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160 S. mit nützlichen Tipps für Auswahlgespräche
Preis: 24,80 Mark
ISSN: 1615-228X

auswahlgespraeche.de

Prof. Dr. Reutter,
Vizepräsident für
Medizin

   

Von Irene Portnoi

Der Überzeugendste wird siegen
Foto: Ausserhofer

    "Warum möchten Sie Arzt werden?"
    "Was halten Sie von Seehofers Gesundheitspolitik?"
    "Wie finden Sie die gesundheitliche Versorgung in Deutschland?"
    "Was macht einen guten Arzt aus?"
    "Wie ist Ihre Meinung zu den Tierversuchen?"
    "Würden Sie 80 Stunden in der Woche arbeiten?"

Schon bald werden viele Studienbewerber sich vielleicht gerade diesen Fragen in einem Auswahlgespräch vor einer Kommission stellen müssen. Der sehr gute Abiturdurchschnitt oder die lange Wartezeit sind nicht mehr die einzigen entscheidenden Faktoren für den Erfolg einer Bewerbung um einen Studienplatz. Denn ab dem kommenden Wintersemester 2000/2001 dürfen Hochschulen im bundesweiten Allgemeinen Auswahlverfahren der ZVS 20 Prozent der Studienplätze in Eigenregie vergeben – so sieht dies das neue Hochschulrahmengesetz vor. Damit werden Auswahlgespräche in den NC-Fächern wie Architektur, BWL, Biologie, Human-, Tier- und Zahnmedizin, Pharmazie, Psychologie und Jura immer wichtiger.

An der Freien Universität werden ab dem kommenden Semester erst einmal die Fachbereiche Humanmedizin und Wirtschaftswissenschaft ihre Studienanfänger selbst auswählen.

"Gut durchdachte Auswahlgespräche können die persönliche Eignung und Motivation der Bewerberinnen und Bewerber überprüfen. Laut Untersuchungen sind das einige der entscheidenden Faktoren für den späteren Erfolg im Studium", sagt Hans-Werner Rückert, Leiter der Zentraleinrichtung Studienberatung und Psychologische Beratung.

Der Vizepräsident für den medizinischen Bereich, Professor Werner Reutter, hält die neue Regelung für "einen Schritt in die richtige Richtung. Die FU übernimmt hier eine Vorreiterrolle", sagt er. "Vor allem in Medizin sollten wir nicht nach dem NC auswählen. Meine Erfahrung zeigt, dass wirklich gute Ärzte sich nicht durch einen Einser-Durchschnitt im Abitur, sondern durch ihr Können, ihre Sozialkompetenz und durch ihr Engagement auszeichnen. Auch wenn subjektive Faktoren im Auswahlgespräch nicht auszuschließen sind und die Kollegen in der Auswahlkommission viel Zeit verlieren, halte ich Auswahlgespräche für ein sinnvolles Verfahren."

Ab August 2000 schickt die ZVS Bewerbungsunterlagen von circa 90 Interessenten, die nach dem NC keinen Studienplatz in Medizin erhalten haben und in einem speziellen Verfahren ausgelost wurden, an den Fachbereich Humanmedizin der FU. "Wir werden 6 bis 8 Kommissionen aus jeweils zwei Professorinnen und Professoren bilden und mit allen 90 Bewerbern zwanzigminütige Interviews führen. Jeder Dritte bekommt dann unverzüglich den begehrten Studienplatz", sagt Dekanatsleiterin Professorin Ulrike Gutermann. "Die Interviewpartner und die Kommissionsmitglieder bleiben bis zum Schluss anonym, damit kein Betrug ermöglicht wird", sagt sie.

Die Abiturientin Nadja-Alexandra Prüter, die sich jetzt bei der ZVS um einen Studienplatz in Zahnmedizin bewirbt, freut sich, wenn sie durch ein Auswahlgespräch eine weitere Chance bekommt: "Meine Abiturnote ist leider nicht so gut. Aber ich bin sicher, dass ich eine sehr gute Zahnärztin werde. Schließlich habe ich jahrelang als Zahnarzthelferin gearbeitet und weiß, was auf mich zukommt. Im Auswahlgespräch werde ich bestimmt überzeugen."

Auch der Fachbereich Wirtschaftswissenschaft hat sich schon seit langem nach moderneren Auswahlverfahren für Studienplatzbewerber gesehnt: "Angehende BWLer sollten fit in Englisch sein, sollten gut rechnen können und müssen redegewandt sein. Was nutzen uns Top-Abiturienten, die Biologie und Kunst als Leistungskurse hatten und Englisch schon nach der zehnten Klasse abgewählt haben", so der Dekan Professor Georg Schreyögg.

Ausgearbeitet ist ein Modell, das um die von der Interviewforschung als nicht objektiv beurteilten Auswahlgespräche einen großen Bogen macht: Die 60 bis 90 von der ZVS abgelehnten Abiturzeugnisse werden im Hinblick auf die Englisch-, Mathematik- und die Deutschnote verglichen. Aus diesen drei Noten soll dann der Durchschnitt gebildet werden, der über das Schicksal der Bewerberin oder des Bewerbers ent-scheidet. "Dies ist ein Anfang. Weitere Schritte sollen folgen", sagt Schreyögg. "Dieses Verfahren scheint uns am besten, weil viele Studienanfänger, die wir sonst von der ZVS bekommen, für dieses Studium nicht wirklich geeignet sind." Für VWL soll zum Sommersemester 2001 ebenfalls ein neuer Zulassungs-Modus beschlossen werden.

Einen Strich durch die Rechnung des Fachbereichs macht jedoch die Rechtsabteilung der FU. Das entwickelte Auswahlmodell sei rechtswidrig. "Es wird sicher Klagen regnen", sagt auch der ZVS-Sprecher Bernhard Scheer, der dem Fachbereich nahe legen möchte, lieber doch Auswahlgespräche zu führen. "Es wäre unfair nach diesen drei Noten auszuwählen. In der Schule kommen oft Kurse nicht zustande aus Gründen, die ein Bewerber nicht verantworten kann. Von Chancengleichheit kann dann keine Rede sein."

Die endgültige Entscheidung über das Auswahlmodell des Fachbereichs wird der akademische Senat nach Redaktionsschluss fällen.

 
 
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