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Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende? Zum Juristenausbildungsreformdiskussionsstand (April 1999)


Einleitung

"Die Diskussion um die Juristenausbildung gibt es schon so lange, wie es die Juristenausbildung überhaupt gibt." So oder ähnlich beginnen die meisten Betrachtungen, Analysen, Vorschläge etc. zu diesem Thema, und was liegt daher näher, als selbst ebenfalls damit zu beginnen? Allerdings ist der Tenor dieser Aussage meistens der, daß sich im Grunde genommen gar nichts ändern würde oder gar solle. Das mag für die vergangenen Jahrzehnte stimmen, deren "größte" erfolgreiche Revolution die Erfindung des Freiversuchs war (und der immerhin als so erfolgreich angesehen wird, daß er mittlerweile von den meisten anderen Studiengängen übernommen wird), der Versuch, die gesamte Ausbildung als "Einphasige Ausbildung" durchzuführen, war als mehr oder weniger kläglich gescheitert anzusehen.

Für die seit einiger Zeit losgetretene Diskussion über die Abschaffung des Referendariats gibt es jedoch starke Anzeichen, daß sie nicht ohne Folgen für die Juristenausbildung insgesamt bleiben wird, daß zeigt schon die Tatsache, wie viel, wie heftig und von wie vielen Stellung dazu bezogen wird. Um die aktuelle Debatte verstehen zu können, sollte man allerdings die


Hintergründe der Kritik (und deren Kritik)

kennen. Die Kritik kommt aus verschiedenen Gründen von verschiedenen Seiten, als da wären:


Die unmittelbar Betroffenen während des Studiums


Das Jurastudium galt schon immer als trocken, wenig anschaulich und schwierig vermittelbar. Daran hat sich in den letzten Jahren durch neue Konzepte der Wissensvermittlung sowohl bei Dozenten und Buchautoren als auch bei den Repetitoren schon einiges geändert. Nach wie vor blieb jedoch das Problem, daß an der Uni fast allein theoretisch ausgebildet wurde, während die Anwendung des Gelernten in der Praxis erst in einer zweiten Phase, dem Referendariat erfolgte. Die sogenannte Einphasige Ausbildung knüpfte hieran an, mußte aber scheitern, nicht nur weil ihre Abschlüsse (eher zu unrecht) als nicht gleichwertig galten, sondern vielmehr, weil sie eine intensive Betreuung in der Ausbildung voraussetzte, die in Zeiten des Massenstudiums nicht verwirklicht werden konnte. Auch änderte sie nichts an dem Problem, was v. a. von der zweiten Betroffenengruppe immer wieder beklagt wurde:


Die Hauptabnehmer der "fertigen" Juristen


Als solche betrachtet sich die Anwaltschaft. Tatsächlich geht die übergroße Mehrheit der Juristen freiwillig oder gezwungenermaßen in den Anwaltsberuf. Der Staat beschäftigt nur etwa 10 % der Absolventen und davon wiederum nur eine Minderheit in dem Beruf, auf den hin 100 % ausgebildet werden, nämlich als Richter. Zwar ist es das Leitbild der deutschen Juristenausbildung, daß mit der "Befähigung zum Richteramt" auch alle anderen Berufsbilder abgedeckt werden. Demgegenüber wird aber nicht nur von der Anwaltschaft, sondern auch von den Vertretern der Studierenden, die diese ja ebenfalls zum großen Teil als zukünftige Anwälte sehen, eingewandt, daß dieses Leitbild nur bedingt auch auf den Anwaltsberuf vorbereite: Gegenüber der streitentscheidenden Tätigkeit des Richters erfordere der streitvermeidende, beratende oder strafverteidigende Tätigkeitsbereich der Anwälte eigenständige Vorbereitung, die in Studium und Referendariat zuwenig oder gar nicht berücksichtigt werde, was allgemein unter dem Stichwort "Justizlastigkeit der Ausbildung" zusammengefaßt wird.

