Neue Studiengänge sprießen derzeit wie Pilze aus dem Boden, vor allem Bachelorund Masterstudien. Der neue Studiengang Internationale Beziehungen an der FU ist allerdings in vielerlei Hinsicht etwas Besonderes. So wurden die Studienanfänger am 22. Oktober persönlich von Außenminister Joschka Fischer begrüßt. Auch stellt der Studiengang eine bisher einzigartige Kooperation zwischen der Universität Potsdam, der Humboldt-Universität und der Freien Universität dar. Die Studenten sollen innerhalb von zwei Jahren lernen, wie die komplexen Vorgänge der internationalen Weltpolitik zusammenhängen. Sie sollen später in europäischen Verwaltungen, im Auswärtigen Amt, internationalen Nichtregierungsorganisationen oder auch internationalen Unternehmen arbeiten.
Joschka Fischer war sichtbar gut gelaunt, als er die Bühne im Audimax des Henry-Ford-Baus betrat. Erst gratulierte er den Studenten zur Wahl ihres Studienfachs. Dann legte er aus dem Stegreif eine vierzigminütige Analyse der Weltpolitik hin. Globalisierung oder Unilateralität der Weltmacht USA? Kann es eine echte Teilhabe aller Völker geben? Was tun mit kollabierenden Staaten? Für die Studenten des neuen Studiengangs gelte es, die komplexen Vorgänge in internationalen Chaos zu begreifen und mit ihnen umgehen zu lernen.
Zum Abschluss lud Fischer die Studenten zu einem Ausflug ins Auswärtige Amt ein Anschauungsunterricht in realer Weltpolitik.
Nur sechs Wochen hatten die Koordinatoren Zeit, um den Studiengang anzukündigen. Doch der Andrang war trotz der kurzen Ausschreibungsfrist groß. Über hundert Bewerbungen auf dreißig Studienplätze hatte es gegeben etwa zwanzig Prozent kamen aus den USA, Kanada, West- und Osteuropa. Sechzig Prozent der deutschen Bewerber hatten ihren ersten Abschluss an einer ausländischen Uni erworben und waren jetzt zurückgekehrt. Das zeigt doch deutlich, dass ein Studiengang wie der Master Internationale Beziehungen genau das ist, was wir in Deutschland brauchen, um dem Brain-Drain entgegenzuwirken, meint Professor Thomas Risse, Leiter des Center for Transatlantic Foreign and Security Policy Studies am Otto-Suhr-Institut. Er hatte sich für den neuen Studiengang stark gemacht.
Eva Dingel, Semestersprecherin im Studiengang, kann dieser Einschätzung nur zustimmen. Sie hatte in London einen Bachelor in European Studies gemacht und wollte in Deutschland weiterstudieren. Doch vier Jahre Studium in England sollten ihr lediglich als Vordiplom anerkannt werden. Ich hatte schon überlegt, wieder zurück nach England oder nach Amerika zu gehen, als ich durch Zufall von diesem neuen Studiengang erfuhr, erzählt sie.
Nach den ersten Wochen des Studiums ist die junge Frau begeistert. Die Dozenten seien sehr motiviert und das Niveau hoch. Auch die Studenten schlafen nicht: Schon nach wenigen Wochen hatten sie eine EMail-Liste und einen regelmäßigen Stammtisch organisiert.
In vier Semestern sollen die dreißig Studenten lernen, wie internationale Politik funktioniert. Der Studiengang gliedert sich dazu in Basis- und Aufbaumodule. In den Basismodulen soll fundiertes Grundwissen in den Kernbereichen der Internationalen Beziehungen erarbeitet werden. Die Aufbaumodule dienen der individuellen Schwerpunktbildung und der fachlichen und methodischen Vertiefung. Im vierten Semester kommt eine Masterarbeit hinzu. Wer zu Beginn des Studiengangs noch keine Auslandserfahrung hat, muss für ein Semester an eine ausländische Universität. Außerdem müssen alle ein dreimonatiges Vollzeitpraktikum absolvieren. Die Einladung von Joschka Fischer stieß bei den Leitern des Studiengangs nicht auf taube Ohren. Für Thomas Risse war sie Anstoß, ein Kolloquium einzurichten, zu dem regelmäßig Praktiker aus den Ministerien sowie der Wirtschaft eingeladen werden. Im Moment tüftelt er außerdem an einer Kooperation mit der Columbia-University in New York City. Wenn alles klappt, könnten die Studenten ein Jahr in Berlin und eines in New York studieren. Am Ende erhalten sie dann einen Doppelabschluss von beiden Universitäten. Der Studiengang ist noch nicht vollends ausgereift, sagt Thomas Risse. Wir arbeiten daran Verbesserungen und neue Vorschläge einzubauen. Der Start scheint jedenfalls geglückt zu sein.
Isabel Pasch