Die Monopolisierung der Telekommunikation war lange Zeit durch einen sich
selbst verstärkenden Zirkel aus Recht und Technik abgesichert:
Während das spezialisierte Telekommunikationsrecht die
,,öffentlich-rechtliche Prägung`` im Rechtsbestand
dogmatisierte, blieb die Technik als klassische Ingenieursaufgabe der
Öffentlichkeit schwer zugänglich. Das Monopol war damit von
beiden Seiten schwer anzugreifen. Als öffentliches Unternehmen war
die Deutsche Bundespost Teil der bundeseigenen Verwaltung, sie besaß
jedoch laut Postverwaltungsgesetz eine Etatautonomie, die nur durch die
notwendige Zustimmung des Finanzministers eingeschränkt
war
.
Humphreys (1992, 110) bezeichnet die Regulierungsform als
corporatistic, da sie detailliert Wirtschaft, Gewerkschaften,
Konsumenten und Bundesländer in einen postpolitischen
Konsensfindungs-Prozeß einbezog. In dafür typischer Weise wurde
selbst die Ablösung dieser Regulierungsform durch marktförmige
Regulierung mittels einer 1985 von der Bundesregierung einberufenen
Kommission eingeleitet
. Deren Hauptziel war es, einen neuen
sozialen und politischen Konsens über die Organisationsform
der Telekommunikation zu finden
.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß dieses
Recht-Technik-Konglomerat nicht zuletzt deshalb nicht mehr zu verteidigen
war, weil die traditionellen telekommunikationspolitischen Akteure lange
Zeit technische Restriktionen als Veränderungshindernisse
anführten.
Gerade der technische Wandel (siehe Kapitel 3.1.1)
hat diese Restriktionen beseitigt und damit auch den politischen und
ökonomischen Wandel angetrieben. Nationale Monopole und darauf
fußende Regulierungen waren nicht mehr technisch begründbar und
zum Teil auch nicht mehr technisch abgesichert durchsetzbar. Mit der
Internationalisierung der Märkte wurden sie eher zum Handelshemmnis,
während gleichzeitig das nationale Recht durch internationales
Handelsrecht und EU-Recht in seinen Möglichkeiten eingegrenzt wurde.
Unter dem auf diese Weise starken und weitgehend technisch induzierten
Veränderungssdruck wurde der Telekommunikationssektor in Deutschland
aus dem Bereich staatlicher Daseinsfürsorge entlassen. Auf die beiden
Postreformen der Jahre 1989 und 1994 folgt zur Zeit eine dritte, die im
Kapitel 5.1 etwas ausführlicher analysiert werden
soll. Einen Telekommunikationsmarkt, der im Sinne des hier verwendeten
Regulierungsbegriffs reguliert werden könnte, gibt es bisher nur in
Randbereichen wie dem der Endgeräte und der
Mehrwertdienste. Verwendet man den oben skizzierten
Regulierungsbegriff, dann ist es falsch, diesen Prozeß als
Deregulierung zu beschreiben - es handelt sich eher um
Neu-Regulierung.
In von Eli M. Noam (1992b, 61ff.) entliehener Terminologie
ließe sich die Postreform I als
corporatization bezeichnen. Mit ihr wurde die Deutsche
Bundespost aus dem ,,unmittelbaren Regierungsbereich
herausgelöst``
und in die drei öffentlichen Unternehmen DBP
Postdienst, Postbank und Telekom aufgeteilt, die einen semi-autonomen
Status erhielten. Der Monopolstatus wurde dadurch noch nicht berührt.
Das Postministerium
behielt die hoheitlichen
Aufgaben, bekam gleichzeitig die Rollen des Regulierers und des
Eigentümers zugewiesen. Der daraus resultierende Konflikt gilt als
einer der Gründe für die Postreform III
. Die Postreform I
enthielt daneben auch ein Element der Liberalisierung: Zwar
blieben Telefondienstmonopol und Netzmonopol erhalten, doch wurden die
Bereiche des Mobilfunks und der Endgeräte aus dem Monopol
herausgelöst.
Der Artikel 87 GG, der die Rechtsform der bundeseigenen Verwaltung vorschrieb, blieb mit der Postreform I noch unangetastet. Erst die Postreform II wandelte die drei Postunternehmen - in einem weiteren Schritt der corporatization - in Aktiengesellschaften ,,privaten`` Rechts um. Eine Privatisierung - also der Verkauf an ,,private`` Investoren - wurde damit möglich und soll mit dem für das laufende Jahr geplanten Börsengang der Deutschen Telekom AG teilweise vollzogen werden.
Noam (1992b, 62) weist darauf hin, daß (partielle) Liberalisierung dazu tendiert, die Märkte sehr viel mehr zu komplizieren als ein völliges Marktzugangsverbot. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil die so verursachte Komplexitätssteigerung nach entsprechender (Re-)Regulierung schreit. Von Deregulierung kann daher nur gesprochen werden, wenn man in Kauf nimmt, ein wenig präzises Konzept zu verwenden.
Der Schrei nach Regulierung ging und geht im Bereich der Telekommunikation
zum einen von den ,,alten`` Regulierungsszielen des universal
service, also der prinzipiell flächendeckenden Versorgung mit
Telekommunikationsdiensten, und der
,,Pründensicherung``, also der fiskalischen Bedeutung der
Monopolgewinne aus. Zum anderen waren und sind es die ,,neuen``
Regulationsziele, eine funktionierende Ordnung für den Wettbewerb und
den Übergang vom Monopol- zum Wettbewerbs-Paradigma
zu gestalten, die den Regulierungsbedarf schufen und
schaffen.
Eine Parallele dazu bietet die Rundfunkordnung, das Thema des folgenden
Abschnitts: Mit der Dualisierung war auch hier ein Wechselspiel
von Deregulierung und Reregulierung verbunden.