Demzufolge sei ein großer Teil (Schätzungen des Deutschen Anwaltvereins DAV sprechen von bis zu 50 %) der fertigen Juristen gezwungen, nahezu unvorbereitet als Einzelanwalt ins kalte Wasser des Berufslebens zu springen, womit nicht nur deren Existenz, sondern auch die Qualität der anwaltlichen Beratung insgesamt gefährdet sei. Von anwaltlicher Seite wird daher der Sinn der Ausrichtung auf die Befähigung zum Richteramt insgesamt angezweifelt und deshalb die Abschaffung des Referendariats oder zumindest eine stärkere Berücksichtigung anwaltlicher Belange in Studium und Referendariat gefordert. Diese Forderung wird schon seit langem erhoben und erhält neuerdings Unterstützung vom bislang schärfsten Gegner,


Vater Staat


Vater Staat ist pleite (jedenfalls in Berlin) oder sieht sich kurz davor. Die Finanzminister versuchen, ihren Kollegen möglichst viel wegzunehmen und diese suchen nach Einsparmöglichkeiten. So sind die Justizminister neuerdings nicht mehr der Ansicht, die einheitliche Ausbildung zum Richter würde Qualität sichern, sondern vor allem den Staat viel Geld kosten, obwohl davon doch in erster Linie andere den Nutzen davon hätten. Da sie - sicherlich zurecht - annehmen, die "zusätzlichen" Kosten (die bisher nie als solche angesehen wurden) nicht von denjenigen eintreiben zu können, die ja doch so sehr von der hervorragenden staatlichen Ausbildung profitierten (obwohl man das bei den Auszubildenden mit Prüfungs- und ähnlichen Gebühren ja teilweise schon versucht), soll jetzt jeder nur noch für den eigenen Bedarf ausbilden, womit die Anwälte gezwungen würden, die Kosten letztlich doch zu übernehmen und die Studierenden, die nicht zu diesem Bedarf gehören, letztlich auf der Strecke bleiben würden. Was das für Folgen haben könnte, wird später noch aufgezeigt werden, wichtig ist aber noch zu wissen, wie nämlich der Staat seine Sparprogrammen als "Reformen" zu verkaufen sucht. Seit einiger Zeit stehen nämlich


Die unmittelbar Betroffenen vor neuen Herausforderungen


Die eine Herausforderung wird von Studierenden und Referendaren in der Globalisierung gesehen, in erster Linie verstanden als Konkurrenz zur vielfach sehr viel kürzeren Dauer der Gesamtausbildung in anderen Ländern. Sicherlich ist die derzeitige Dauer von ca. 8 Jahren inklusive zweier Examen und Wartezeiten zu lang, nicht nur aus Konkurrenzgesichtspunkten. Andererseits erfordert die starke Unterschiedlichkeit in den Rechtsordnungen der verschiedenen Staaten der EU solange sie besteht (und das heißt noch auf längere Sicht) verschiedene Ausbildungen. Im übrigen hat die deutsche Ausbildung in Europa in Bezug auf ihre Qualität wohl einen ziemlich guten Ruf, insbesondere was die Fähigkeit betrifft, sich in Neues einzuarbeiten. Man sollte sich deshalb davor hüten, das Kind mit dem Bade auszuschütten, wenn man an eine Verkürzung der Ausbildungszeiten herangehen will.

Die andere Herausforderung ist die gewachsene Fülle des Stoffes, verschärft durch die von den Repetitoren geschürte Examensangst. Vor allem ist die Tiefe des Stoffes in den klassischen Fächern gewaltig angewachsen, ohne daß sich an der Breite des potentiell erforderlichen Wissens etwas geändert hat. So sind z. B. nur noch die "Grundzüge" des Familienrechts erforderlich, was aber gehört im Zweifel nicht mehr dazu? Verschärft durch den Freischuß hat sich ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Examensvorbereitung und damit zum kommerziellen Repetitor hin verlagert. Hier setzen nun verstärkt die Justizprüfungsämter an, die propagieren, die Kandidaten weniger auf ihre Detailkenntnisse als auf ihr allgemeines Verständnis prüfen zu wollen. Indes bleibt das Problem, daß es schwierig ist, herauszufinden, was unter diesem allgemeinen Verständnis zu verstehen ist und was nicht. Insgesamt ändert sich jedenfalls bisher nichts daran, daß es einen gewaltigen Block potentiell geforderten Stoffes gibt (man lese nur das Vorwort im Medicus zum gewachsenen Umfang des Buchs), der innerhalb einer kurzen Zeit im Ganzen in den Kopf geprügelt wird. Daran anknüpfend ist die wohl älteste Kritik am Staatsexamen überhaupt wieder angewachsen, nämlich:


