Kein Künstler hat diesen Prinzipien so
beredt Ausdruck verliehen wie William Hogarth (1697 - 1764).
Wie nie zuvor in der Geschichte der Kunst bedingen sich bei
ihm Kunst- und Sozialreform wechselseitig. Durch sein ganzes
Leben hindurch sind bei ihm Kunst- und Sozialaktivitäten
miteinander verknüpft: über seine Kunst versuchte
er die Gesellschaft auf bestimmte Moral- und Sozialnormen
zu verpflichten, von der Gesellschaft erwartete er eine Honorierung
seiner Aktivitäten. Seine Kunst setzt eine öffentliche
Debatte über Fragen der Sozial- und Moralreform voraus;
sie wendet sich notwendig gegen überlieferte Hochkunsttraditionen
und Hochkunstnormen. In erster Linie müht sie sich um
detaillierte soziale Unterscheidung in der Darstellung: Mimik
und Gestik seines Personals und die zugehörige Umgebung
sind genauestens beobachtet. Seltsamerweise führt diese
Abbildgenauigkeit im Bilde zu einer unaufhebbaren Mehrdeutigkeit
der Formen und Gegenstände. Da alles im Bilde gleiches
Erscheinungsrecht hat, kann alles mit allem in Beziehung treten.
Gegenstandsfülle bringt Sinnfülle, Sinnfülle
führt zu Mehrdeutigkeit in der Mitteilung. Man weiß
schließlich nicht mehr, auf welcher Ebene eine derartige
Kunst gelesen werden soll. Auf der ersten Ebene, der primären
Erzählebene, ist sie eindeutig und präzise charakterisierend,
doch führt die Bezugsfülle den Betrachter auf immer
neue Ebenen, die Bedeutungen beginnen zu changieren. Zum einen
ist diese Kunst damit ganz auf der Stufe der Wirkungsästhetik
der Zeit, die begreift, daß alle Wahrnehmung relativ
ist, jeder also auch die Wirkung eines Kunstwerkes anders
einschätzt, es absolute Normen des Kunstschönen
nicht geben kann. Zum anderen komplizieren die Künstler
selbst ganz notwendig ihre Kunst. Denn wenn es erste Aufgabe
der Kunst ist, soziale Wirklichkeit abzubilden, dann muß
der Künstler sich fragen, was denn noch den Kunstcharakter
dieser Kunst ausmacht. Für die verschiedensten Formen
englischer Kunst des 18. Jahrhunderts haben wir das Paradox,
daß die strenge Verpflichtung auf die Wirklichkeit zugleich
ein ausgeprägtes Bewußtsein von der Künstlichkeit
der Wiedergabe mit sich bringt.
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