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Daß Caravaggio feine Linien zur Anlage seiner Komposition in den Malgrund einritzte, ist bereits hinlänglich bekannt. Man weiß jedoch wenig darüber, ob der Künstler grafische Studien als Vorbereitung seiner Gemälde angefertigt, bzw. ob er überhaupt zeichnerisch gearbeitet hat. Die erwähnten „Inzisionen“ gelten in Fachkreisen als einzigartig und typisch für Caravaggio, weil sich gerade diese ersten Arbeitsschritte zur Schaffung eines Staffeleigemäldes von der Technik anderer Künstler erheblich unterschieden.
In den Quellenschriften dieser Zeit finden sich zwar Erwähnungen ähnlicher Übertragungsmethoden, die jedoch in erster Linie das Kopieren eines bereits fertigen Bildes beschreiben.
 

Caravaggio,
Lautenspieler
Privatsammlung
New York
(mit grafischer Umrisszeichnung der Version in St. Petersburg)

Daß Caravaggio seine Motive irgendwie übertragen haben muß, wurde bereits bei anderen Werken des Künstlers beobachtet, am deutlichsten bei den zwei Versionen des Lautenspielers (St. Petersburg, Eremitage, New York, Privatsammlung).Bei diesen beiden Arbeiten muß auf jeden Fall eine Art Karton (also eine im Größenverhältnis 1:1 angefertigte Zeichnung des Gemäldes) als Übertragungshilfe zum Einsatz gekommen sein, was in den damaligen Künstlerateliers ein wohlbekanntes und oft angewandtes Hilfsmittel war. Zieht man die Anzahl der oft nur geringfügig voneinander unterschiedenen, dem Künstler zugeschriebenen Bildversionen in Betracht, so muß man schließen, daß sich Caravaggio sehr wohl des praktischen Wertes dieser Methode bewußt gewesen sein muß.


Caravaggio,
Lautenspieler
Privatsammlung
New York
(Röntgen mit Umrisszeichnung der Version in St. Petersburg)
  Domenichino,
Hl. Januarius
(Detail), Fresco, Neapel, Dom, Cap.S. Gennaro
Die Übertragung einer Vorzeichnung (der ursprünglichen und unabhängigen Idee) auf eine eigens vorbereitete Oberfläche wurde oft bereits seit dem 15. Jahrhundert von Fresko - bzw. Wandmalern praktiziert. Sicher kann gelten, daß Caravaggio diese Technik bereits während der Zeit seiner Zusammenarbeit mit dem Cavaliere d`Arpino, dem berühmtesten Fresko-Maler Roms, in den frühen 90ger Jahren kennengelernt und vermutlich auch praktiziert hat.
Was nun aber so einzigartig an Caravaggios „Inzisionen“ ist, ist deren lockere und offene Applikationsweise. Viele Fachleute schlossen daraus, daß der Maler seine Bilder „nach der Natur“ und ganz ohne Vorstudien direkt auf der grundierten Leinwand geschaffen habe, was nicht unwesentlich zu seiner Einschätzung als Künstler von Weltrang beitrug.
 
 
  Annibale Carracci,
Aeneas und Anchises
(Detail), Rom; Pal. Farnese
Trotz zahlreicher Indizien dafür, daß Caravaggio seine Bilder direkt nach der Natur gemalt hat, finden sich auch genügend Hinweise darauf, daß er – zumindest in der Phase des Kompositionsentswurfs - Hilfsmittel wie Vorzeichnungen oder Kartons im Maßstab 1:1 verwendet hat. Was Caravaggios Übertragungsmethode von der anderer Künstler dieser Zeit abhebt, ist die spezielle Linienführung und die Wahl eines ungewöhnlichen Instruments zu deren Umsetzung. Die aus dem Wiener Gemälde gewonnenen Informationen erwecken den Eindruck, daß der Künstler seine Entwürfe nicht mit dem Stift unter Anwendung von Druck einkerbte, sondern eher, daß er mit einem scharfen Messer durch das Papier hindurch den vorgegebenen Umrissen entlang schnitt oder schlitzte.  
Caravaggio,
Johannes der Täufer,
Nelson Atkins Museum, Kansas City
Caravaggio,
Johannes der Täufer,
Nelson Atkins Museum, Kansas City
(Foto Museum)
    Infrarotaufnahmen des Wiener Bildes zeigen, daß die eingeschnittenen Linien gleich anschließend mit deckender, schwarzer Farbe nachgezogen wurden. Auch feinere, nicht eingeschnittene, dunkle Markierungen mit feinen Linien, d.h. Modifizierungen des ursprünglichen Konzepts, wurden nachgewiesen.  
      Zusammenfassend kann über diese „Inzisionen“ Folgendes gesagt werden:  
    1. Die eingeritzten Umrisse zeichnen sich durch ungebrochene, klare und äußerst sparsam eingesetzte Linienführung aus.

2.
Auch sehr komplizierte Teile mit perspektivischen Verkürzungen wurden auf diese Weise mit nur wenigen Linien angelegt, von denen Caravaggio im weiteren Prozeß kaum abwich..

3.
Es finden sich praktisch keine Überschneidungen der Umrißlinien.

4.
Obwohl ein gewisser Anteil der Einritzungen durch den nachfolgenden Farbauftrag verdeckt sein könnte, finden sich bei mehreren Gemälden Caravaggios (z.B. „Johannes der Täufer“, Nelson Atkins Museum, Kansas City) auffallend breite Intervalle zwischen den genau plazierten „Inzisionen“. Die Anlage dieser Figur z.B. wurde mit nicht mehr als 6 bis 7 solcher „minimalistischen“ Markierungen bestimmt. Im fertiggestellten Gemälde findet sich keine einzige Abweichung von dieser Ausgangssituation.
 
Caravaggio,
David mit dem Haupt des Goliath,
(Rom, Galerie Borghese)
     

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