Die Kritik der Universitäten


Die Universitäten haben sich schon immer (schon aus Statusgründen) für Universitätsabschlüsse stark gemacht. "Nur wer lehrt, prüft" und "Nur was gelehrt wurde, wird geprüft" sind die Schlagwortforderungen der Universitäten. Der Gesetzgeber hat sich (meines Erachtens aus guten Gründen) bisher dagegen gewandt. Insbesondere war es immer ein staatliches Anliegen, für eine vergleichbare Ausbildungsqualität derer zu sorgen, die seine wichtigsten Instrumente - Gesetze, Verordnungen und sonstige Rechtsnormen - in die Realität umsetzen sollen. Tatsächlich gilt heute ein "vb" aus Berlin ähnlich viel wie eines aus Niedersachsen oder Hessen. Die regionalen Unterschiede im Ansehen dürften im Bereich von Nachkommastellen liegen. Berücksichtigt man überdies, welche Notengebung mittlerweile in anderen Fächern üblich geworden ist (wenn z. B. ein "gut" als zweitbeste Note bereits unter dem Durchschnitt liegt), so erscheint ein reines Universitätsexamen umso fraglicher. Von den Wahlfächern einmal abgesehen halte ich ein Staatsexamen für unverzichtbar. Genauso wenig zu überzeugen vermag mich das (gerade in diesem Zusammenhang) derzeit verstärkt vorgebrachte Argument vom


Wettbewerb der Universitäten


Zum einen findet kein Wettbewerb ohne echte Nachfragemöglichkeiten statt, wenn nämlich Studierende von der ZVS zwangsweise auf Unis geschickt werden, auch wenn diese aufgrund ihres schlechten Angebots eigentlich kaum mehr Studierende haben würden, und umgekehrt können die Unis kaum in den Wettbewerb eintreten, wenn sie sich ihre Studierenden nicht aussuchen können, mit denen sie sich dem Wettbewerb stellen wollen. Auch wenn ein Wettbewerb im Zweifel nicht zu Konsequenzen führt, wenn insbesondere erkannte Schwächen wegen eines öffentlichen Dienstrechts nicht beseitigt werden können, obwohl die Universitäten an sich dazu gewillt wären, kann ein Wettbewerb nicht zum Erfolg führen. Aber das sind prinzipiell nur temporäre Probleme (weshalb sie trotzdem in der derzeitigen Diskussion berücksichtigt werden müssen, denn die Durchsetzbarkeit der notwendigen Veränderungen ist nahezu illusorisch).

Ferner ist aber noch ein Problem zu berücksichtigen, das meines Erachtens struktureller Natur ist: Selbst wenn Universitäten wie Unternehmen am freien Wissenschaftsmarkt teilnehmen könnten (und unabhängig von der Frage, ob dann wirklich die Ausbildungsqualität insgesamt gesteigert werden könnte, vgl. die USA), sie also auch finanziell an ihrem "Output" gemessen werden würden, so bliebe das ein Wettbewerb zu Lasten des "Outputs", nämlich zu Lasten der Studierenden. Einem schlechten Produkt, das im Regal vergammelt, kann diese Tatsache egal sein, einem Hochschulabsolvent, der aufgrund seiner unzureichenden Ausbildung in der Arbeitslosigkeit verschimmelt, wird dies ganz und gar nicht egal sein.


Die neuen Reformbestrebungen im Überblick

Wie bereits erwähnt, sind manche der genannten Probleme und Argumente neu oder stellen sich in neuer Qualität dar. Vor allem aber sind die leeren Staatskassen Motor der Entwicklung. Konnte man sich bisher eigentlich darauf verlassen, daß trotz vieler Reformvorschläge letzten Endes alles beim Alten blieb(vgl. das Eingangszitat), so erlebt man bei Geldmangel bekanntlich die umgekehrte Situation: Egal wie gut oder schlecht die Änderungsvorschläge auch sein mögen, Hauptsache, es wird "reformiert". (Will heißen, es muß nicht mehr so viel Geld hergegeben werden.)

