Kaiser Justinian.
Justinian steht auf dem Boden im festlichen Ornat. Die riesigen Bücherwände sind noch unbestückt, der Schreibtisch aufgeräumt. Was mich besonders an der römischen Rechtsgeschichte interessiert, sind die philosophischen Einflüsse, erzählt Cosima Möller, die frisch gebackene Professorin für Bürgerliches Recht und Römisches Recht und gerät in Schwung. Es stimme einfach nicht, vom Römischen Recht als reines case law zu sprechen, vielmehr sei es ein hoch ausgebildetes Rechtssystem. Ab dem Wintersemester will sie ihre Begeisterung für Römisches Recht mit den Studierenden teilen. Denn, davon ist Cosima Möller überzeugt, der Blick auf das Römische Recht weite den Blick über das geltende nationale Recht hinaus und mache damit frei, gültige Normen zu hinterfragen. Neben einer Vorlesung über die Grundzüge der Rechts- und Verfassungsgeschichte bietet die 41-Jährige Marburgerin als Kostprobe Digestenexegese und damit die Übersetzung und Auslegung Justinianscher Gesetze vom Lateinischen ins Deutsche an, womit sie römische Juristen in ihrer Werkstatt mit den Studenten aufsuchen möchte.
Cosima Möller (Foto: privat)
Ihre Forschungen zum römischen Privatrecht sind deutlich beeinflusst von ihrem Göttinger Habilitationsvater Okko Behrends, bei dem sie von 1990 bis 1996 Assistentin war, bevor sie ein Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) erhielt. Auch Behrends hat sich den philosophischen Einflüssen der Rechtsgeschichte verschrieben und versucht herauszustellen, inwieweit die römischen Juristen von der naturrechtlichen und der liberalen Rechtsphilosophie geprägt waren. Während unseres Gespräches hat sich die Mutter einer 14-jährigen Tochter auf ihre Homepage am Göttinger Institut geklickt, wo die Sekretärin netterweise inzwischen einen Hinweis auf die neue Stelle der allseits beliebten Mitarbeiterin angebracht hat.
Ich freue mich sehr darauf an der Freien Universität einen eigenen Lehrstuhl zu gestalten, sagt Cosima Möller und lässt die Wehmut über den Weggang aus Göttingen, wo sie die längste Zeit ihres Lebens gewohnt, studiert, geheiratet und geforscht hat, gleich vergessen. Ohnehin ist sie vor kurzem mit ihrer Familie in ein eigenes Haus nach Lüneburg gezogen, wo ihr Mann am Oberverwaltungsgericht arbeitet. Die Zugverbindung nach Berlin ist gut. In Berlin hat sich Cosima Möller eine Wohnung gesucht, um Mann und Tochter von der Großstadt und ihrem kulturellen Angebot zu begeistern.
In Berlin tritt Cosima Möller in große Fußstapfen, war doch ihr Vorgänger Uwe Wesel, der den Lehrstuhl auch durch seine publizistischen Werke deutlich geprägt hat. Doch auch darin hat Cosima Möller Erfahrung. In München war es kein geringerer als Claus-Wilhelm Canaris, dessen Lehrstuhl sie im Sommersemester 2002 nach der Habilitation vertrat. Dennoch hat es sie gefreut, dass sie die erste Frau ist, die nach Jutta Limbach, der Präsidentin des Goethe-Instituts, am juristischen Fachbereich der Freien Universität einen Lehrstuhl bekommen hat.
Neben der Römischen Rechtsgeschichte interessieren Cosima Möller vor allem grundlegende dogmatische Fragen im Allgemeinen Teil des BGB und des Schuldrechts. Seit einiger Zeit hat sie ihre Liebe zum Verbraucherschutz und Verbraucherprivatrecht entdeckt, über das sie ebenfalls eine Vorlesung anbietet. Im kleinen Bücherregal hinter dem Schreibtisch prangt in eindrucksvollem Rot der Bamberger/Roth, für den Cosima Möller gemeinsam mit Christiane Wendehorst das Verbraucherkreditrecht kommentiert hat.
Von dort ist es nicht weit zum Europarecht, was die Marburger Professorentochter ebenfalls verfolgt. Auch hier kommt ihr die Römische Rechtsgeschichte zu Gute. Alle europäischen Rechtsordnungen haben nun einmal ihre Wurzeln im Römischen Recht, sagt Cosima Möller, auch wenn das Römische Recht zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich rezipiert wurde. Die Beschäftigung mit der Antike ist deshalb alles andere als ein Glasperlenspiel. Ihr Blick geht dabei aus ihrem Bürofenster in die fast schon herbstlich getönten Blätter hinaus und verliert sich in der Weite der Landschaft. Genau der richtige Ort also, um einen von der Rechtsgeschichte geweiteten Blick auf die Dinge zu haben.
Felicitas von Aretin
Foto: KHI