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Chief Executing Officer Prof. Gaehtgens - ehemals Präsident der Freien Universität


Wie der scheidende Präsident die demokratischen Grundsätze dieser Universität über Bord wirft

Die großen Veränderungen der inneruniversitären Strukturen begannen im März 1997. Das Berliner Hochschulgesetz konnte aufgrund des Haushaltsstrukturgesetzes durch die Universitäten verändert werden Von dieser Möglichkeit machte die FU Gebrauch. Nach langen Diskussionen entschied sich der Akademische Senat am 27. Mai 1998 für die Einführung eines Erprobungsmodells. Die Folgen des Erprobungsmodells sind die Stärkung der Leitung durch vermehrte Kompetenzen bei gleichzeitiger Entmachtung der Gremien. Auf diesem Weg wandern die Entscheidungen in kleine Zirkel. Im Ergebnis kommt es zu Entscheidungen ohne Beteiligung der Betroffenen, insbesondere der Studierenden, und so zu einer Entdemokratisierung und Beschneidung der Mitbestimmungsrechte.


Alleinherrscher Gaehtgens

Das Präsidium entzieht sich der öffentlichen Kontrolle weitgehend. Die Sitzungen des Akademischen Senats werden von Prof. Gaehtgens aus einer Position der Macht geleitet, wobei kritische Fragen oder unpassende Anträge teilweise einfach überhört werden. Ähnlich flexibel ist der Umgang mit der Geschäftsordnung, die nur für missliebige Punkte Gültigkeit besitzt und sonst großzügig übergangen wird. Als weiteres Beispiel sei die jährliche Rechenschaftspflicht nach § 63 I BerlHG in Verbindung mit § 10 Teilgrundordnung (TGO) genannt. Im Juli 2002 legte das Präsidium mit zweijähriger Verspätung einen Rechenschaftsbericht für den Zeitraum 1999 - 2001 vor. In der anschließenden Diskussion bekannte sich Gaehtgens zum Rechtsverstoß und versprach, auch in der Zukunft weiter nach seinem Gutdünken zu handeln. Die Rechte der Gremienmitglieder werden mit Füßen getreten. Bezeichnend für den neuen Ton der Universitätsleitung ist es, wenn das Präsidium die Einladung zur Sitzung, auf der über den Rechenschaftsbericht diskutiert werden sollte, nicht nur verspätet versendet, sondern auf eine entsprechende Rüge hin per Mehrheitsbeschluss feststellen lässt, dass fristgemäß zur Sitzung geladen worden sei. Ein weiteres abschreckendes Beispiel bietet die Arbeit der Kommission für Lehrangelegenheiten. Diese ist unter dem Vorsitz der Vizepräsidentin Prof. Klann-Delius praktisch arbeitsunfähig, obgleich eine studentische Mehrheit vorhanden ist.


Evaluation für den Mülleimer

Das Erprobungsmodell war befristet bis zum Ablauf des Jahres 2002. Die Fortführung ist nach § 19 Abs. 5 TGO abhängig von einer Evaluation. Der Akademische Senat beschloss im Juni 2000, eine externe Arbeitsgruppe mit der Durchführung zu beauftragen. Die Arbeitsgruppe unter Leitung des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) trat 22 Monate nach Beginn des Erprobungszeitraums zusammen. Nach drei Sitzungen wurde ein Zwischenbericht und nach drei weiteren Zusammenkünften der Abschlussbericht vorgelegt. Auf 78 Seiten wurden 28 Empfehlungen ausgearbeitet. Sie reichen von der Einrichtung eines studentischen Ombudsmann bis zur Möglichkeit der Abwahl des Präsidiums. Der Akademische Senat beschloss im April 2002 ohne jegliche Diskussion über die Ergebnisse der Arbeitsgruppe die Fortführung des Erprobungsmodells. Eine Auswertung wurde auf einen späteren Termin verschoben und erfolgte bis zum heutigen Tag nicht.


Das Kuratorium schläft

Eine weitere Hürde für die Verlängerung des Erprobungsmodells war die Zustimmung des schlafenden Kuratoriums nach §64Abs.1 BerlHG. Dieses Gremium setzt sich aus vielen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zusammen, so ist auch Senator Dr. Flierl Mitglied. Aus der Gruppe der Studierenden kam der Antrag, eine weitere universitätsinterne Arbeitsgruppe zu bilden, um so - zusammen mit dem externen Gutachten - ein ausgewogenes Bild über das Erprobungsmodell und dessen Umsetzung zu erhalten. Nach langer Diskussion wurde mit knapper Mehrheit und Zustimmung des Senators eine Empfehlung an den Akademischen Senat abgegeben, eine solche Arbeitsgruppe einzurichten.


Wie bitte? Noch eine Arbeitsgruppe?