Begonnen hat die Diskussion daher in voller Schärfe, nachdem die ersten Einsparungen staatlicherseits vorgenommen wurden, als z. B. Referendare zunehmend nicht mehr verbeamtet, sondern verstärkt als Angestellte eingestellt wurden, was für diese mit deutlichen Einkommensverlusten verbunden war. In Berlin, wo die finanzielle Situation noch dramatischer ist, kam man auf noch ganz andere Ideen wie Prüfungs- und als Immatrikulationsgebühren getarnte Studiengebühren, alles verbunden mit drastischen Einsparungen an den Universitäten.

Trotzdem deutete sich frühzeitig an, daß den leeren Kassen damit immer noch nicht Genüge getan war. Und da entdeckten die Justizminister, daß sie ja insgesamt ca. 1 Mrd. DM für den juristischen Vorbereitungsdienst, gemeinhin Referendariat genannt, jährlich ausgeben. Nachdem die Absicht, am Vorbereitungsdienst noch weiter herumzubasteln, offen zu Tage trat, haben sich natürlich sämtliche Interessenvertreter, die je nach Standpunkt Gefahren oder Morgenluft witterten, kräftig in die Reformdiskussion eingeklinkt.

Parallel zu dieser Entwicklung lebte die Diskussion um die Studieninhalte vor allem auf Seiten der Universitäten wieder auf; einerseits, weil ihnen die Studierenden zum Repetitor wegliefen, andererseits, weil die Globalisierungsdebatte die Studiendauer wieder stärker ins Blickfeld rückte.

Auch in Berlin hat man sich in den letzten Jahren seitens der beiden Universitäten und seitens des Justizprüfungsamts verstärkt Gedanken gemacht, die vor allem durch Kürzungen an den jeweiligen Etats bestimmt waren. Wohl um vor den Studierenden und auch vor sich selbst die anstehenden deutlichen Verschlechterungen rechtfertigen zu können, griff man die Gelegenheit beim Schopf, das gesamte Studium auch auf mögliche Verbesserungen hin zu prüfen. So wurde z. B. in einer professoralen Arbeitsgruppe ein Thesenpapier erarbeitet, das vor einem Jahr einigen Wirbel verursachte (vgl. den Bericht aus der ABK in Heft 38, S. 12). Wie der derzeitige Stand der Debatte an unserem Fachbereich aussieht, wird später noch beschrieben werden.

Die Reformdiskussionen erreichten einen vorläufigen Höhepunkt im vergangenen Herbst. Zuerst stellte die Justizministerkonferenz ihre Beschlüsse vor, in welche Richtung denn die Reformen gehen sollten. Kurz darauf fand der 62. Deutsche Juristentag statt, der sich überwiegend kritisch dazu äußerte, die Justizminister aber nicht beeindrucken konnte, die im November ihre Beschlüsse fast unverändert erneut darstellten. Parallel wurde ein "Ladenburger Manifest" veröffentlicht, daß ebenfalls ausführlich erörtert wurde. Im folgenden soll auf diese Stellungnahmen kurz eingegangen werden.


Die Beschlüsse der Justizministerkonferenz

Auf ihrer Herbstkonferenz am 5.November 1998 beschlossen die Justizminister, welche "Verhandlungslinie" weiteren Gesprächen mit den anderen Beteiligten zur Juristenausbildung zugrunde gelegt werden solle. Angesichts der zur Schau gestellten Entschlossenheit aufgrund der finanziellen Lage und der politischen Umsetzungsmöglichkeiten der Beteiligten spricht aber einiges dafür, daß die "Verhandlungen" bestenfalls zu Modifizierungen führen werden, daher nun auch


Die "Verhandlungslinie" im Wortlaut


Das Studium besteht aus einem einheitlichen Grundstudium für die Dauer von vier Semestern. Es besteht vorrangig in Kleingruppenarbeit und nur hilfsweise in Vorlesungen herkömmlichen Typs. Das angestrebte Niveau soll in etwa dem der jetzigen großen Scheine entsprechen, die z. Zt. nach Abschluß des 5./6. Semesters vorliegen.

