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Zum Tod von Sebastian Bücherl

Die Freie Universität hat einen bedeutenden Wissenschaftler und Chirurgen verloren, der seinen geschichtlichen Platz in der ersten Reihe der großen Ärzte dieser Stadt und dieses Landes hat und in der zukünftigen historischen Betrachtung erst recht haben wird. Der Pionier der deutschen Kunstherzforschung und Entwickler des Berliner Kunstherzens, Prof. Dr. Emil Sebastian Bücherl, verstarb im Alter von 81 Jahren am 28. Juni 2001 in einem Berliner Krankenheim.

Der in Furth im Wald/Bayern am 6. 11. 1919 geborene Emil Sebastian Bücherl studierte ab 1938 in München, Rom und Heidelberg Medizin. Nach dem Staatsexamen und der Promotion 1944 in Heidelberg wurde Bücherl zum Wehrdienst eingezogen und als Sanitätsoffizier an die Ostfront kommandiert. 1955 habilitierte er in Göttingen, wo er am Physiologischen Institut und an der Chirurgischen Klinik der Universität tätig war. 1957 führte er hier die erste offene Herzoperation unter Einsatz der damals noch sehr neuen Herz-Lungen-Maschine durch – nicht wie andere zu dieser Zeit an einem einfachen Herzfehler, sondern gleich an einem komplizierten wie der Fallot’schen Tetralogie. Dies verdeutlicht, dass Bücherl einen auf den Erfolg ausgerichteten Pragmatismus ablehnte – eine Haltung, die manche seiner späteren Pioniertaten charakterisiert.

Nicht nur Kunstherzen

1957 kam Bücherl als Oberarzt an das FU-Klinikum Westend, wurde 1962 apl. Professor und war bis 1964 kommissarischer Leiter der chirurgischen Klinik. Danach ging er als Ärztlicher Direktor und chirurgischer Chefarzt an das Städtische Krankenhaus Neukölln und erhielt 1969 den Lehrstuhl für Chirurgie am FU-Klinikum Charlottenburg, wo er bis zu seiner Emeritierung 1988 tätig war.

In seiner Freizeit war Prof. Bücherl ein leidenschaftlicher Maler.

Der Name Bücherl ist mit einer Vielzahl erstmaliger Operationen im Bereich der Transplantationsmedizin und dem Organersatz verbunden. Seine Forschung galt nicht nur dem Kunstherz, sondern auch der künstlichen Luftröhre und Speiseröhre. 1963 führte er die erste Nierentransplantation durch, nahm 1968 die ersten und lange Zeit einzigen Lungentransplantationen in Deutschland vor und führte 1969 eine der ersten Herztransplantationen in Deutschland durch. Mit viel beachteten Medienaktionen setzte er gegen alle Widerstände 1974 die Einrichtung eines „Forschungshauses“ durch, um das Projekt des „Berliner Kunstherzens“, an dem er seit 1962 gemeinsam mit einem Team aus Ärzten, Tierärzten und Ingenieuren arbeitete, voranzutreiben. Das heute als solches verwaiste Forschungshaus im Klinikgelände Charlottenburg ist ein beredtes und nachdenklich stimmendes Denkmal seiner einst ambitionierten Entwicklungsprojekte. 1979 wurde das „Berliner Kunstherz“ kurzfristig bis zur Transplantation einem Patienten implantiert. 1986 wandte er es bei drei Patienten mit kurzem bzw. mehrwöchigem Erfolg an.

Ein fairer Partner

1987 hatte ich, damals vor allem an der Herztransplantation interessiert, mit Bücherls Unterstützung die Gelegenheit, am Deutschen Herzzentrum Berlin sein künstliches Herz zur Überbrückung eines lebensbedrohlichen Herzversagens bis zu einer dann erfolgreichen Transplantation einzusetzen. Die sehr faire und respektvolle Zusammenarbeit mit Bücherl empfanden unsere Teams und auch ich selbst als glückhaft und fruchtbar. Wir konzentrierten uns in der Folgezeit auf die Anwendung der eigentlich als Nebenprodukt von seinem Team entwickelten Herzunterstützungspumpen, die nach Bücherls Emeritierung als „Berlin Heart-System“ von einer Berliner Firma aufgekauft, mit unserer Hilfe weiterentwickelt und schließlich auch kommerziell vertrieben wurden. Dies war das für viele Jahre einzige verfügbare System aus Europa und wurde der Ausgangspunkt des heute weltweit beachteten Berliner Unternehmens Berlin Heart AG mit teilweise einmaliger Produktpalette.

Das von der Arbeitsgruppe Bücherl entwickelte Kunstherz.

Heute stehen wir an der Schwelle, wo der alte Traum der Kunstherzpioniere wie Bücherl realisiert wird, nämlich am Übergang künstlicher Herzaggregate vom temporären Lebenserhalt des Patienten zu der Implantation auf Dauer, nun als Alternative zur Transplantation.

In diesem Jahr wurde in Louisville/ Kentucky das erste elektrisch betriebene künstliche Herz „Abiocor“ einem Schwerstkranken anstelle des versagenden Herzens implantiert.

Bücherl war ein weitsichtiger Vordenker, engagierter Wissenschaftler und mutiger Initiator, dessen Pioniertaten die Grundlage für eine segensreiche, lebenserhaltende Chirurgie bei vielen todkranken Menschen schufen. Wie alle großen Menschen war er sehr modern und rätselhaft zugleich.

Seine außergewöhnliche Bedeutung für den medizinischen Fortschritt wird sich vielen erst in Zukunft offenbaren, und er wird in der Namensliste der großen deutschen Mediziner und Chirurgen einen Ehrenplatz neben Bernhard von Langenbeck, Ernst von Bergmann und Ferdinand Sauerbruch erhalten.

Prof. Dr. med. Roland Hetzer
Der Autor ist seit 1985 Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums Berlin

Foto: Nickolaus
Foto: DHZB
Foto: DHZB

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