Paris gilt, und dies schon seit der französischen Revolution, als einer der bevorzugten Reise- und Studienorte deutscher Künstler und Kunstwissenschaftler. Einen geeigneten Rahmen für die langlebige Tradition der deutschen Kunstgeschichtsschreibung über Frankreich hat es allerdings nie gegeben. Während es in Florenz das Deutsche Kunsthistorische Institut oder in Rom die Bibliotheca Hertziana für die deutsche Italienforschung gibt, fehlte lange Zeit ein solches Äquivalent in Frankreich. Es ist der Initiative des an der Freien Universität lehrenden Kunsthistorikers Prof. Dr. Thomas W. Gaehtgens zu verdanken, dass ein solches Studienzentrum in Paris gegründet worden ist. Unterstützt wurde seine Idee ideell und finanziell vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie von zahlreichen Stiftungen (Gerda von Henkel, Robert Bosch, Fritz Thyssen, Alfred Freiherr von Oppenheim und Die Zeit) und von privaten Stiftern. Dem Projektantrag zur Gründung eines Deutschen Forums für Kunstgeschichte in Paris, das zunächst auf vier Jahre befristet war, wurde im Juli 1997 stattgegeben; die feierliche Geburtsstunde folgte im Herbst. Dem Gründungsdirektor Gaehtgens stehen ein ebenfalls von der FU stammender Wissenschaftlicher Assistent und ein Wissenschaftlicher Beirat französischer, Schweizer und deutscher Kunsthistoriker zur Seite. Ziel des Projektes ist es, auf bilateraler Ebene die deutsche Frankreichforschung zu fördern und zu konzentrieren, aber auch das Interesse der französischen Geisteswissenschaften an der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit deutscher Kunst und Kunstgeschichte zu stärken. Und so soll eine Brücke geschlagen werden, die nicht nur Kunsthistoriker in Deutschland und Frankreich, sondern zugleich kunsthistorische Institutionen in beiden Ländern miteinander verbindet. Zu diesem Zweck widmen sich die Mitarbeiter und Stipendiaten des Forums jährlich einem ausgewählten Forschungsschwerpunkt, in dessen Rahmen Vorträge, Kolloquien, Seminare und Exkursionen organisiert werden. Die hierbei zusammengetragenen Ergebnisse werden abschließend in der Schriftenreihe „Passagen/Passages“ publiziert.

Bundeskanzler Gerhard Schröder vertieft in die Sammlung historischer Bücher im Deutschen Forum für Kunstgeschichte in Paris.

Blickkontakte

Während sich in Deutschland Scharen von Kunsthistorikern der französischen Kunst widmen, sind es in Frankreich nur wenige, die den Blick auf die deutsche Kunst und Kultur wagen. Auch auf anderen Gebieten ist das jeweilige Interesse am Nachbarland unausgeglichen. So reisten schon die Gelehrten Wilhelm von Humboldt und sein Bruder Alexander im 18. Jahrhundert nach Frankreich. Um seine Studien über die sozialen Entwicklungen in Frankreich vor Ort durchführen zu können, verlegte Wilhelm 1792 sogar seinen Wohnsitz in die französische Metropole. Von französischer Seite war es zuerst Madame A. L. Germaine de Staël, die sich mit den deutschen Nachbarn, ihrer Kultur und Geschichte auseinandersetzte: Im Zusammenhang mit ihren Deutschland-Reisen 1803/04 und 1807/08 entstand das vierbändige Werk „Über Deutschland“, das bis ins 20. Jahrhundert das französische Deutschlandbild mitbestimmte. Auf deutschem Boden musste sich Hugo von Tschudi, der 1896 zum Direktor der Berliner Nationalgalerie berufen worden war, heftiger Anfeindungen seiner Sammlungspolitik erwehren, da er sich aktiv für die Aufnahme der modernen französischen Kunst in deutschen Museen einsetzte. Doch Kritiker und Öffentlichkeit standen den Impressionisten ablehnend gegenüber, da diese im völligen Gegensatz zu der herkömmlichen akademischen Tradition die Wiedergabe formaler Details missachteten. Gegen die wachsende Bilderflut aus Landschaft und alltäglichem Leben kam der Historienmalerei allein die offizielle und öffentliche Vermächtnissicherung der konservativen Werte von Volk, Staat, Nation und Religion zu. Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) und Anton von Werner, der künstlerische Ratgeber des Kaisers, hatten deshalb die Historienmalerei als Staatskunst gefordert und gefördert.