Es findet eine Zwischenprüfung im Credit-Point-System statt.

Es finden Ferienpraktika im Wege der Ausbildung am Arbeitsplatz in der Justiz, Verwaltung oder/und Anwaltschaft statt. Das dort erworbene Wissen wird durch Integration in das Credit-Point-System abgeprüft. Praktische Studienzeiten der bisherigen Art finden nicht mehr statt.

Im 5./6. Semester findet ein allgemeines Vertiefungsstudium statt, das durch Kleingruppen oder/und Vorlesungen herkömmlicher Art, dann kombiniert mit einer Ausbildung in Praxisgruppen, gestaltet wird.

Eine Praxisphase von zwei Semestern einschließlich der Semesterferien (7./8. Semester) ist notwendig. Sie kann mehrere Berufsfelder umfassen. Die Aufnahme eines Ergänzungsstudiums anstelle der Praxisphase ist nicht möglich. Die staatliche Reglementierung verbleibt auf möglichst niedrigem Niveau.

Das 9. und 10. Semester besteht nach Wahl des Studenten aus einer Fortsetzung des Vertiefungsstudiums und einem Wahlfachstudium.

Das Examen findet im 11. Semester statt und vermittelt eine einheitliche Befähigung für alle volljuristischen, reglementierten Berufe. Es können Teile des Examens, z. B. schriftliche Prüfungen, vorverlagert werden. Die Prüfung besteht aus einem universitären und einem staatlichen Abschnitt.

Nach der Ausbildung ist eine praktische Einarbeitung in dem Beruf erforderlich, den der Jurist gewählt hat.

Die praktische Einarbeitung in den Beruf erfolgt für Justiz- und Verwaltungsdienst während der dienstrechtlichen, inhaltlich noch weiter zu konkretisierenden Probezeit.

Für die uneingeschränkte Zulassung zur Anwaltschaft ist neben dem Besuch bestimmter Fortbildungskurse eine praktische Tätigkeit bei einem selbständig tätigen zugelassenen Anwalt im Angestelltenverhältnis oder als freier Mitarbeiter zwischen einem und drei Jahren erforderlich, die der Bewerber in eigener Verantwortung aufzunehmen hat. Planung, Durchführung und Kontrolle dieser Vorbereitungsphase obliegen der Rechtsanwaltschaft, die auch zur Vorbereitung geeignete Fortbildungsveranstaltungen anbietet. Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, dem Bewerber eine angemessene Vergütung zu zahlen. Unter Umständen ist eine Mindestvergütungspflicht vorzusehen. Eine Prüfung findet nicht statt. Die praktische Tätigkeit als Richter oder in einem anderen juristischen Beruf kann die vorbereitende Tätigkeit in der Anwaltschaft ganz oder zum Teil ersetzen.

Außerdem wird die Justizministerin gebeten, sich für eine stärkere Schwerpunktbildung im Referendariat einzusetzen und auf eine entsprechende Änderung des Deutschen Richtergesetzes, das die zentrale Maßgabe für die juristische Ausbildung ist, hinzuwirken.


Kritik


Diese Beschlüsse, die auf die Abschaffung des Referendariats und damit erneut auf eine einphasige Ausbildung hinauslaufen, sind von verschiedener und insbesondere von studentischer Seite heftig kritisiert worden. Auch ich habe bereits kurz Stellung dazu bezogen ("Abschaffung des Referendariats?", Update Nr. 1 im WS 98/99) und möchte mit etwas mehr Platz noch einmal auf die einzelnen Punkte zurückkommen:

