Paläontologen der Freien Universität und der Universität Lanzhou bei der Bohrung auf dem zugefrorenen tibetanischen See.
Berliner und chinesische Geowissenschaftler wollen die Klimaentwicklung der vergangenen 14.000 Jahre in China rekonstruieren. Dafür reisten sie ins Qilian-Gebirge am Nordrand Tibets, wo sie auf einem zugefrorenen See Bohrungen durch das Eis hindurch bis in die Seesedimente nieder brachten. Zwei 14 Meter lange Kerne wurden an die Oberfläche gefördert, an deren Basis der Übergang von groben Kiesen zu feinkörnigen Seesedimenten vom Beginn der Seenentwicklung nach dem Ende der letzten Eiszeit kündet. Nachfolgende Analysen der Sedimente am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin und an der Lanzhou Universität erlauben es, die Entwicklung der klimatischen Verhältnisse dieser Region zurück zu verfolgen.
Seit über zehn Jahren erforschen Geowissenschaftler der Freien Universität bereits die Klimageschichte Zentralasiens. Diese Region ist deshalb so interessant, weil sie an der Grenze zwischen Westwindzone und asiatischem Sommermonsun liegend besonders sensibel auf Veränderungen der Windzirkulationssysteme der Nordhalbkugel reagiert. Einen Schlüssel zur Rekonstruktion der klimatischen Veränderungen dieses Gebietes liefern dabei Ablagerungen am Seeboden, die im Laufe der Jahrtausende mehrere Meter mächtige Sedimente bilden. Neben einem hohen Anteil von Kalken, die sich im See gebildet haben, werden auch Reste von Kleinstlebewesen, wie Muschelkrebse oder Algen und eingewehter Pollen der umgebenden Vegetation erhalten. In derartigen Sedimenten werden somit Veränderungen der Umweltbedingungen und des Klimas einer Region archiviert.
Die Qilian-Berge sind ein hauptsächlich von Halb-Nomaden und ihren Jak-Herden
bevölkertes Gebiet.
Die bis auf 6.000 Meter aufragenden Qilian-Berge sind ein hauptsächlich von Halb-Nomaden mit Jak-Herden bevölkertes Gebiet. Die Wissenschaftler hatten einen kleinen See auf 3.200 Meter Höhe zur Bohrung ausgewählt, da er an der klimatisch sensiblen Baumgrenze liegt und mit seinem extrem kleinen Einzugsgebiet ein vergleichsweise leicht verständliches, modellhaftes Ökosystem darstellt. Der Zeitpunkt im tiefen Winter war gewählt worden, um das schwere Bohrgerät auf der Eisdecke des Sees errichten zu können im Sommer hätte man auf schwankenden Booten oder Pontons operieren müssen, was neben erheblichen Schwierigkeiten beim Bohren auch einen Mehraufwand an Kosten bedeutet hätte. Die Kälte erlaubte allerdings ein Arbeiten nur während der Sonnenscheinstunden. Die Anstrengungen wurden belohnt mit zwei 14 Meter langen Bohrkernen, mit deren Basis höchstwahrscheinlich der Beginn der Seenentwicklung nach der letzten Eiszeit vor ca. 18.000 Jahren erfasst wurde. Die beiden Proben stellen nun die längsten Bohrkerne dar, die bislang für paläoklimatische Forschungszwecke aus dieser Region zu Tage gefördert wurden. Es schließen sich Untersuchungen an, die dieses geologische Archiv klimageschichtlich hochauflösend auswerten sollen. Geochemische Parameter wie z.B. der Gesamtgehalt der organischen Substanz und sedimentologische Parameter wie z.B. die Korngrößenzusammensetzung werden an der Universität Lanzhou analysiert. Die Schalen der etwa ein Millimeter großen Muschelkrebse und die erhaltenen Pollen werden von Steffen Mischke und Ulrike Herzschuh, beide Paläontologen am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität, untersucht.
Wanderer zwischen den Welten:
Dr. Steffen Mischke und Ulrike Herzschuh forschen in China und Deutschland.
Über die Veränderung des Artenspektrums im Laufe der Zeit lassen sich Informationen zum Zustand des Ökosystems See (Seetiefe, Nährstoffgehalt, Salzgehalt) und der umgebenden Vegetation gewinnen. Aus diesen Informationen wiederum können Rückschlüsse auf den Wandel des Klimas in dieser Region im Laufe der vergangenen 14.000 Jahre gezogen werden. Derartige Arbeiten liefern die Grundlage für Klimamodelle, die Voraussagen über die zukünftige Klima-Entwicklung gestatten. Da ein Großteil der relevanten Untersuchungsgebiete auf dem Territorium der Volksrepublik China liegt, kommt der seit Beginn der neunziger Jahre bestehenden und im Laufe der Jahre kontinuierlich intensivierten Kooperation der Freien Universität mit der Universität Lanzhou besondere Bedeutung bei der Realisierung derartiger Forschungsvorhaben zu. Professor Frank Riedel, der das Interdisziplinäre Zentrum: Ökosystemdynamik in Zentralasien am Fachbereich Geowissenschaften der Freien Universität Berlin leitet, ist für die Planung und Durchführung des Forschungsvorhabens verantwortlich.
Ilka Seer
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