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Als eine von wenigen deutschen Universitäten verfügt die Freie Universität über eine aktive Abguss-Sammlung - Wo Götter und Helden weilen

Felicitas von Aretin

"Das Pergamon-Museum befindet sich in Berlin-Mitte", hört die Besucherin den Kustos der Abguss-Sammlung Antiker Plastik geduldig einer offensichtlich älteren Dame am Telefon erklären. "Wir bekommen ganz häufig solche Anrufe", erläutert Klaus Stemmer, die Arme auf die Theke gestützt, und deutet auf sein Reich: Seit der Wiedereröffnung der Abguss-Sammlung 1988 besitzt das Museum 1.400 Stücke. Auf Grund der Nähe zum Ägyptischen Museum suchten einige Besucher vergeblich die "Nofretete" in dem langgestreckten Raum der ehemaligen Polizeigarage. Viele Besucher bleiben. Denn die Abguss-Sammlung besitzt derart viele Schätze, dass der Besucher hier mühelos einen Nachmittag verbringen kann. Sei es, um "den doppelt-fußlosen Kuros von Samos", die nasenlose "Antenor-Kore", einen muskulösen "Herakles" oder den "Wagenlenker von Delphi" von allen Seiten zu betrachten. Ein besonderer Reiz liegt in der sich regelmäßig wandelnden Kulisse: Moderne Künstler verschaffen den antiken Göttern und Helden alle sechs Wochen neue Auftritte.

Inzwischen hat sich die Abguss-Sammlung im Berliner Kulturleben mit rund 10.000 Besuchern jährlich fest etabliert, darunter auch Kinder. "Während Erwachsene die Statuen oft als tot erleben, sind sie für Kinder äußerst lebendig", sagt der gebürtige Münchner. Regelmäßig halten Stemmer und seine Kollegen aus der Klassischen Archäologie zwischen den Helden Seminare ab. Oft stehen die gipsernen Torsi Künstlern Modell. Nur Studierende der Hochschule der Künste verirrten sich selten in die antike Welt.
"Wir sind die älteste Kultureinrichtung von Berlin", erzählt Klaus Stemmer und fügt mit Augenzwinkern hinzu, dass die anderen Museen Berlins dies nicht gerne hörten. Denn selbstverständlich war die 1696 gegründete Akademie der Künste mit einer Abguss-Sammlung ausgestattet, die kaum fünfzig Jahre nach ihrer Gründung einem Brand zum Opfer viel. Später bildete die Abguss-Sammlung den Mittelpunkt des Neuen Museums, bis sie 1911 als akademische Lehrmittelsammlung zur Friedrich-Wilhelms-Universität kam. Ein Wassereinbruch zerstörte im Zweiten Weltkrieg wertvolle Exponate, die in der Münze gelagert waren. "Außerdem haben russische Soldaten die Gipsabgüsse in den Wirren des Jahres 1945 als Zielscheiben benutzt". Nur Reliefs und Köpfe seien von Studierenden in das Pergamon-Museum bzw. in die Universität gebracht worden, um sie vor den wenig kunstliebenden Soldaten zu schützen.

Damit schien zunächst das "Aus" einer universitären Abguss-Sammlung eingeläutet. Der Zeitgeschmack verlangte nach dem Original, nicht der Kopie.
"Erst Ende der siebziger Jahre war die Zeit für ein Umdenken reif", erinnert sich Stemmer, der seit 1979 daran mitgearbeitet hat, im Westteil Berlins eine Abguss-Sammlung aufzubauen. Der Anfang war abenteuerlich. Die Abgüsse waren in Kellern und Seminarräumen untergebracht, bis 1988 anlässlich des Welt-Archäologen-Kongresses mit einer Sonderausstellung auch die Wiedereröffnung der Abguss-Sammlung in der von dem Architekten-Ehepaar Schüler umgestalteten ehemaligen Polizeigarage gefeiert werden konnte. "Sehen Sie, dieses blaue Schild verdanken wir der Pressestelle", sagt Stemmer launig beim Verlassen des Gebäudes, "denn Ihr Vorgänger wollte unbedingt dokumentieren, dass wir zum Seminar für Klassische Archäologie gehören". So zahlt die Freie Universität den Kustos, den Hiwi, die Miete, die Reinigung und den Strom; der Kultursenator stellt den aus allen Nähten platzenden Raum zur Verfügung. "Für Neuanschaffungen haben wir kein Geld", sagt Stemmer, der eine ganze Reihe von Aktivitäten entwickelt, um seine Sammlung dennoch zu vervollständigen. "Wir gehören schließlich zu den wenigen Universitäten in Deutschland, die überhaupt noch eine aktive Sammlung besitzen".

So hat die Abguss-Sammlung einen regen Förderverein, der den einen oder anderen Kauf ermöglicht. Derzeit wird für den so genannten Gallier Ludovisi gesammelt. Dank eines ausgezeichneten Kontaktes zur Gipsformerei der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz wird bisweilen das Unmögliche möglich. Und gelegentlich dient die antike Götter- und Heldenwelt als Fernsehkulisse. "Neulich kam eigens der Bayerische Rundfunk, um Michel Friedman im Kreis von starken Männern für die Sendung Mona Lisa zu filmen", sagt Stemmer, und das, obgleich es in München auch eine Abguss-Sammlung gibt.

 
 
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