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[Susan Kamel - Aus den Tempeln der Welt]

Susanne Weiss

[Foto]

Die Religionswissenschaftlerin Susan Kamel will
ein Museum der Religionen in Berlin gründen
Foto: Irene Portnoi

Wie bringt man Religion ins Museum? Wie macht man das Undarstellbare darstellbar? Kann man Heiligkeit anfassen? Susan Kamel, 30-jährige Wahlberlinerin aus Schleswig-Holstein mit ägyptischem Vater, sucht Antworten auf genau diese Fragen. Als Studentin in Göttingen, Derby und Berlin tat sie dies schon, ihre Magisterarbeit handelte davon ebenso wie das im April 2000 gestartete Berlin-Forschungsprojekt „Islam in Berlin: Vermittlung von Religion an Berliner Schulen und Museen”. Auch die Dissertation wird sich diesen schwierigen Fragen widmen: Das Ergebnis wird ein Museum sein – ein Religionsmuseum.

Mit der offiziellen Religionspädagogik hat die Religionswissenschaftlerin dabei nicht viel im Sinn. Wenn die Rede ist von der Religion als dem „ganz Anderen” oder von der „Dauerreflektion, (die) endet in der Ruhe des göttlichen Du”, Lehrbuchweisheit von 1999, weiß sie, dass sie sich an eine bedeutende Herausforderung heranwagt. „Es geht nicht darum, bekenntnisgebundene Darstellungen zu finden. Man kann heute auch keinen bekenntnisgebundenen Religionsunterricht mehr machen. „Wir tun doch immer so, als seien Staat und Kirche getrennt, aber die Tatsachen sind anders”.

So wie der Unterricht muss ein Museum der Religionen außerreligiös konzipiert sein. „Das Museum soll eine aktive Rolle in der Gesellschaft spielen”, wünscht sich Susan Kamel, „am Aufbau sollen sich alle diejenigen beteiligen, die hinterher 'Museumsschätze' sind.” Die Kriterien bei der Konzeption sind religionswissenschaftliche, die aber die jeweiligen Kulturgeschichten nicht vernachlässigen. „Der Religionswissenschaft geht es nicht um 'universelle Wahrheiten', schließlich ist sie keine Theologie”, sagt Susan Kamel, „sondern darum, Mythen zu dekonstruieren, und zwar konsequent. Nicht wie die offizielle Religionspädagogik, die die Konstruiertheit der Welt und ihrer Systeme zwar auch anerkennt. Aber nicht der Mensch allein ist hier Autor dieser Konstruktionen, sondern auch Gott.” Bei der Konstruktion ihres Museums will die Religionswissenschaftlerin auf göttliche Eingebungen dieser Art allerdings lieber verzichten.

Für das Museum gibt es zwei Vorbilder. Eines in Glasgow, das „Museum of Religious Life and Art” mit einer Abteilung „Religion in Glasgow” und einem Curriculum, das Aufschluss darüber gibt, was die verschiedenen Religionen zu den großen Übergängen wie Geburt, Adoleszenz, Hochzeit oder Tod sagen. Soweit die guten Seiten. Kritikwürdig ist ihrer Ansicht nach die klassische sakrale, kontextfreie ästhetisierende Präsentation. „‘Ästhetik als erzwungene Unmittelbarkeit‘, wie Bazon Brock es nennt, „ist diese Unmittelbarkeit, die sich durch nichts als durch sich selbst erklärt. Die Dinge haben keine Geschichte, keinen Autor. Sie sind sakral geworden, ohne dass man diesen Prozess verstanden hat. Wenn ich aber den Weg der Sakralisierung nicht zeige, kann ich Religion nicht darstellbar machen”, sagt Kamel.

Das zweite Vorbild ist der „Tower of David” in Jerusalem. Zur Einführung sehen die Besucher „Die Geschichte Jerusalems” – einen Trickfilm. „Es ist wichtig, die Besucher auf einfache, verständliche Weise in die Ausstellung einzuführen, betont die Museumsplanerin, „die Umgangssprache ist noch die einzige Metasprache”.

„Lagentexte” heißt das Zauberwort. Die Inhalte werden in verschiedenen Schichten angeboten, unterschiedlich komplex. Es darf auch Spaß machen, und soll vor allem Aha-Erlebnisse produzieren. Und das passiert immer dann, wenn man bemerkt, dass das Präsentierte mit einem selbst zu tun hat, weiß Susan Kamel. – Was könnte dazu geeigneter sein als Sinn- und Deutungssysteme wie zum Beispiel Religion?

Derzeit gibt es weltweit Initiativen zur Gründung von Religionsmuseen, beispielsweise in Taiwan, allerdings mit buddhistischer Prägung. Alle anderen Neugründungen sind ebenfalls bekenntnisgebunden. Auch hier zu Lande ist der Versuch, ein religionswissenschaftliches Museum zu gründen, nicht eben ein Sonntagsspaziergang: „Das Problem sind die Kirchen”, musste Susan Kamel erfahren – denn für die Vergleichende Religionswissenschaft sind die Kirchen eben auch nur ein Gegenstand unter anderen. Wo es den Kirchen und ihren Theologien um Erkenntnis geht, ist für die Religionswissenschaft alle Erkenntnis instrumental, sucht die eine nach religiöser Wahrheit, betreibt die andere Kulturkritik mit angewandter und „aufsuchender” Religionswissenschaft, every day’s life in ihrem Institut in der Altensteinstraße, wo täglich das Sakrale aus Tempeln und anderen Allerheiligsten geschleppt wird.

Im Grunde ist sich Susan Kamel gar nicht so sicher, ob sie ihr Projekt wirklich Museum nennen soll, ob sie sich dieser Tradition anschließen will oder ob es besser ein Art kulturelles Zentrum werden sollte, in freier Trägerschaft. Dennoch: Ein staatliches Museum wäre nicht schlecht, meint sie. Bei der zunehmenden Bedeutung anderer Religionen hier zu Lande und der Menge der viel zu oft daraus entstehenden unaufgeklärten Ressentiments sieht sie den Staat auch in der Pflicht, sich so einer Sache anzunehmen.

Und ob es einen Gott gibt und welchen oder ob es keinen gibt, ist nicht die Frage.

 
 
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