[Freie Universität Berlin] [FU-Nachrichten - Zeitung der Freien Universität Berlin]
 
  
Titel[Ausgabe 1-3/2004]ktuellWissenschaftJubiläum[Ausgabe 1-3/2004]tudentenCommunityVermischtes
FU Nachrichten HomeFU-Nachrichten ArchivFU Nachrichten SucheLeserbrief an die RedaktionImpressumHomepage der FU Pressestelle
Vorheriger Artikel...
Nächster Artikel


[Forschungen zur Luftqualität in Berlin]

[Foto]

Moderne Dieselmotoren sollen die Emissionen weiter senken.

Ab 2005 müssen Städte dafür sorgen, dass überall im Stadtgebiet gesetzliche Grenzwerte für Feinstaub eingehalten werden. Dies schreibt die EU-Rahmenrichtlinie zur Luftqualität vor. Um die Urheber von Verschmutzungen ausmachen zu können, muss man wissen, woher die Schadstoffe und Stäube stammen. Dr. Eberhard Reimer, Leiter der Troposphärischen Umweltforschung (TrUmF) am Institut für Meteorologie, verfolgt die Luftwege der Staubpartikel bis zu ihrem Ursprung. Mit ihren Modellrechnungen und Analysen liefern die Dahlemer Meteorologen Planungsgrundlagen für den Berliner Senat. Im Forschungsprojekt Hovert, das in Kooperation mit einem Messprojekt des Senats von Berlin durchgeführt wird, werden der vertikale Luftaustausch und der Ferntransport von Ozon und Feinstaub untersucht. Das Projekt wurde vom Bundesforschungsministerium unterstützt. Jetzt wurden die Daten des einjährigen Messprogramms (September 2001 bis Oktober 2002) veröffentlicht. Fazit: Überschreitungen der Feinstaubgrenzwerte werden hauptsächlich durch den Berliner Straßenverkehr verursacht.

Feinstaub ist extrem klein, die Partikel haben einen Durchmesser von wenigen tausendstel Millimetern. Weil die Schwebstoffe tief in die Lunge eindringen können, sind sie ein gesundheitliches Risiko. Sie werden zum Beispiel primär aus Schornsteinen und Auspuffrohren in die Atmosphäre gepustet oder entstehen in der Landwirtschaft, als Abrieb von Autoreifen und Straßenbelag. Außerdem bilden sie sich aus Gasen wie Schwefeloxiden, Stickoxiden oder Ammoniak. Reimer und seine Kollegen beschäftigen sich mit Feinstaubpartikeln bis zu einem Durchmesser von zehn Mikrometern. Diese Kategorie wird international als PM10 (particulate matter) bezeichnet. Gehen nun diese Aerosole in das städtische Messnetz, handelt es sich entweder um lokale oder mit den Windströmungen importierte Emissionen. In chemischen Analysen finden sich Bestandteile wie Nitrat und Sulfat, aber auch Eisen, Blei und Ruß. Diese Schadstofffraktionen sind für Reimer Indizien für die Herkunft der Schadstoffe. „Luftmassen bekommen auf Grund ihres Weges einen bestimmten chemischen Charakter. So hat jede Region ihren eigenen Fingerabdruck“, erklärt der Atmosphärenexperte und gibt ein Beispiel: „Natrium, Chlor und Magnesium sind Seesalzprodukte, die auch bei uns gemessen werden können. Das ist typisch, wenn der Wind aus Richtung Nordsee und Atlantik kommt.“

Für die Identifizierung der Emissionsorte benutzt Reimer Daten aus dem Berliner Messnetz, Wetterbeobachtungen und Trajektorien. Letztere sind Luftbahnen, auf denen sich definierte Luftpakete bewegen. Am Computer können Trajektorien mit den meteorologischen Daten über mehrere Tage rückwärts verfolgt werden. Reimer startet seine Rechnung zum Beispiel an der Messstation in Neukölln, weil hier erhöhte Schwefelwerte festgestellt wurden. Auf Grund der gemeldeten Windrichtung gelangt er nach Südosten in die polnische Industrieregion von Katowice. Während seiner meteorologischen Zeitreise beobachtet Reimer genau die vertikalen Luftbewegungen, denn die betrachteten Luftpakete können nur dann Schadstoffe aufnehmen, wenn sie in Bodennähe gelangen. Da der Wissenschaftler ungefähr weiß, wer was in Europa in die Atmosphäre entlässt, kann er schließlich feststellen, ob der Verursacher der in Neukölln gemessenen Luftverschmutzung brandenburgische Landwirte oder polnische Industriebetriebe sind.

Matthias Manych

Foto: Volkswagen AG

[Kontakt]

Dr. Eberhard Reimer, Institut für Meteorologie der FU Berlin,
Telefon: 030/838-71190,
E-Mail: trumf@zedat.fu-berlin.de,
Internet: http://secus.met.fu-berlin.de

 Zum Anfang des Artikels...