Logo FU Berlin
Logo FU-Nachrichten
 
TitelSchwerpunktSeite Drei InnenansichtenWissenschaftLeuteStudierendeDahlem DigitalDie Letzte
FU-Nachrichten HomeVolltextsucheLeserbrief schreiben...ImpressumPressestelle der FU

FU-Nachrichten 7-2000
Wissenschaft

Inhalt

   

Am Institut für Angewandte Genetik werden resistente Rapssorten gezüchtet, um Pilzkrankheiten zu begegnen

Von Dietrich von Richthofen

Der Lärm ist kaum verstummt, seit im Mai 2000 bekannt gegeben wurde, dass gentechnisch manipulierter Raps auf Deutschlands Felder gelangt war. Das nicht gekennzeichnete Saatgut aus Kanada war nach Deutschland, Frankreich und Schweden importiert worden. Obwohl die Rapssaat laut Umweltministerium nur zu 0,03% mit transgenen Samen verunreinigt war, schlugen die Wellen hoch: Der europäische Schutzwall gegen genetisch veränderte Pflanzen muss bestehen bleiben, fordern die Umweltorganisationen.

Maria Dolores Sacristan ist Spezialistin für Raps. Am Institut für Angewandte Genetik des Fachbereichs Biologie, Chemie, Pharmazie leitet sie seit 1977 Projekte zur Züchtung resistenter Rapspflanzen. Sacristan kooperiert mit den Züchterverbänden und dem Bundesministerium für Landwirtschaft. Interesse der Industrie an ihren Arbeiten ist reichlich vorhanden. Dies erstaunt nicht: Der Raps ist eine Pflanze mit großer wirtschaftlicher Bedeutung. Aus seinen Samen wird Öl gewonnen, das zur Ernährung genauso wie zu technischen Zwecken dient. Der Presskuchen wird als eiweißhaltiges Futtermittel verwendet. Der aus Rapsöl hergestellte Biodiesel ist ein Hoffnungsträger unter den nachwachsenden Rohstoffen.
Leider ist der Raps auch anfällig für Schädlinge: Sein ärgster Feind heißt Leptosphaeria maculans. Die befallenen Pflanzen faulen an Wurzel und Stängel und sterben meistens ab. Wenn der Schädling sich in einem Rapsfeld ausbreitet, muss mit Ertragseinbußen zwischen 20 und 60 Prozent gerechnet werden. Gegen diesen Pilz will Sacristan den Raps resistent machen.

Weltweit wird den Pilzen durch internationalen Saatgutaustausch der Weg zur Ausbreitung geebnet. "1972 kam es in Australien zu der bisher größten Epidemie", erzählt Hendrik Winter, Mitarbeiter der Arbeitsgruppe. "Der gesamte Kontinent war betroffen. Leptosphaeria brachte den Rapsanbau fast zum Erliegen. Daraufhin wurde dort das erste große Züchtungsprogramm begründet."

Brassica napus, wie die Rapspflanze botanisch heißt, trägt kaum Resistenzgene in ihrem Erbgut. Gegen Pilze wie Leptosphaeria oder auch Alternaria ist ein anderes Kraut gewachsen: Sinapis arvensis, der Ackersenf, und Coincya monensis, der Schnabelsenf, eigentlich nur als Unkraut bekannt, sind beide eng verwandte Arten vom Raps. Sie haben Gene, die ihnen die nötige Widerstandsfähigkeit verleihen. In ihren neuen Projekten wollen Sacristan und ihre Mitarbeiter diese natürliche Resistenzquelle erschließen: Es gilt, das verantwortliche Gen auf den Raps zu übertragen.
"Was wir da machen, hat mit Gentechnik im Sinne des Gesetzes eigentlich nichts zu tun", sagt Hendrik Winter. "Die Abgrenzung zwischen Gentechnik und herkömmlicher Züchtung ist nicht immer einfach. Als Gentechnik gilt es, wenn man ein Gen aus einem Lebewesen isoliert und anschließend durch einen Vektor, eine Art Genfähre, in das Genom eines anderen einbaut. Dies ist in unserem Fall aber gar nicht möglich, weil nicht bekannt ist, wo sich das Resistenzgen befindet."
Für den Anbau der Rapspflanzen wird keine staatliche Genehmigung benötigt. Dies ebnet auch den Weg für kommerzielle Interessen an den Produkten der Züchtung.

Die Methode der Wahl ist somit die "klassische Züchtung". Natürlich ist seit Gregor Mendel auch auf diesem Gebiet viel passiert. Während früher nur innerhalb einer Art gekreuzt und selektiert werden konnte, ermöglichen heute moderne Techniken der Biotechnologie, verschiedene Arten zu paaren. So werden zum Beispiel Zellen von Raps und Ackersenf miteinander vereint und dann auf optimalen Nährmedien herangezogen. Bei dieser so genannten "Zellfusion" wird das genetische Material von zwei Arten in einer Zelle zusammengebracht. Sind die Arten nicht nah miteinander verwandt, kommt es zu Problemen bei der Fortpflanzung, die Zellteilung kann nicht stattfinden. Gelingt es aber, solche Hybridwesen am Leben zu halten, vereinen sie die Eigenschaften beider Arten in sich. Beispiele aus dem Tierreich sind die Schiege, ein Mischwesen aus Schaf und Ziege, oder der Maulesel. Pflanzen sind toleranter gegenüber Artverschiedenheiten bei der Vermehrung. Hier gelingt es eher, verschiedene Arten miteinander zu kreuzen.

Doch damit ist es nicht getan. Schließlich will man keinen "Ackerraps" sondern Rapspflanzen, die lediglich die Eigenschaft der Resistenz aus anderen Pflanzen übernommen haben. Durch Rückkreuzungen kann man sich dem ursprünglichen Ausgangspunkt wieder annähern. Die Pflanzen erster Generation werden dabei mit reinen Rapspflanzen gekreuzt, wobei der Anteil an Erbgut der Wildpflanzen mit jeder Generation abnimmt. Nachdem mehrere Rückkreuzungsgenerationen durchlaufen sind, werden die resistenten und fruchtbaren Pflanzen selektiert. Durch Genomische in situ Hybridisierung (GISH), bei der die DNA-Sequenzen der Wildpflanzen mit einem floureszierenden Protein markiert werden, kann man feststellen, welcher Anteil an fremdem Erbgut in den Pflanzen vorhanden ist. Um auf Resistenz zu prüfen, infiziert man die Pflanzen künstlich mit dem in Kultur gehaltenen Pilz. Nach wenigen Tagen sieht man, wie die Pflanze auf die Infektion reagiert. Bei der Rückkreuzung ist es dem Zufall überlassen, welche importierten Gene mitvererbt werden. Bei vielen Pflanzen geht die Resistenz wieder verloren, bei anderen gibt es Probleme mit der Fruchtbarkeit. Züchtung ist mühsame Arbeit, die viel Ausdauer verlangt.

Inzwischen liegen schon erste Ergebnisse vor. Doch die sind noch nicht zufrieden stellend. "Sechs bis sieben Jahre wird es noch dauern", schätzt Winter, "bis die ersten Pflanzen marktreif sind." Bleibt nur zu hoffen, dass die kleine, ländliche Idylle im Herzen Dahlems nicht den Bauinteressen der Unternehmer zum Opfer fällt. "Wir haben schon Anfragen, ob die alte Obstbaumwiese nicht zu einen Tennisplatz umfunktioniert werden könnte."

 
 
Nach oben...