,,Es ist wenig sinnvoll, im Hinblick auf Gesellschaften oder politische Systeme, Wirtschaftssysteme oder andere komplexe Einheiten die Frage der Steuerbarkeit zu stellen. Die Frage muß, wenn so gestellt, mit Sicherheit negativ beantwortet werden. Aber das heißt nur: die Frage ist falsch gestellt.``![]()
Es ist wenig ermutigend, die Beschäftigung mit Regulierungsfragen mit
einem solchen Verdikt zu beginnen. Man ist geneigt, darin einen Angriff
auf Kernbestände politischer Theorie zu sehen: Was bleibt ihr dann
noch? Doch handelt es sich um ein Mißverständnis: ,,Das
Problem liegt in der begrifflichen Präzisierung der Aussagen. Bezogen
auf komplexe Systeme läuft der Begriff leer. Gegenstand von Steuerung
sind nicht Systeme, sondern spezifische Differenzen (und nur wenige eignen
sich).`` Regulierung kann, systemtheoretisch gesprochen, als
eine besondere Form entweder der Resonanz im zu regulierenden
System oder der Penetration (oder vielmehr
Interpenetration) verstanden werden
. Stellt man den
theoretischen Ballast in Rechnung, der sich hinter dieser Begriffswahl
verbirgt (und der in der Kürze dieser Arbeit nicht angemessen
wiedergegeben werden kann), so ergeben sich bereits einige Prämissen
für die folgende Analyse:
Eine systemtheoretische Fassung des politikwissenschaftlichen
Regulierungsbegriffs, die über sehr allgemeine Formulierungen
(Differenzminimierung) hinausgehen würde, steht - soweit
ich das erkennen kann - noch aus; provisorisch soll im folgenden
also unter Regulierung die komplexe, rechtlich fundierte instruktive
Inter-System-Kommunikation zwischen Politik (politischem System) und den
regulierten Systemen verstanden werden. Für
Telekommunikation und elektronische Medien war sie traditionell in Form
staatlicher, halb-staatlicher oder öffentlicher (staatsferner)
Aufsicht implementiert.
politisches System | reguliert Telekommunikation/Medien |
Mittel | Recht (z. B. Ausgestaltung der Rundfunkordnung); |
Geld (z. B. Festsetzung der Rundfunkgebühren) | |
Interventionsstrategie | Steuerung (Differenzminimierung) |
,,Optionenpolitik`` | |
Implementierung | staatliche, halbstaatliche oder öffentliche |
Aufsicht |
Die Wirtschaftswissenschaft verwendet den Regulierungsbegriff systematisch
für ,,staatliche Einflüsse auf unternehmerische
Entscheidungsparameter``. Ähnliche Definitionen finden sich auch in der
politikwissenschaftlichen Literatur
. Wenn Wirtschaftswissenschaftler
bereit sind, außerökonomische Kriterien als Parameter zur
Beurteilung der Ergebnisse (wirtschaftlichen) Handelns zu akzeptieren und
in ihre Betrachtungen einzubeziehen, dann setzen sie zum Beispiel solche
Definitionen: ,,The purpose of regulation is to ensure socially
desirable outcomes when competition cannot be relied upon to achieve them.
Regulation replaces the invisible hand of competition with direct
intervention - with a visible hand, so to speak.``
Häufig wird jedoch eine
Marktordnung auch für den Bereich der Massenmedien als funktional
unterstellt und die Regulierung - dann zum Beispiel als ,,hoheitliche
Beeinflussung von Marktprozessen``
definiert - unter ökonomischen
Rechtfertigungsdruck gesetzt.
Im Verständnis der Wirtschaftswissenschaft wird also Regulierung -
sofern überhaupt akzeptiert - dort gebraucht, wo wirtschaftliche
Macht droht, Schaden anzurichten. Macht entsteht vornehmlich dort, wo der
Zugriff auf knappe Ressourcen monopolisiert werden kann, wo negative
externalities
existieren oder unvollständige Information den Markt
beeinträchtigt.
In diesem ersten Kapitel interessiert vor allem, wo Medien- und Telekommunikations-Regulierung bisher anknüpften. Ein Kennzeichen der technischen Entwicklung - so die These, die im Anschluß daran (Kapitel 3.1) entfaltet wird - ist es ja gerade, daß diese Anknüpfung fraglich wird: Das Zusammenspiel von Differenzierung und Integration der Netztechniken hebelt den Ansatzpunkt der Frequenzvergabe zur Medienregulierung aus. Damit fallen die Fragen der Kommunikationsfreiheit zugleich auch in den Regulierungsbereich der Telekommunikation.
Doch da Regulierung nicht reiner Selbstzweck war, möchte ich im gleichen Durchgang festhalten, welchen Zielen und Zwecken sie diente. Es sei einmal unterstellt, daß sie - seien sie normativ oder funktional begründet - nicht schon deshalb entfallen, weil die zu regulierenden Felder komplexer werden. Begründet scheint im Gegenteil die Annahme, auch die Regulierung müsse sich dieser Komplexitätssteigerung anpassen.