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[Inszenierung darf keine Lüge sein]

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Der Name als Marke: Sandra Maischberger.

Die Fernsehmoderatorin Sandra Maischberger war Schirmherrin des Kongresses „Politik als Marke“. Oliver Trenkamp sprach mit ihr über Inszenierungen von Politikern, die Fantasie Joschka Fischers und ihren eigenen Markenwert.

Wo hört für Sie die Kommunikation auf, wo beginnt die Inszenierung?

Jeder kennt den Auftritt von Guido Westerwelle und die 18 Prozent unter seiner Schuhsohle. Das ist sicherlich die auffälligste Art der Inszenierung. Eine ganz unauffällige Art war Helmut Schmidts Mütze, die er auch bei einem Besuch in Ägypten nicht abgelegt hat. Das sollte vielleicht den zu Hause gebliebenen Wähler signalisieren: „Egal, wohin ich reise, meine Identität gebe ich nicht auf.“ Jeder begabte politische Rhetoriker, auch im antiken Griechenland oder im Römischen Senat, hat Inszenierung als Mittel benutzt. Für mich beginnt das Problem nicht in der Stärke der Inszenierung – sich darüber zu beklagen ist langweilig. Für mich beginnt das Problem da, wo die Inszenierung nicht auf einen Inhalt hinweist. Die FDP hat sich im letzten Wahlkampf unheimlich bemüht auf ihre Existenz hinzuweisen, auf ihre 18 Prozent. Folgte man der Inszenierung, war aber nichts da: Man wusste nicht, wofür die FDP steht. Damit habe ich ein Problem.

Gibt es Inszenierungen, die Sie bewundern?

Die Inszenierung der Bescheidenheit! Inszenierung darf keine Lüge sein. Wenn wir Politiker wie Helmut Schmidt als Marke sehen, dann gehört Bescheidenheit zum Markenkern. Betont er diese Bescheidenheit, ist das in Ordnung. Ich hätte ein Problem, wenn er Bescheidenheit inszenieren und gleichzeitig in Saus und Braus leben würde.

Wie gehen Sie im Rededuell vor, um übertriebene Inszenierung zu entlarven?

Die Grundvoraussetzung ist, dass man das eigene Medium als Bühne begreift. Am Anfang bin ich in Sendungen gegangen und habe gedacht: Ich unterhalte mich mit einem Menschen und der erzählt mir, was er denkt. Es hat ein bisschen gedauert bis ich begriffen habe, dass ich vor einer Fernsehkamera eine Bühne biete. Auf dieser Bühne wird nicht unbedingt nur die Kernaussage aufgeführt – es gibt auch Nebel und Ablenkung. Das ermöglicht mir heute, in einem Gespräch den Schritt heraus zu tun – vom Akteur hin zum Beobachter. Dann merken Sie, ob eine Inszenierung im Gang ist oder nicht. Wenn ich eine Inszenierung als solche erkenne, kann ich sie dem Zuschauer deutlich machen – verhindern kann ich sie nicht.

Bei wem ist Ihnen dieses Verdeutlichen besonders gut gelungen?

Eine Staatssekretärin aus dem Finanzministerium fragte ich vor der Sendung, ob wir über jedes einzelne Detail der Steuergesetzgebung reden könnten. Da sie sich als besonders sachkundig inszenieren wollte, sagte sie: „Natürlich.“ Das scheiterte schon bei einer Frage zum Halbeinkünfteverfahren, das sie nicht erklären konnte. Dabei wollte ich sie mit dieser Frage noch nicht einmal bloßstellen. Es war eine schlichte Erklärfrage.

Inszenieren Sie sich auch selbst? Ist Sandra Maischberger eine Marke?

Keinen blassen Schimmer! Letztendlich können das nur Menschen von außen sehen. Jedenfalls gibt es keine Absicht dahinter. Ich bin dazu auch gar nicht in der Lage. Ich bin ein relativ spontaner Mensch. Ich kann noch nicht mal eine Rede gut vorbereiten. Deshalb gelingt es mir nicht, mich so zielgerade zu inszenieren.

Gibt es jemanden, der sich extrem inszeniert?

Ich hab mich sehr gewundert, dass Guido Westerwelle auf einem „Arschleder“ – das ist wahrscheinlich ein Fachbegriff für die Art Unterlage, die man im Bergbau benutzt – 700 Meter unter die Erde rutscht, um ein Wahlprogramm zu verabschieden. In die Bild-Zeitung hat er es damit geschafft – woanders war davon nichts zu lesen. Die FDP hat ein neues Wahlprogramm – ist das eine Information, die es wert ist, an die Öffentlichkeit zu gelangen? Nein, wesentlich ist, was das neue Programm ist.

Schon wieder ein Beispiel aus der FDP?

Ich bin mir nicht sicher, ob sich auch der Außenminister sehr stark inszeniert. Er korrigiert jedenfalls die negativen Aspekte seines öffentlichen Bildes nicht mehr. Er ist in der Gefahr, sich zu inszenieren, weil er ein guter Rhetoriker ist. Die Menschen mit seiner Art von Fantasie sind immer in größerer Gefahr, sich zu inszenieren. Ich lese, dass der Kanzler sich inszeniert. Das kann ich so nicht feststellen – jedenfalls keine Änderung zum Gehabten. Jeder Politiker hat aber ein Mindestmaß an Selbstdarstellung.

Können Politiker überhaupt erfolgreich sein, ohne sich zu inszenieren?

Helmut Schmidt hat mal gesagt: „Man muss sich angenehm machen, weil man gewählt werden will.“ Das beinhaltet die Darstellung der eigenen Themen und der eigenen Person. Also müssen wir über das Maß der Inszenierung reden. Ist sie mit dem in Einklang zu bringen, was tatsächlich versprochen wurde? Mein Minimalwunsch ist, dass die Marke hält, was sie verspricht. Da liegt oft das Defizit. Der Markenkern ist zu wandelbar geworden. Von Gerhard Schröder hat man jede Position schon einmal gehört. Dann wird es schwierig zu wissen, was der Käufer unter der Marke Schröder bekommt.

Können Politiker erfolgreich sein, die ihren „Markenkern“ nicht verändern, in der Inszenierung aber unbegabt sind?

Ja, die Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer fällt mir sofort ein. Eine unglaublich begabte Denkerin, die in der Außendarstellung nie laut auftritt, in der Stimme nie kräftig, in der Kleidung nie auffällig, die nie einen großen Wirbel um sich gemacht hat. Auf diese Frau würde ich in der politischen Landschaft nur sehr ungern verzichten, weil sie einfach weiter denkt als viele andere und damit früher anfängt.

Foto: Urban

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