Statt dem Kuratoriumsbeschluss zu folgen, begnügte sich der AS mit der Feststellung, eine Evaluation läge schon auf dem Tisch. Eine weitere Arbeitsgruppe sei nicht nötig. Dass die neue Evaluation einen anderen Blickwinkel haben sollte, interessierte nicht. Selbst im vorliegenden externen Evaluationsbericht heißt es, dass die Grundrichtung der im Erprobungsmodell intendierten Änderungen von den Mitgliedern der Universität unterschiedlich bewertet wird. Sogar das Präsidium leistet in seinem Rechenschaftsbericht ein Lippenbekenntnis zur Transparenz politischer Entscheidungen. Im Rechenschaftsbericht findet sich auf Seite 13 folgende Zeile: In diesem Zeitraum (den kommenden Jahren) soll ein breiter inneruniversitärer Diskurs über die Modifizierungen und Weiterentwicklungen des Erprobungsmodells geführt werden. Es lassen sich viele zusätzliche Argumente für eine weitere Evaluation finden. Die Demokratiedefizite im Erprobungsmodell müssen aus Sicht aller Betroffenen diskutiert und behoben werden. Eine externe Evaluation bleibt auf kurze Befragungen beschränkt. In einer inneruniversitären Gruppe träfen die Erfahrungen unverfälscht aufeinander. Eine wirksame Kontrolle des Erprobungsmodells durch den Akademischen Senat setzt eine umfassende Information der Mitglieder voraus. Im Gegensatz zum Professorium, welches innerhalb informeller Treffen durch das Präsidium bestens informiert wird, sind gerade die Studierenden aus solchen Zirkeln ausgeschlossen. Die schon strukturellen Hindernisse könnten in einer Arbeitsgemeinschaft abgemildert werden. Das Ziel eines breiten inneruniversitären Diskurses lag in greifbarer Nähe.


AS ignoriert Kuratoriumsbeschluss und beschließt das Ende der Gruppenuniversität

Am 18. Dezember beschloss der Akademische Senat auf Vorlage des Präsidenten, dass eine weitere Arbeitsgruppe nicht erforderlich ist. Ein Gegenantrag der Studierenden fand keine Mehrheit. Die Eröffnung eines breiten Diskurses ist nicht gewollt. Eine Diskussion im AS wird auf späteren Termin verschoben. Dabei verriet sich die Mehrheit während der Diskussion selbst. Ein Gegenargument war, dass eine Einsetzung unterbleiben kann, da es jedem offen steht, sich in kleinen Gruppen zu treffen. Das Ergebnis ist die Verlagerung politischer Entscheidungen in kleine elitäre Zirkel. Der Senat wird zur überflüssigen Fassade für vorgefasste Entscheidungen. Eine Diskussion ist, wenn sie überhaupt erfolgt, nur noch die Wahrung des schönen Schein. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Freie Universität die Ideale ihrer Gründung verlässt und sich zu einer präsidialen Diktatur entwickelt. Mit Mühe und Not wird noch die Fassade der Gremienarbeit gewahrt.

Eine Vision für die Zukunft und eine treffende Abrechnung mit der Universität findet sich in einem Gespräch mit dem Beuysschüler Johannes Stüttgen:

DEFO: Welche Möglichkeiten gibt es für die Universität, umgeben von Sparzwängen, sich zu verändern?

Stüttgen: Nach meinem Dafürhalten darf es gar kein staatliches Hochschulwesen geben. Aber es soll nicht heißen, dass ich für das private Hochschulwesen wäre. Sondern ich bin für das öffentliche, selbstverwaltete Hochschulwesen. Der Staat hat sich darum zu kümmern, dass diese Freiheit garantiert wird. Und außerdem hat er sich, solange bei uns noch Steuern eingezogen werden, um eine gleichberechtigte Finanzierung zu kümmern. Über die Höhe der Zuwendungen für die Schulen und Hochschulen entscheidet das Volk. Das ist ganz einfach. Ich plädiere nicht für die katastrophale Ausbildungssituation, die wir im Moment haben, denn die ist verstaatlicht. Das sind praktisch DDR-Verhältnisse, die wir in Schulen und Hochschulen haben. Ich bin für radikale Selbstverwaltung, radikale Selbstbestimmung, mit der entsprechenden Finanzierungsgrundlage, die eine gesellschaftliche Gesamtfrage ist und mit der es im Moment ganz miserabel steht. Wir wissen ja, unser Hochschulwesen ist unter aller Kanone. Man schämt sich über die Zustände, die einem entgegenrauschen, wenn man ein Universitätsgebäude betritt. Diese uninteressante anonyme unmenschliche Atmosphäre, in der Lernen nicht möglich ist - in der der Geist gar nicht weht. Das spürt man dort mit jedem Atemzug. Da gehe ich rückwärts wieder raus. Und wenn ich in ein Seminar komme, das mag hier und da sehr interessant sein. Aber die gesamten Prüfungsordnungen!! Wenn ich mir überlege, dass die Leute letztendlich nur studieren, um irgendwelche Scheine zu machen, und die sind dann auch noch vorgeschrieben. Wo bleibt der kreative Geist? Der ist nirgendwo mehr zu finden. Das Studium ist heute nicht mehr als eine Massenabfertigung, wie eine Hühnerfarm. Das hat mit Studieren und kreativer Erforschung nichts zu tun. Das ist eine Katastrophe.

Jörn Hökendorf

(erschienen im DEFO-Info-Update 46/1 im WS 2002 / 2003)



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