Die Vorstellungen, das Studium zu straffen, sind sicherlich begrüßenswert und durchführbar. Insbesondere sollte sich der Stoff der ersten fünf Semester auch in vier Semestern vermitteln und abprüfen lassen, wobei es dahinstehen kann, ob das als Zwischenprüfung oder durch große Scheine geschieht. Die Überlegungen am Fachbereich über die Einführung von Abschlußklausuren gehen jedenfalls in dieselbe Richtung. Auch die Vorstellungen von einer Abschichtung des Examens sind grundsätzlich zu begrüßen, weil sich sicherlich auch die Vorbereitung verkürzen ließe, wenn nicht mehr alles auf einmal gewußt werden müßte. Für problematisch hielte ich es erst, wenn auch Leistungen aus der frühen und mittleren Phase des Studiums ins Examen einfließen sollten. Allerdings sollte man es mit einer Verkürzung der Gesamtausbildung auch nicht übertreiben, da sonst die wissenschaftlichen Anforderungen viel zu kurz kommen werden. Man sollte ebenfalls nicht vergessen, daß die Länge des Studiums immer auch von den zu bewältigenden Anforderungen abhängt. In diesem Punkt sind die Vorstellungen der Justizminister daher zwar nicht prinzipiell abzulehnen, jedoch nachbesserungsbedürftig, ebenso wie die Vorstellung von Kleingruppenunterricht in den ersten Semestern, die jedenfalls mit den derzeitigen Gegebenheiten nicht zu vereinbaren sind.

Mit der Abschaffung des Referendariats und seiner inhaltlichen Eingliederung in das Studium wird eine alte Forderung der Studierenden aufgegriffen, das Studium praxisnäher zu gestalten (s. o.). Dabei soll offenbar auch der Stoff in etwas kürzerer Zeit vermittelt werden. Sofern damit die gesamte Ausbildungszeit gestrafft und die unseligen Wartezeiten auf einen Referendarsplatz beseitigt werden, wäre auch nichts dagegen einzuwenden, daß die mit dem Referendariat verbundenen Verdienstmöglichkeiten wegfallen, schließlich könnte man dann rund zwei Jahre früher anfangen zu arbeiten. Allerdings sehe ich noch keine Gewährleistung, daß die notwendigen Kapazitäten auch tatsächlich zur Verfügung stehen werden. Die Integration der Praktika in das sonstige Ausbildungs- und Prüfungsprogramm erscheint hingegen weniger problematisch, man wird dann aber um eine Vereinheitlichung der Anforderungen nicht herumkommen.

Ebenfalls wenig Probleme sehe ich in einer Verlagerung der Prüfung in den Wahlfächern auf die Universitäten, da sich die Wahlfächer ohnehin bereits stark an dem Profil der jeweiligen Fachbereiche ausrichten. Insoweit ließe sich ein vernünftiger Kompromiß zwischen der bundesweiten Vergleichbarkeit der Examina und der Profilbildung der Universitäten erreichen. Auch wäre eine weitere Abschichtung des Examens notwendige und wünschenswerte Konsequenz.

Das ganze Konzept hat aber zwei unerträgliche Pferdefüße: Zum einen gehen die Justizminister davon aus, daß die praktische Ausbildung durch Lehraufträge der Universitäten sichergestellt werden soll, was angesichts der pekuniären Situation der Universitäten eine völlig illusorische, um nicht zu sagen hirnverbrannte Vorstellung ist. Die Justizminister scheinen hier nach dem St.-Florians-Prinzip handeln zu wollen und möchten zur Finanzierung den Kollegen Kultusministern sowie den Unis den schwarzen Peter Radunski zuschieben. Noch viel gravierender dürfte allerdings die eingeschränkte Zulassung zur Anwaltschaft sein. Zwar versucht man, die verschiedenen Berufsfelder durchlässig zu gestalten, konnte man sich bisher aber nach dem zweiten Examen notfalls als Anwalt niederlassen, wenn man keine Anstellung bekam, wird man ohne eine solche Anstellung in Zukunft nur noch arbeitslos oder von dem Wohlwollen der Anwälte abhängig sein. Dieses Wohlwollen dürfte sich vermutlich vor allem gegenüber Kollegenkindern und Bewerbern mit finanziell bescheidenen Vorstellungen bemerkbar machen. Die Gefahren haben wohl auch die Justizminister erkannt, dennoch braucht man sich nichts vormachen: Mißbrauch, Schwarzgelder und Ausbeutung sind vorprogrammiert. Deshalb ist zumindest dieser Teil der Vorschläge strikt abzulehnen. Hier zeigt sich besonders die unheilige Allianz zwischen den Konkurrenzsorgen des Deutschem Anwaltsverein und der Sparwut der Justizminister.