Die Auseinandersetzung mit der jeweiligen Kunst des Nachbarlandes wurde in dem jüngst zu Ende geführten Forschungsvorhaben „Deutsch-Französische Kunstvermittlung 1871-1940: Transfer und Rezeption – Brüche und Kontinuitäten“ kunsthistorisch analysiert. Das von der VolkswagenStiftung geförderte Projekt widmete sich von Mai 1999 bis Oktober 2001 der systematischen Aufarbeitung des interkulturellen Transfers zwischen beiden beteiligten Nationen. Sechs junge Wissenschaftler werteten systematisch deutsche und französische Kunst- und Kulturzeitschriften, Ausstellungskataloge sowie Künstlermonographien aus, um die gegenseitigen ästhetischen Positionen über die Kunst „des anderen“ zu erschließen und anschließend in einer umfangreichen Datenbank zu erfassen. Das Projekt hat gezeigt, wie sehr der Prozess der gegenseitigen Wahrnehmung von der Initiative einzelner Vermittler abhängig war und dass diese bei aller Individualität in ihrer Argumentation von einem relativ festgefügten Satz an Vorstellungen über die Eigenschaften der Kunst beider Länder ausgegangen sind. Trotz teilweise widriger historischer Umstände war das gegenseitige Interesse kontinuierlich und kam erst während des Nationalsozialismus zum Erliegen.

Seit September dieses Jahres wird das Forschungsvorhaben über die Kunstvermittlung von 1871-1940 in einem Anschlussprojekt chronologisch fortgeführt. „Französische Kunst im Nachkriegsdeutschland – Deutsche Moderne in Frankreich nach 1945“ beschäftigt sich mit den intensiven und vielfältigen Beziehungen zwischen den beiden Staaten von 1945 bis zur documenta II (1959), die von der Forschung bisher allenfalls in Ansätzen untersucht worden sind. Das auf drei Jahre angelegte deutsch-französische Forschungsunternehmen, das das Forum mit Unterstützung der Thyssen-Stiftung durchführt, versteht sich als Beitrag zur europäischen Geschichte der Nachkriegsmoderne sowie als Möglichkeit der gezielten wissenschaftlichen Nachwuchsförderung.

Lobeshymnen

Mit der Idee der aktiven Nachwuchsförderung im kunsthistorischen Bereich einerseits sowie der bilateralen Grundlagenforschung und dem damit verbundenen Forschungstransfer zwischen den zwei Staaten andererseits ist Gründungsdirektor Gaehtgens auch bei den Museen und Universitäten im Gastland auf Anerkennung und Unterstützung gestoßen. Regelmäßig finden sich französische Kunsthistoriker an der Place des Victoires zu international besetzten Kolloquien oder Diskussionsrunden ein. Zu den ständigen Gästen zählt der Präsident des Louvre, Pierre Rosenberg. Als „Musterbeispiel für eine bereichernde deutsch-französische Zusammenarbeit“ lobte auch die Sonderberaterin des Bundeskanzlers, die Französin Brigitte Sauzay, Gaehtgens‘ Initiative zur Gründung des Deutschen Forums für Kunstgeschichte. Anerkennung zollte schließlich Bundeskanzler Gerhard Schröder persönlich, der sich im März dieses Jahres bei einem Besuch des Forums einen Einblick in die vielversprechende Vermittlungsarbeit verschaffte.

Ilka Seer


Deutsches Forum für Kunstgeschichte, 10 Place des Victoires,
75002 Paris,

Tel: 00 33 / 1 / 42 60 67 82,
E-Mail: dt.forum@wanadoo.fr

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