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Anke Ziemer Foto: Grübmeyer Sie haben die Revolutionsliteratur gelesen, den Wäscheklammerzünder kennen gelernt, Entführungen trainiert und warten: auf Revolution. Damit aber das Warten nicht vollends zermürbt und die Angst vor Bomben und Tod sie nicht schon vor dem Tag X an ihren hehren Zielen zweifeln lässt, vertreiben sich die Revolutionäre in spe die Zeit bis zum großen Einsatz mit Tango, Zirkel-Training und Psycho-Tests. Der Studiobühne der Freien Universität sind keine ästhetischen Grenzen gesetzt. In "Revolutionäre" suchen sowohl professionelle Schauspieler als auch Laien voller Begeisterung nach neuen theatralischen Ausdrucksmitteln, nach Kontakten zu Berufskollegen und nach kreativem Ausgleich zum theorielastigen Studium. Einige finden dabei ihre Berufung, andere vielleicht das nächste Engagement. Die Nachwuchsregisseurin Kerstin Grübmeyer verbindet in der aktuellen Studiobühnen-Produktion selbst verfasste Texte, die durch ihre Beschäftigung mit Büchner, Camus, de Sade, Sarah Kane und der RAF entstanden sind, mit mehreren Videoprojektionen. Wichtig ist ihr, dass möglichst experimentell gearbeitet wird: In zahlreichen, lose aneinander gereihten Szenen entwirft die Studentin den Alltag jenseits der großen Taten. Wer an den Schlaf der Welt rühren will, muss ihm mindestens auf beobachtende Weise schon einmal nahe gekommen sein. "Ich wollte nicht Büchner neu inszenieren, sondern das Individuelle hinter dem Topos zeigen: Was sind Revolutionäre für Menschen, welche Probleme haben sie, wie verbringen sie ihren Feierabend; aber auch: Was denken sie über ihre Ideen und welche Opfer sind sie bereit zu bringen?", erklärt die ambitionierte Studentin der Theaterwissenschaft und Germanistik. In einem sehr abstrakten Bühnenbild schwarzer Bühnenraum mit verstreuten Elementen eines Kinderspielplatzes erforschen die acht Schauspielerinnen und Schauspieler in assoziativer Manier ihr revolutionäres Potenzial. Die ebenfalls schwarzen Kostüme in Kombination mit wandlungsfähigen roten Tüchern symbolisieren die Gratwanderung zwischen Uniformiertheit und Individualität. Ihr Konzept folgt somit ganz der Studiobühnen-Tradition, brisante Themen, unbekannte oder schwer spielbare Stücke und unkonventionelle Theatermethoden auszuprobieren. Für seine zunächst einjährige Vertragszeit hat sich Martin Pohlmann viel vorgenommen: Neben eigener Theaterarbeit für "Revolutionäre" liefert er u.a. das Lichtdesign und Betreuung der neuen Produktionen will er sich vor allem für die Wiederanbindung der Studiobühne an das Institut für Theaterwissenschaft einsetzen. In Prof. Dr. Erika Fischer-Lichte und Dr. Christel Weiler hat er schon interessierte Mitstreiterinnen gefunden. "Mein größter Wunsch wäre eine eigene kleine Spielstätte, die sowohl Proben- als auch Aufführungsraum für szenische Lesungen oder Performances, d.h. nicht abendfüllende Programme, sein könnte. Denn die Projektleiter müssen leider immer noch viel Zeit und Energie verwenden, um Probenmöglichkeiten zu finden und sich Zugang zu so profanen Dingen wie Fax- oder Kopiergerät zu verschaffen." Die Geschichte der Studiobühne ist wechselvoll und stets abhängig vom Engagement des/der jeweiligen Leiters/Leiterin. Ende der fünfziger Jahre u.a. von Dieter Sturm, dem späteren Mitbegründer der Schaubühne, ins Leben gerufen, existierte sie zunächst nur wenige Jahre. Erst 1988 wurde sie durch Bernd Mottl und Marcel Pomplun im Zuge der Studentenstreiks wiederbelebt und durch einen Kellerraum in der Silberlaube, der leider nicht mehr zur Verfügung steht, sowie inzwischen ausgelaufene Projekttutorien zur "offiziellen" Einrichtung der FU. Trotz der finanziellen Misere gab es mehrere Produktionen, die sowohl in der Presse als auch auf überregionalen Bühnen große Beachtung fanden. Einige Inszenierungen erhielten Einladungen zu Gastspielen u.a. in Gießen, Köln, London und Avignon. "Obwohl wir uns nicht als Talente-Schmiede verstehen, sind doch mehrere Studiobühnen-Alumni inzwischen feste Größen in der deutschen Theaterlandschaft", verdeutlicht Martin Pohlmann die Bedeutung der Studiobühne. "Neben Dieter Sturm, Bernd Mottl und Marcel Pomplun haben sich inzwischen auch Lars-Ole Walburg, Tom Till und Stefan Bachmann als Mitgründer des Theaters Affekt sowie als freischaffende Regisseure einen Namen gemacht." Revolutionäre Text- und Videocollage über revolutionäre Menschen, Mythen, Rituale mit einem Spielplatz und 8 Schauspielern Internet: http://www.tzf.de Studiobühne der FU Berlin |
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