Der 62. Deutsche Juristentag

Demgegenüber hatte sich der 62. Deutsche Juristentag (DJT), der vom 22. bis 25 September in Bremen stattfand, überwiegend kritisch zu den Vorstellungen der Justizminister geäußert, wenngleich das Meinungsbild teilweise doch sehr uneinheitlich war.

Lediglich bei allgemeineren Aussagen (um nicht zu sagen: Allgemeinplätzen) war ein breiter Konsens zu finden. Vor allem wurden die Vorzüge einer Ausbildung, die aufgrund ihrer wissenschaftlichen, problemorientierten Ausrichtung zur Einarbeitung in neue Gebiete befähige, hervorgehoben, die auch unter europäischen Gesichtspunkten konkurrenzfähig sei. Einstimmig war man der Ansicht, daß die Ausbildung keinen berufsfertigen, sondern "nur" einen berufsfähigen Juristen hervorbringen könne und solle. Besonders bemerkenswert fand ich die Bemerkung eines Teilnehmers, daß die meisten einflußreichen Juristen ihren Einfluß erst rund 20-30 Jahre nach ihrem Examen erreichen würden, und es deshalb im Examen nicht auf Spezialkenntnisse ankommen könne, die schon wenige Jahre später überholt seien.

Ansonsten zeigten sich vor allem verhärtete Fronten zwischen den Interessengruppen. (Die genauen Beschlüsse des DJT können in der NJW 1999, S. 110 ff. [123] nachgelesen werden.) Obwohl Beschlüssen des Juristentages üblicherweise einige Bedeutung zugemessen wird, werden sie diesmal vermutlich weitgehend unberücksichtigt bleiben, wie schon das Festhalten der Justizminister an ihren Beschlüssen deutlich macht. Das liegt zum einen daran, daß knapp 150 Teilnehmer an den Schlußabstimmungen zwar erheblich mehr als sonst üblich waren, diese Zahl aber insgesamt natürlich nicht besonders repräsentativ ist. Außerdem spiegeln die Beschlüsse vor allem die Interessenlagen wieder, die auch vorher schon eingenommen worden waren, und haben so auch in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, daß vom Juristentag nur Stillstand und "Weiter so" zu erwarten sei.

Meiner Ansicht nach ist dieser Eindruck falsch, kommt es schließlich nur selten vor, daß sich der Juristentag innerhalb von acht Jahren zweimal mit demselben Themenbereich befaßt. Freilich wirft dies ein Licht darauf, wie stark sich die Probleme seit 1990 verschärft haben: Die danach erst voll einsetzende Globalisierung, die Explosion der Studienanfänger in Jura und die zurückgefahrenen Etats der Haushalte machen deutlich, daß heute tatsächlich noch mehr Handlungsbedarf besteht als 1990. Immerhin wurde durch die Thematisierung des Problems die Diskussion auf eine etwas breitere Grundlage gestellt, als dies bisher einige Beiträge in der NJW gewesen sind.

Bemerkenswert war im übrigen die Haltung der Studierendenvertreter: Der Bundesarbeitskreis kritischer JuristInnen (BAKJ) gehörte neben dem DAV zu den wenigen Unterstützern der Vorstellungen der Justizminister, weil damit seit längerem gestellte Forderungen der Studierenden aufgegriffen würden. Der Bundesfachverband Jura (BFVJ), dem auch das DEFO und nunmehr der Fachschaftsrat angehören, fürchtete, daß hier trotz positiver Ansätze der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben werden solle, eine Haltung, die ich (s. o.) nur teilen kann. Es scheint mir auch ein wenig naiv zu glauben, die mit den Reformvorschlägen verbundenen und vor allem den finanziellen Gegebenheiten geschuldeten Probleme um des Ideals willen erst einmal in Kauf zu nehmen und später auf ihre Beseitigung zu drängen.

(Persönlich kann ich übrigens nur zur Teilnahme am Juristentag raten. Zwar sind die Kosten nicht zu vernachlässigen und auch der inhaltliche Gewinn aus den Debatten sollte nicht überschätzt werden, allerdings ist es wertvoll, fertige und gestandene Juristen in der Diskussion sowie Interessenvertreter bei der Lobbyarbeit zu erleben.)


