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 [FU-Informatiker entwickeln elektronische Kreide]

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Was haben Geräteturner und Lehrer gemeinsam? Ganz einfach: Sie machen sich mit Kreide ständig die Hände schmutzig! Sie verschafft dem einen den sicheren Griff, dem anderen dient sie als Schreibwerkzeug. Schulunterricht und selbst manche Hochschulseminare wären ohne Tafeln und den feinkörnigen, weichen Kalkstein auch heute noch unvorstellbar. Seine Vorteile gegenüber anderen Materialien liegen im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand: Mit Kreide lässt sich großformatig schreiben und zeichnen. Auf dunklem Untergrund liefert sie ein weit sichtbares und kontrastreiches Bild. Zudem ist Kreide billig und überall verfügbar. Im Gegensatz zu Overhead-Projektoren oder Power-Point-Präsentationen benötigt der „User“ keine technischen Vorkenntnisse. Und selbst für die Lernenden ist sie ein Segen, denn sie hindert Lehrer und Dozenten aufgrund ihres relativ hohen Reibungswiderstands daran, den Unterrichtsstoff zu schnell auf die Tafel zu bannen: Den Lernenden bleibt so ausreichend Zeit, Gedankengänge nachzuvollziehen. Gründe über Gründe, dem weißen Stoff die Treue zu halten. Gäbe es da nicht den deutlichen Nachteil, nämlich die ständig verschmutzten und durch die entfettende Wirkung strapazierten Hände, wäre wohl niemand auf die Idee verfallen, nach Alternativen zu suchen. Diese fand unlängst eine Gruppe junger FU-Informatiker unter Leitung von Professor Raúl Rojas. Ihre „elektronische Kreide“, kurz „E-Kreide“genannt, vereint die Vorteile der klassischen Kreidetafel mit den „sauberen“ multimedialen Möglichkeiten eines Teleteaching-Systems.

Bei der E-Kreide handelt es sich um ein Software-System, das sich in Verbindung mit einer Multimedia-Tafel sowohl für den Präsenz- als auch den Fernunterricht eignet. Die Tafel entspricht einem großformatigen, berührungsempfindlichen Plasmabildschirm, der an einen Computer angeschlossen ist. Das Gesamtsystem wird durch die Java-Software gesteuert. Ein spezieller Griffel ermöglicht das Schreiben entweder direkt auf dem Display – also auf dem Bildschirm – oder auf einem dafür vorgesehenen Digitalisiertablett. Die Farbe und Breite der an der Tafel angezeigten Linienzüge können ganz nach Belieben variiert werden. Und doch handelt es sich bei der E-Kreide um weit mehr als ein renes Malprogramm: So können Bilder und Graphiken in das Tafelbild eingebaut, sogar mathematische Ausdrücke ausgewertet und interaktive Demonstrationsprogramme (sogenannte „Applets“) aus dem Internet interaktiv genutzt werden. Die Software für die elektronische Tafel ist seit einiger Zeit vorhanden; an der Freien Universität wurden damit bereits Vorlesungen gehalten. „Wir gehen davon aus, dass schon bald dieses Programm und Bildschirme mit einer Diagonalen von zwei bis drei Metern bei Konferenzen und im Unterricht eingesetzt werden können“, verkündet Rojas optimistisch.

Das Positive an E-Kreide ist, dass es sich hierbei nicht um ein mühselig zu installierendes Softwareprogramm handelt. Das Tafelbild wird ganz einfach aus dem Internet übertragen. Ein Netzteilnehmer kann in die Webseite des Kurses schauen und ohne zusätzliche Software in Echtzeit das Tafelbild erhalten. Das Softwareprogramm überträgt gleichzeitig Tafelbild, Audio und einen zusätzlichen Videostrom, mit dem beispielsweise das Gesicht des Dozenten oder eine Ansicht des Hörsaals gezeigt werden kann. Die Kurse können jedoch nicht nur zeitgleich übertragen, sondern auch archiviert und später bei Bedarf abgerufen werden. Studierende haben also die Möglichkeit, live oder zeitversetzt an einem Kurs im Hörsaal, zu Hause oder unterwegs über ein Laptop (mit Mobilkommunikation) teilzunehmen. Neben der Nutzung im Internet ist es sogar möglich, mit einem Java-fähigen Handy lediglich das Tonsignal zu empfangen.

Die elektronische Tafel eröffnet bisher ungeahnte Möglichkeiten für den Fernunterricht. „Das Besondere an E-Kreide ist“, so Professor Rojas, „dass der Fernunterricht von der Dynamik eines Präsenzunterrichts profitiert, die eine live zu verfolgende Unterrichtsstunde automatisch mit sich bringt.“ Studierende können den Dozenten im Internet sehen, ihn hören und Schritt für Schritt seinen Erläuterungen folgen, die er auf der Tafel präsentiert. Die persönliche Handschrift wird somit gewahrt und damit auch die persönliche Vorstellung des Vortragenden. Einen Vorteil stellt E-Kreide insbesondere für erkrankte oder behinderte Studierende dar: Sie können problemlos die Vorlesung von zu Hause aus verfolgen. Im Zeitalter der Globalisierung ermöglicht die elektronische Tafel zudem auf einfache Weise eine Internationalisierung von Studiengängen, da sich weltweit Wissenschaftler in ein Seminar einklinken und aktiv dozieren können. Mit E-Kreide ist es den FU-Informatikern gelungen, eine richtungsweisende Software für die Zukunft des Unterrichts an Schulen und Universitäten zu entwickeln. Auf der LEARNTEC 2001 in Karlsruhe (30.01. – 02.02.2001) und der CeBIT in Hannover (22. – 28.03.2001) wurde die E-Kreide auf den Gebieten E-Learning und Teleteaching/Distance Learning vorgestellt.

Erleben Sie eine virtuelle Einführung in die E-Kreide unter: 
http://www.e-kreide.de

Ilka Seer

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