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[Angehende Politologen sammeln Erfahrung im Bundestag]

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In Deutschland werde an der Praxis vorbei studiert, heißt es immer wieder. Genau deswegen nahmen wir, eine Gruppe Studierender des Otto-Suhr-Instituts, eine Zeit lang Abschied von „grauer Theorie“ und Bücherstapeln. Die Teilnehmer/innen des Seminars „Politikberatung im deutschen Bundestag“ wechselten von der FU direkt in das Parlament, um dessen Funktions- und Arbeitsweisen durch eigene Anschauung kennen zu lernen. Eine Woche im Januar schauten die Studierenden dabei Abgeordneten und ihren Mitarbeitern über die Schulter. In erster Linie wollten wir hautnah erfahren, wie deren Alltag aussieht. Recherchen und Interviews bei Ausschussmitarbeitern, der Bundestagsverwaltung und den wissenschaftlichen Mitarbeitern sollten zudem klären, wie Wissenschaft in die Politik kommt.

„Jeder Abgeordnete hat Mitarbeiter und Berater, die ihn informieren und ihm inhaltlich zuarbeiten. Gleiches gilt für die einzelnen Fraktionen“, erklärte uns zu Anfang Herbert Hönigsberger von der Gesellschaft für Angewandte Sozialwissenschaft und Statistik, der neben Dr. Jürgen Treulieb einer der Leiter des Seminars war. „Uns interessiert, welche Qualifikationen mitgebracht werden müssen, um Abgeordnete effektiv beraten zu können und welche Möglichkeiten der Beratung es in der Hektik des politischen Alltags überhaupt gibt.“

Die Erkenntnisse, die wir Studenten letztendlich gewannen, waren aber noch viel grundlegender, denn wir verstanden endlich wie der Bundestag wirklich funktioniert. Wir bekamen auch einen Eindruck von den Aufgaben eines Wissenschaftlichen Mitarbeiters im Abgeordnetenbüro, also einer der Berufsmöglichkeiten für Politikwissenschaftler: Man muss sich oft und schnell in neue Themen einarbeiten, Redeentwürfe schreiben, Pressemitteilungen herausgeben, Briefe der Wähler beantworten, Termine organisieren etc. Natürlich hängt die Ausgestaltung der Arbeit vom Abgeordneten ab – von dessen Themen und Beratungsbedürfnissen. Auch kann der gestalterische Freiraum der Mitarbeiter je nach Abgeordnetenpersönlichkeit sehr eng gesteckt sein. Die wichtigste Qualifikation bei diesem Job heißt „Stressresistenz“, und eine gewisse Frustrationstoleranz schadet auch nicht, da immer mal wieder für den Papierkorb produziert wird. Zudem die Bezahlung nicht gerade üppig ist. Als Praktikant muss man jedoch vor allem aufpassen, nicht zum Zeitung lesen „verheizt“ zu werden.

Dennoch hatte dieser Praktikumsplatz seinen besonderen Reiz: Unser Hausausweis war das „Sesam öffne dich“ zu den geheimen Gemächern. Ausschüsse und Arbeitsgruppen konnten besucht werden und in den weiten Gängen des Reichstages lief man auch schon mal bekannten Politikern vor die Füße. Deren Kantinenabsprachen im Flüsterton blieben aber auch uns verborgen. In den Büros der Abgeordneten ist dagegen an ruhiges Arbeiten nicht zu denken, wenn der Sirenenton zur Abstimmung in den Plenarsaal zitiert oder von früh bis spät das aktuelle Plenargeschehen in das Büro übertragen wird und sich die Telefone heiß klingeln.

Was hat uns diese Woche nun gebracht? Insbesondere die Entzauberung des politischen Tagesgeschäfts, denn unser Bild von Politik beruhte zum Teil auf Stereotypen aus den Medien. Doch das Panorama der Wirkungsmöglichkeiten im Bundestag zeigte uns noch etwas anderes: Eine reizvolle Option für die Zeit nach dem Studium. Und ganz nebenbei haben wir gelernt, wie hervorragend Praxisnähe ein theoriebasiertes Studium ergänzt.

Katrin Wendel

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