Das Ladenburger Manifest

Das Ladenburger Manifest geht auf Beiträge in den Fachzeitschriften und Initiative von Ernst-Wolfgang Böckenförde zurück, die einige Unterstützung gefunden haben, vor allem von Seite der Professoren und Richter, aber auch von Vertretern der Wirtschaft. Schließlich wurde dieses Manifest verfaßt und von zahlreichen juristischen Persönlichkeiten (darunter einige der HU, keine der FU) unterzeichnet (nachzulesen z. B. als Beilage zur JuS 2/1999).

Aus der Kritik an der gegenwärtigen Ausbildung werden vier "Eckpunkte" entwickelt: "Straffung der Lehrpläne, didaktische Intensivierung der Lehrveranstaltungen, Umgestaltung des Prüfungssystems, Konzentration der Ausbildung in mittleren und höheren Semestern auf die für das Rechtsstudium Geeigneten durch frühzeitige Leistungskontrollen" (Forderung 2). Aus diesen Eckpunkten werden dann konkrete Vorschläge und ein beispielhafter Lehrplan ausgearbeitet. Insgesamt halte ich einen guten Teil der Kritik und Vorschläge zur Ausbildung für richtig (vgl o. zu den Beschlüssen der Justizminister), sehe aber die Gefahr, daß man auf Seiten des Gesetzgebers nicht bereit sein wird, sämtliche Eckpunkte zu verwirklichen, die nach diesem Manifest (Forderung 3) einander bedingen, so daß auch dieses Manifest vermutlich und bedauerlicherweise keine nennenswerten Auswirkungen auf die zukünftige Ausbildung haben wird.

Allerdings sehe ich einen der Eckpunkte - die Straffung des Lehrplans - als abtrennbar an. Entsprechende Überlegungen auf Berliner Ebene gibt es bereits und möglicherweise stehen auch


Veränderungen am Fachbereich

irgendwann einmal an. Dabei haben sowohl Professoren wie Studierendenvertreter die Bereitschaft zu weitgehenden Veränderungen gezeigt, auch wenn über die Ziele nicht überall Konsens besteht. Weitgehend einig ist man sich wohl über die


Abschaffung der kleinen Übungen zugunsten von Abschlussklausuren


Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, daß gerade in den ersten Semestern viele Zeit unnötig verloren geht, vor allem wenn sich die Vorlesungen bereits nach wenigen Veranstaltungen drastisch gelehrt haben (was nicht allein auf die Qualität der Dozenten geschoben werden kann). Im übrigen ließe sich damit dem Trend entgegenwirken, "weniger wichtigen" Fächern erstmals in der Examensvorbereitung beim Repetitor zu begegnen. Stark divergierende Meinungen gibt es hingegen bei der


Straffung des Lehrplans


Zwar ist man sich wie gesehen allgemein, so auch zwischen Universitäten und JPA, einig, daß der Lehrplan gestrafft und entrümpelt werden muß. Allerdings tut man sich naturgemäß bei jedem Fach schwer, es zu opfern. Heißeste Kandidaten aus dem Pflichtfachbereich sind hier die handelsrechtlichen Nebenfächer, die dafür stärker in den Wahlfächern berücksichtigt werden könnten. Ziel sollen auch nach Professorenansicht Studierende sein, die methodisch und historisch geschult mit neuen Problemen aufgrund ihrer Kenntnisse der Kernfächer umgehen können. (Demgegenüber mutet es mehr als merkwürdig an, wenn zugunsten des Steuerrechts in Zukunft das römische Recht als "Mutter" des BGB geopfert werden soll.) Mit einer Straffung des Lehrplans verbinden die Professoren natürlich auch die Hoffnung, weniger Pflichtfach lehren zu müssen. Deshalb bleibt zu hoffen, daß nach einigen Turbulenzen zu Beginn die Bemühungen nicht schon wieder zu den Akten gelegt wurden. Letzteres wäre nicht nur schade, sondern könnte sich wirklich als Ende mit Schrecken erweisen, wenn die Reformmaßnahmen nämlich nur noch vom Justizsenat diktiert werden.

Philipp Franck

(erschienen im DEFO-Info Nr. 39 vom SS 1999)



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